Hirschhorn. Für Tobias Bell war die Fracht so eine Art Ehrensache: Es kommt schließlich nicht oft vor, dass der Binnenschiffer in seiner Heimatstadt ausladen darf. Der 27-Jährige machte diese Woche sein Schiff an der Ersheimer Schleuse fest. Im Gepäck, sprich im Frachtraum, hatte er sehnlichst erwartete Ware: die beiden neuen Schleusentore. Bell beförderte sie von Magdeburg aus in die hessische Neckarstadt.
Die Schifffahrt liegt der Familie im Blut – und sie ist die letzte in Hirschhorn, die diesen Beruf noch betreibt. Früher, erinnert sich Bell, gab es noch über 30 Partikuliere (Schiffseigentümer) im südlichsten hessischen Zipfel, dem einzigen Landstrich, der an den ansonsten baden-württembergischen Neckar grenzt. Heute sind nur noch die Bells übrig geblieben.
Während sein 30-jähriger Bruder das Schiff steuert, das seine Eltern 1989 kauften, ließ sich der der 27-jährige Tobias Bell vor drei Jahren einen Tanker für seine Zwecke umbauen. Heute ist er damit gemeinsam mit Frau Madeleine, dem fünf Monate alten Sohn Friedrich sowie zwei Hunden auf den Wasserstraßen unterwegs.
Für Bell gab es nie eine Alternative. Schon mit 15 Jahren kam er an Bord. Mit diesem Ziel schon früh vor Augen „war ich kein guter Schüler“, lacht er. Auf der Berufsschule in Duisburg ging die Fahrt weiter. „Ich habe meine Berufswahl noch nie bereut“, berichtet er. Wobei auch klar ist: Rein aus wirtschaftlichen Erwägungen macht das niemand, „es gehört auch Passion dazu“. Durch das Jahr 2020 schipperte die Familie ganz gut. Es gab zwar Corona-bedingt Einbußen, erklärt der Hirschhorner. Aber die waren nicht so stark wie in anderen Berufsgruppen – Warentransport ist immer gefragt.
Den Auftrag für den Transport der Schleusentore wollte er auf jeden Fall bekommen. Vor einem Jahr brachte er Hochwasser-Sperrtore von Sachsen-Anhalt nach Ladenburg und erfuhr, dass die Fracht nach Hirschhorn ansteht. Bell bekam den Zuschlag, die Schleusentore von der Werft in Roßlau an der Elbe ins Hessische zu bringen.
Die Tore, weiß er, lagerten dort einige Zeit. Denn das Bauvorhaben in Hirschhorn dauert länger als geplant. Vor sechs Jahren ging’s los – mit einer geplanten Bauzeit von 22 Monaten. Ein Abschluss ist aber auch nach Ankunft der Tore noch nicht in Sicht. Denn manchmal passen sie nicht gleich und müssen noch einmal nachjustiert werden.
Das Schwerlastsegment als Spezialisierung ist eine Zielrichtung des Binnenschiffers. Denn immer mehr Projekte werden von der Straße aufs Wasser verlegt. Dazu zählt der Transport von Windrädern. Mit seinem niedrig gehenden Schiff ist er flexibel bei Durchfahrtshöhen, die andere Frachter nicht schaffen. wilk
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