Frankfurt/Gorxheimertal. „Polizei! Zugriff!“ Als der 62 Jahre alte Gorxheimertaler, der sich zurzeit vor dem achten Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt verantworten muss, bei einem Telefonat im Hintergrund diese Worte hört, weiß er: Das Unternehmen, einen politischen Umsturz in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen, ist gescheitert.
Am anderen Ende der Leitung: Ein weiteres Mitglied der Vereinigung, das die für den Terrorakt notwendigen Waffen besorgen wollte. Dieser Mann wähnte sich auch schon am Ziel, als ihm die Strafverfolgungsbehörden einen Strich durch die Rechnung machten: Sie hatten einen V-Mann eingeschleust, der die Polizei auf die Fährte der weiteren fünf Männer führte, die sich derzeit vor dem OLG Koblenz wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer inländischen terroristischen Vereinigung sowie der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens verantworten müssen. In dem Telefonat war es darum gegangen, die Waffen in der Garage auf dem Anwesen des Gorxheimertalers zwischenzulagern.
Wie geriet der Angeklagte in die Reichsbürgerszene?
Am zweiten Tag der Hauptverhandlung ging der Vorsitzende Richter des achten Strafsenats, Jürgen Bonk, lange Zeit der Frage nach, wie es dazu kommen konnte, dass ein bis dahin unbescholtener Bürger in die Reichsbürgerszene hinabgleitet. Irgendwann, so der Mann aus Gorxheimertal am Montag, habe er sich immer mehr „in Richtung Internet“ bewegt. Schon lange sei er auf verschiedene Dinge aufmerksam geworden, die ihm „seltsam“ vorkamen; deshalb habe er deren Wahrheitsgehalt im Internet überprüfen wollen. „Wahrscheinlich habe ich mich dabei in die falsche Richtung bewegt.“
Aus einer persönlichen Erklärung des Angeklagten, die die Verteidigerin des 62-Jährigen, die Frankfurter Rechtsanwältin Barbara Jokic, verlas, ging hervor, wie er sich nach und nach immer mehr in die kriminellen Machenschaften der Vereinigung verstrickte. So seien ihm mit der Zeit Videos zugespielt worden, in denen gezeigt worden sei, wie sich ein politischer Umsturz in Deutschland realisieren lasse. Die Telefonate mit dem Rädelsführer, der sich um die Beschaffung von Waffen kümmern wollte, seien immer häufiger geworden.
Das Ziel der Operation: die Bundesregierung abzusetzen
In dieser Zeit habe er auch erstmals vom „Dreistufenplan“ Kenntnis erhalten, an dessen Ende die Absetzung der Bundesregierung und die Etablierung einer Nachfolgeregierung stehen sollte. Ihm sei erklärt worden, dass es in Deutschland vier zentrale Punkte gebe, über die die Stromversorgung abgewickelt werde. Diese Punkte sollten gewaltsam zerstört werden, um das Land von der Stromversorgung abzuschneiden und so die „nötige Aufmerksamkeit“ der Bevölkerung für den Umsturz zur erlangen.
Immer wieder sei er gefragt worden, ob er „bootsfest“ sei, ohne ihm zunächst die Hintergründe der Frage zu erläutern. Erst später sei ihm erklärt worden, die Vereinigung wolle mit einem Boot in russische Gewässer eindringen und dort Kontakt zu den dortigen Behörden aufnehmen. Ein Boot sei vorhanden, er sei als Besatzungsmitglied vorgesehen, Kontakte zu einer Delegation von Präsident Putin seien bereits aufgenommen worden. Die dritte Stufe des Plans sei schließlich die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gewesen.
„Ich fragte mich damals, wohin das alles noch führen sollte“, sagte der Gorxheimertaler. Solche Erwägungen seien ihm damals aber schwer gefallen. „Ich habe ja fortwährend Marihuana geraucht und bin immer tiefer in die Drogenwelt versunken.“ Aber: „Ich hatte ja fast ein Jahr lang Zeit zum Nachdenken. Ich verstehe, dass meine Handlungen strafbar waren. Es war falsch, was ich gemacht habe. Ich möchte damit nichts mehr zu tun haben.“
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