Tourismus

Rückkehr der historischen Bergbahn in Heidelberg im Zeitlupenformat

Die historische Bergbahn von 1907 kehrt nach einer umfangreichen Wartung in der Schweiz an die Station Molkenkur zurück.

Von 
Joachim Klaehn
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Der Weg zurück auf die Schiene geht über den Kran. © Philipp Rothe

Heidelberg. Wer mit den Heidelberger Bergbahnen bis zum Schloss und Königstuhl hoch- und runterfährt, der hat in aller Regel keinerlei Vorstellung davon, was hinter dem normalen Betrieb dieser beliebten Touristenattraktion steckt. Am frühen Montagmorgen erfolgt die nächste Etappe einer logistischen Meisterleistung, die sich über drei Monate erstreckt.

Die historische Bahn von 1907 kehrt nach einer umfangreichen Wartung in der Schweiz an die Station Molkenkur zurück. Es ist, so viel sei vorweggenommen, der letzte spektakuläre Akt eines gründlichen Rundum-Checks, der 2025 für die untere und obere Bahn zusammenfällt. Im Sechs-Jahres-Rhythmus werden die kürzere Molkenkurbahn (Streckenlänge 471 Meter) und die mehr als doppelt so lange Königstuhlbahn (1020 Meter) im Zehn-Jahres-Rhythmus einer großen Revision unterzogen.

Heidelberger Bergbahnen

Betriebsführung: Heidelberger Straßen- und Bergbahn GmbH

Wiedereröffnung: Samstag, 29. März; Sommerfahrplan: 9 bis 20 Uhr täglich

Kombiticket: 11 Euro (Fahrt bis zum Schloss und Schlosseintritt)

Gesamtbahnticket: 17 Euro (Hin- und Rückfahrt)

Familienkarte: 36 Euro (zwei Erwachsene und ein Kind), jedes weitere Kind 3 Euro

Mehr Infos über Tarife und Ermäßigungen unter www.bergbahn-heidelberg.dejog

„Sicherheit steht bei uns an alleroberster Stelle“, sagt Damian Kampka, Betriebsleiter der Bergbahnen, über die Prioritätensetzung einer aus Heidelberg nicht wegzudenkenden Sehenswürdigkeit, die für Einheimische wie für Besucher aus dem In- und Ausland Erlebnischarakter und Nostalgiegefühle vermittelt. „Safety first“ gilt nicht nur in der Luftfahrt, sondern überall auf dem Boden. Insbesondere dann, wenn wie in der Universitätsstadt jährlich über zwei Millionen Fahrgäste in den insgesamt vier Wagen verzeichnet werden.

Viele Schaulustige verfolgen die Szenerie an der Heidelberger Bergbahn

Ein Mitarbeitertross der für die Betriebsführung verantwortlichen Heidelberger Straßen- und Bergbahn GmbH trifft sich bereits morgens um 7 Uhr an der Autobahn-Raststätte Hardtwald mit der Speditionsfirma. Die zwei Tieflader mit den historischen Wagen 3 und 4 werden über den Leimener Weiler Lingental und den Kreisel bei Gaiberg zur Station Molkenkur gelotst. Den Weg über die Altstadt und den Klingenteich zu nehmen, ist unmöglich. Zu steil, kurvenreich und eng geht’s den Berg hoch.

Um 8.15 Uhr wird der Kran der Schwerlastfirma Karl Scholl GmbH positioniert und mit seinen flexiblen Seitenarmen in unmittelbarer Nachbarschaft der Molkenkurbrücke fixiert. Dann biegt der Tieflader mit Wagen 4 um die Ecke. Ein Rangiermanöver gehört dazu. Ein TV- und ein Videofilm-Team halten alles akribisch fest. Einige Medienvertreter, Spaziergänger und Schaulustige verfolgen die Szenerie. Thaddäus Kotzar, stellvertretender Leiter der Bergbahnen mit dem Fokus auf die elektronische Steuerung, sagt mit einem Schmunzeln: „Solch eine Aktion ist die beste Werbung für uns und das Stadtmarketing in Heidelberg.“ Kein Widerspruch.

Der Transport der Bahn auf den Königstuhl ist für den Lkw-Fahrer Millimeterarbeit. © Philipp Rothe

Doch vor den Preis haben die Götter den Schweiß gesetzt. Drei Experten des Schweizer Seilbahn-Weltmarktführers Garaventa, an den eidgenössischen Standorten Goldau, Uetendorf und Sion beheimatet, sowie zwei Scholl-Spezialisten und das achtköpfige Team von Damian Kampka sind nun voll gefordert. Kampka räumt ein, dass ihm in der Nacht zuvor tausend Gedanken durch den Kopf geschossen seien. Er habe einen einzigartigen, ja vielleicht sogar „den schönsten Arbeitsplatz der Welt“, so der Betriebsleiter, Technikmeister und Betriebswirtschaftler durchaus emotional.

