Heidelberg. Auf diese Nachricht dürften viele Studentinnen und Studenten in Heidelberg sehnsüchtig gewartet haben: Die Zeughaus-Mensa öffnet nach Pandemie-bedingter Schließung an diesem Freitag wieder für den Publikumsverkehr – und das pünktlich zum 100. Jubiläum der studentischen Kantine. Um den eigenen Geburtstag stilecht zu feiern, finden am Freitag vor allem typisch-bürgerliche Gerichte der 1920er Jahre den Weg in die Wannenschalen: Tafelspitz mit Meerrettichsauce, halbe Ente mit Schupfnudeln oder ein klassischer Festtagsgulasch – samt feierlicher Speckbeilage, versteht sich.
Mit dem kulinarischen Angebot zum Jahrestag möchte die Mensa Academica auch nach der Wiedereröffnung ihrem eigenen Anspruch in Sachen „Esskultur“ gerecht werden: Nicht nur sättigend, auch qualitativ hochwertig soll sie sein, die Verpflegung im ehemaligen Waffenlager. Zwar etwas teurer als in der benachbarten Triplex-Mensa, aber für den studentischen Geldbeutel noch immer erschwinglich. So wie es bereits von Hedwig Neumeyer angedacht war, die vor 100 Jahren als erste Mensaleiterin der verarmten Studentenschaft der Nachkriegszeit Bohnenkaffee für 50 Pfennig die Tasse anbot – „damals eine echte Sensation“, wie das Studierendenwerk heute nicht ohne Stolz betont.
Bestandteil studentischen Lebens
Es seien allerdings weniger karitative Beweggründe gewesen, die zur Etablierung eines studentischen Speiseraums im Zentrum der Stadt geführt hätte, erklärt Hans-Martin Mumm, der sich als Vorsitzender des Heidelberger Geschichtsvereins mit der bewegten Vergangenheit der heutigen Mensa beschäftigt: „Das Zeughaus erfüllte nach dem Ersten Weltkrieg eine gesellschaftliche Funktion, es sollte den sozialen Zusammenhalt in der Bevölkerung stärken“, so Mumm. „Dafür wollte man den Studenten etwas anbieten, das über Vorlesungen an der Uni hinausging“.
Ein Kerngedanke, der dem Gebäude auch heute noch innewohnt, wie Tanja Modrow bekräftigt. Die Geschäftsführerin des Studierendenwerks sieht die Mensa nicht zuletzt als Begegnungsort, als wichtigen Bestandteil studentischen Lebens in der Altstadt: „In unserem Zeughaus bringen wir die Studentinnen und Studenten zusammen – und das mit der wohl besten Grundlage, leckerem Essen.“
Die ursprüngliche Bestimmung des Bauwerks war indes weniger auf gemeinschaftliche Verbundenheit ausgerichtet: Zwei Wachtürme samt Schießöffnungen auf der Neckarseite zeugen noch heute von der kriegerischen Kindheitsstube der Konstruktion, die im Nachgang des Landshuter Erbfolgekrieges zunächst als Waffenlager diente. Mit dem später errichteten Renaissance-Bau an der Südflanke wurde das Militärgebäude durch den „Marstall“ ergänzt, fungierte nun vornehmlich als Pferdestall und Übungshof für Reiter. Ein machtpolitisches Zeichen Ludwigs V., galt die fürstliche Stallung in Heidelberg mit ihren ausufernden Hallen und feingliedrigen Verzierungen doch als eine der größten und prächtigsten der deutschen Gebiete.
Von dem prunkvollen Anbau ist heute nichts mehr zu sehen. Die Truppen Ludwigs XIV. zeigten 1689 nur wenig Sinn für den ästhetischen Reiz des architektonischen Ensembles und brannten weite Teile kurzerhand nieder. Was folgte, waren Jahrzehnte des Wandels, des Auf- und Umbaus. Nach Ende der Napoleonischen Kriege wurde das Gebäude wahlweise als akademisches Krankenhaus oder Gewerbeschule genutzt, vor 100 Jahren dann die Umwandlung zur Mensa Academica.
Kosmopolitische Gäste
Der Funktion als offener Begegnungsstätte setzte hingegen die Machtergreifung der Nationalsozialisten ein jähes Ende. Nach der Auflösung der damaligen Studentenhilfe kam es zum völligen Ausschluss jüdischen Lebens aus den Essenssälen. NS-Funktionäre genossen hingegen unter Leitung des gleichgeschalteten Studentenwerks in Heidelberg – ab 1937 von Hanns-Martin Schleyer geführt – zahlreiche Privilegien, zeitweise dienten die Räumlichkeiten des Zeughauses auch als Umschlagplatz für Zwangsarbeiter.
Von dem dunkelsten Kapitel ist im heutigen Mensa-Komplex selbstverständlich nichts mehr zu spüren. Und so kosmopolitisch wie die Gäste ist mitunter auch die Speisekarte gehalten – wofür man im Zweifelsfall auch mal einen Stilbruch in Kauf nimmt: Als vegane Variante steht heute Gemüse-Bulgur in Tomate auf der Karte. Ein Gericht, das in den 1920er Jahren wohl bestenfalls versehentlich den Weg in die gutbürgerliche Küche gefunden haben dürfte.
Negativ-Test für Mensa nötig
Die Zeughaus-Mensa im Marstall hat momentan Montag bis Freitag von 11 bis 14 Uhr geöffnet.
Ein Verzehr der Speisen vor Ort ist möglich für offiziell Genesene, zweifach Geimpfte oder mit einem negativem Corona-Test. Schnelltests für den privaten Gebrauch können allerdings nicht akzeptiert werden. Kostenlose Testungen auf das Corona-Virus können jedoch im Innenhof des Gebäudes durchgeführt werden.
In der Mensa gilt zudem die Pflicht zum Tragen einer Mund- und Nasenbedeckung.
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