Ausstellung

Spuren der Verwüstung

Kurpfälzisches Museum Heidelberg widmet sich „Krieg und Frieden“ – von der Jungsteinzeit bis zur Moderne

Von 
Hans-Günter Fischer
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Der Ausschnitt der Druckgrafik von Matthäus Merian zeigt die Belagerung und Eroberung Heidelbergs durch Tilly im Jahr 1622. © Kurpfälzisches Museum

Der Metalldetektor ist das wesentliche Arbeitswerkzeug eines sogenannten Sondengängers. In die Hand nehmen darf es nicht jeder oder jede, längst bedarf es hierfür einer staatlichen Genehmigung, einer Art Führerschein. Denn Sondengänger sind auch Diener der Erinnerungskultur, vor allem wenn sie alte Schlachtfelder entdecken und durchforsten, wie es in den letzten drei Jahrzehnten immer häufiger geschieht. „Konfliktarchäologen“ und „-archäologinnen“ haben daraus ein separates Fachgebiet mit eigenem methodischem Gerüst entwickelt. Und herausgefunden, dass die Welt schon seit der Jungsteinzeit noch kriegerischer und gewalttätiger war, als wir befürchtet hatten.

Umschlagpunkte der Geschichte

„Krieg und Frieden“ heißt die Heidelberger Ausstellung, die das mit vielen, nicht nur in der hiesigen Region entdeckten Fundstücken und Exponaten unterstreicht. Zur Konzeption sind vom Kurpfälzischen Museum, in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege, bereits vor vier Jahren erste Überlegungen getätigt worden. Als an Putins Ukraine-Krieg zum Glück noch nicht zu denken war. Sein Ausbrechen ließ dann sogar die Frage aufkommen, ob „Krieg und Frieden“ wieder abgeblasen werden sollte – was ein bisschen seltsam anmutet. Man gibt dem Heidelberger Bürgermeister Wolfgang Erichson gern recht, wenn er zur Ausstellungseröffnung sagt, „gerade jetzt“ müsse die Schau gezeigt werden. Zumal es auch ein Jubiläum gibt: 400 Jahre ist es her, dass ein gewisser Feldherr Tilly Heidelberg belagerte und anschließend zerstörte. Was das Ende einer wissenschaftlichen und kulturellen Blütezeit besiegelte, wie von Museumsleiter Frieder Hepp erläutert wird.

Die Schau und ihr Begleitprogramm

  • Gezeigt wird „Krieg und Frieden“ bis zum 29. Januar 2023 im Kurpfälzischen Museum Heidelberg, immer dienstags bis sonntags, zwischen 10 und 18 Uhr.
  • Der Eintrittspreis beträgt 8 Euro, mit Ermäßigung 4,50 Euro, inklusive Audioguide. Die 168 Seiten starke Ausstellungsbroschüre mit fundierten Texten kostet 9 Euro.
  • Zum Begleitprogramm gehört ein „Heidelberger Stadtgespräch“ am 27. September, das im Hinblick auf die Schlacht von 1622 fragt, wie man an Kriege und Zerstörungen erinnern soll. Am 30. Oktober wird ein neuer Rundgang durch den Heidelberger Stadtwald auf den Spuren der Belagerung von damals eingeweiht.

Um diese Umschlagpunkte der Geschichte geht es den Konfliktarchäologen. Religionen (oder Konfessionen) haben immer wieder ihren Teil zum Unheil beigetragen. In der Ausstellung hängt auch das ziemlich imposante Ölgemälde Wilhelm Trübners aus dem späten 19. Jahrhundert: Katholik und Feldherr Tilly reitet in die Kirche von Bad Wimpfen ein und möchte Gottes Segen für sein kriegerisches Vorhaben. Der Priester tut ihm den Gefallen. Derlei gibt es ein paar tausend Kilometer weiter östlich, nur ein bisschen abgewandelt, heute noch.

In Heidelberg standen die Truppen Tillys auf dem Gaisberg. Dass die materielle Hinterlassenschaft dieser Gewaltanwendung, die vom Krieg gezeichnete Konfliktlandschaft, noch gut erhalten ist, verdankt sich einem Sommerunwetter, das damals Einiges im Schlamm versinken ließ, was später wieder aufgefunden werden konnte. Auch Kanonenkugeln unterschiedlichster Kaliber sind darunter, manche derart putzig, dass man Boccia damit spielen möchte.

Erstaunliche Details

Eher unscheinbare Exponate gibt es etliche in dieser Ausstellung. Doch wer genauer hinsieht, kann erstaunliche Details entdecken. Selbst die Handprothese Götz von Berlichingens hat die Feinheit eines Datenhandschuhs aus dem 21. Jahrhundert. Und sogar das Spornrad eines für den Zweiten Weltkrieg konstruierten Jagdflugzeugs der Firma Messerschmidt erscheint durch Schmutz und Patina verfremdet, fast veredelt: Artefakte der Zerstörung. Noch weit eindrucksvoller ist jedoch die einst, vor gut 2000 Jahren, von den Kelten eingesetzte Kriegstrompete, mindestens zwei Meter lang, mit einem Pferdekopf als Schalltrichter. Wenn dieser Mund sich auftat, war ein rauer, scharfer Ton zu hören. Angst und Schrecken sollte er verbreiten und die kakophonische Musik des Kriegs über das Schlachtfeld jagen. Dieses Exponat ist allerdings zu schön und heil, um wahr beziehungsweise echt zu sein. Es ist „nur“ eine Nachbildung.

Das ganze Elend, die Geschichte der Gewalt, fing allerdings weit vor den Kelten an: im frühen Neolithikum, um 5000 vor Christus. Erste Massenmorde griffen um sich, ganze Dorfgemeinschaften wurden getötet, nachgewiesen unter anderem in Talheim bei Heilbronn. Nur Frauen im gebärfähigen Alter blieben von den Metzeleien manchmal ausgenommen. Waren sie das Ziel? Es ist nicht abschließend zu klären. Eine Art Vertreibung aus dem Paradies fand statt, wie Denkmalpfleger Bertram Jenisch in der Ausstellungseröffnung feststellt. Es war mindestens die zweite. Menschen wurden sesshaft, „glückliche“ Jäger und Sammler wurden Ackerbauern. Dass privates Eigentum Gewalt gebiert, ist nicht Marxismus, sondern ein Befund der Archäologie.

Die Hingucker der Heidelberger Ausstellung, zu denen auch der Silberschatz von Kaiseraugst gehört (gehortet in der späten Römerzeit), sind also teilweise sehr alt. Aber in einem Nebenraum steht auch ein digitales Spielzeug zur Verfügung, mit 3D-Technik lässt sich auf einem großen Panoramabildschirm eine Zeitreise ins Heidelberg des frühen 17. Jahrhunderts unternehmen. Als der Feldherr Tilly vor den Toren stand.

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