Bergbahn Heidelberg: Auch der Neigungswinkel der Kabine muss berücksichtigt werden

Die Spannung steigt – recht langsam, aber stetig. Kettenzüge mit Abstandshaltern werden vom Kran Richtung Lkw-Ladefläche transportiert. Träger sind bereits bei Garaventa unter dem Wagen 4 installiert worden. Die Schweizer Präzisionsarbeiter fixieren alles, prüfen alles mehrfach. Hektische Bewegungen sind bei dieser Hochkonzentrationsübung verpönt. Hebevorgang, „Flug“ und passgenaue Landung auf den Schienen müssen absolut fehlerlos erfolgen. Und weil dem nicht genug ist, gilt es zudem den Neigungswinkel des schiefen Kabinenbaus zu berücksichtigen.

Die beliebte historische Bergbahn ist zurück in Heidelberg. © Philipp Rothe

9.37 Uhr, Nummer 4 schwebt leicht über dem „Convoi exceptionnel“. Ein Linienbus fährt vorbei, der öffentliche Verkehr soll möglichst nicht beeinträchtigt werden. Dafür sorgt der Mitarbeiterstab der Heidelberger Straßen- und Bergbahn GmbH mit „Walkie Talkies“ und präzisen Kommandos („Wie sieht’s aus?“, „Alles frei bei mir“, „Ich habe einen Pkw“ etc.). Ein beobachtender Junge seufzt: „Endlich geht’s los!“ Sieben Minuten später wird der rund acht Tonnen schwere Wagen in luftige Höhen gehievt, seitlich eingedreht und vom Auslader des Krans über das Gleis der Molkenkurbrücke, nahezu unverändert im Originalzustand von 1907, akkurat gesteuert. Das „Finale furioso“ im Zeitlupenformat hat begonnen.

Allergrößte Vorsicht ist geboten. Denn die seit 2004 unter Denkmalschutz stehende historische Bergbahn darf keinerlei Kratzer abbekommen oder Schaden nehmen. Sonst wären ja alle kostenintensiven Facharbeiten gefährdet: die neue Dachbeschichtung der Wagen 3 und 4; der Austausch von einzelnen Holzteilen; das detailgenaue Streichen von innen und außen der Standseilbahn; die Prüfung des Fahrwerks bei Garaventa; die Renovierungs- und Verschönerungsmaßnahmen der Kabinen bei der Amstutz Holzbau GmbH in Stans.

Auch Wagen 3 der Heidelberger Bergbahn befindet sich mittig auf der Brücke

„Die größte Gefahr ist die Fangbremse am Fahrwerk, die wiederum auf die Keilkopfschiene zugreift“, meint Damian Kampka, „sie darf sich nicht verkeilen. Hier haben wir lediglich ein, zwei Zentimeter Spielraum.“ Um 10.19 Uhr ist alles geschafft. Auf den Schienen liegend prüft das Spezialisten-Trio von Garaventa alle wesentlichen Teile des Stahlkolosses. Wagen 4 ist in der Schienenspur, am Stahlseil verankert. Wenige Stunden später wird exakt das gleiche Prozedere erfolgreich beendet. Wagen 3 befindet sich mittig auf der Brücke.

Als Nächstes steht die Positionierung der historischen Bergbahn an den Stationen Molkenkur und Königstuhl bevor – mithilfe eines sogenannten Gewichtwagens, der jeweils den anderen Wagen ersetzt. Garaventa hat diesen extra angeliefert – und transportiert ihn wieder ab. Prüfungen der elektronischen Steuerung und der beiden Bremssysteme (Betriebs- und Fangbremse) runden die generalstabsmäßige Planung ab, ehe die Grundabnahme durch das Regierungspräsidium Freiburg in der letzten März-Woche erfolgt.

Freie Fahrt voraus heißt es für die moderne und historische Bergbahn am 29. März. Pünktlich zum traditionellen „Frühlingserwachen“, ein Familienfest und Aktionstag, greift synchron der Sommerfahrplan (9 bis 20 Uhr) der Heidelberger Bergbahnen. Optimales Timing nennt man das – die große Revision 2025 der Wagen 1, 2, 3 und 4 darf getrost mitgefeiert werden …

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