Energie

Photovoltaik auf der Schlicht: Kieswerk arbeitet mit Sonnenkraft

Energie für das Kieswerk Rohr: Die erste schwimmende Photovoltaikanlage im Rhein-Pfalz-Kreis erzeugt auf der Schlicht Strom. Dafür hat Axel Rohr sogar die Arbeitsprozesse im Betrieb umgestaltet

Von 
Susanne Kühner
Lesedauer: 
2382 Module mit insgesamt 750 Kilowattpeak Leistung schwimmen auf der Schlicht – die erste Anlage ihrer Art im Rhein-Pfalz-Kreis. © Klaus Venus

Waldsee. Wer an den Wolfgangsee möchte, muss nicht zwangsläufig bis Österreich fahren. Es gibt ihn auch in der pfälzischen 6000-Einwohner-Gemeinde Waldsee, dem Verwaltungssitz der Verbandsgemeinde Rheinauen. In die Schlicht geht der See über. Von diesem gewinnt das Kieswerk Rohr seit April Solarenergie.

Schwimmende PV-Anlage liefert Strom für Kieswerk

1928 hat Adam Rohr den Grundstein des Unternehmens gelegt; mit Schippe und Pferdekarren. So unvorstellbar das im 21. Jahrhundert ist, so unglaublich wäre es für die Altvorderen gewesen, dass Sonnenkraft die Maschinen des Betriebs am Laufen hält. Das ist aber seit April dieses Jahres Tatsache. Auf 6800 Quadratmetern erstreckt sich auf der Schlicht eine schwimmende Photovoltaikanlage.

Wir arbeiten sehr energieintensiv. Aufgrund der Entwicklung auf dem Energiemarkt möchten wir aber klimaneutral werden.
Axel Rohr Kieswerk Rohr

Für Axel Rohr, der das Kieswerk in vierter Generation leitet, war das ein konsequenter Schritt. „Wir arbeiten sehr energieintensiv. Aufgrund der Entwicklung auf dem Energiemarkt möchten wir aber klimaneutral werden“, erklärte er am Montag. Da kam die rheinland-pfälzische Ministerin Katrin Eder, zuständig für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, zu Besuch. Aus der Nähe wollte sie sich das Konstrukt betrachten, das aus der Luft betrachtet leicht futuristisch aussieht.

850.000 Kilowattstunden liefert die schwimmende Photovoltaikanlage im Jahr

Bei einer Außentemperatur von 30,6 Grad und auf 50,3 Grad erhitzten Solarmodulen brachte die PV-Anlage Höchstleistung. Um 13.20 Uhr waren bereits 543,09 Kilowattstunden Energie erzeugt worden. Der Geschäftsführer der Speyerer Stadtwerke (SWS), Wolfgang Bühring, sprach von 850 000 Kilowattstunden, die die Anlage ganzjährig bringt. „Nicht alles kann von der Firma Rohr verbraucht werden und fließt in unser Direktmodell ein“, sagte er. Das heißt: 380 000 Kilowattstunden Energie können als Regionalstrom von Kunden gekauft werden.

Axel Rohr (v.r.) erläutert Ministerin Katrin Eder und SWS-Geschäftsführer Wolfgang Bühring die Leistung der Anlage. © Klaus Venus

Kies und Sand werden in Waldsee seit 1928 abgebaut - und die Entscheidungsträger sind dabei immer mit der Zeit gegangen. Nachdem Gründer Adam Rohr mit einfachsten Mitteln arbeitete, stellte Sohn Emil die Technik um. Mit Eimerkettenbaggern wurde der Kies unter Wasser gewonnen. Die ersten Schwimmgreifer kamen in den 1950er-Jahren zum Einsatz. Die dritte Generation, Wolfgang Rohr, begann in den 1970er-Jahren mit der Expansion und hat Kieswerke an sieben Standorten. Hinzu kommen drei Recyclinganlagen im Unternehmensverbund zur Belieferung und Entsorgung der Bauwirtschaft über die Grenzen der Kurpfalz hinaus.

Schwimmende Solaranlagen

  • Die Photovoltaikanlage auf der Schlicht bei Waldsee ist nicht das erste schwimmende Sonnenkraftwerk in der Metropolregion. Allerdings hat das Thema erst in den vergangenen Jahren richtig an Fahrt aufgenommen.
  • In den Jahren 2020 und 2021 gingen in Leimersheim (Kreis Germersheim) auf dem See des Kieswerks Pfadt zwei PV-Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 1,5 Megawatt peak ans Netz. Zu diesem Zeitpunkt waren sie die leistungsfähigsten Anlagen ihrer Art in Deutschland. Die 3744 Module nehmen 1,4 Hektar und etwa acht Prozent der Seefläche ein. Sie produzierten laut Betreiber im Jahr 2022 rund 1,7 Gigawatt Strom, soviel wie der Bedarf von etwa 425 Familien.
  • Auch auf dem See bei Mannheim-Rheinau erntet eine PV-Anlage seit etwa einem Monat Strom, allerdings in etwas kleinerem Maßstab als in Leimersheim oder Waldsee. Hier sind 112 Module auf einer Fläche von 400 Quadratmeter verbaut und versorgen künftig die Wasserskianlage mit Strom.
  • Eine Erweiterung der Anlage ist bereits geplant

Genehmigung für Anlage auf der Schlicht dauert lange

Beim allerneuesten Projekt schwimmende PV sind die SWS Investor. Rohr ist der Betreiber. Gebaut wurde die Anlage, die eine installierte Leistung von 750 Kilowattpeak hat, von einem Unternehmen aus Kehl-Auenheim im Ortenaukreis. „Wir verbauen nichts, was nicht in Deutschland hergestellt wurde“, machte der Seniorchef der Intech GmbH und Co KG, Hansjörg Vollmer, deutlich. Das sei zwar etwas teurer, qualitativ jedoch hochwertiger.

Die Rollenverteilung und das Zusammenspiel unter den Partnern waren klar. Drei Jahre dauerte es aber, bis sie loslegen konnten: Das lag am langwierigen Genehmigungsprozess. Die Ministerin nannte personell schmal besetzte Bearbeitungsstellen als Ursache. Das Ergebnis begeisterte Eder. „Wir haben die Chance, PV-Anlagen dorthin zu packen, wo anderes nicht geht“, wies sie auf die Flexibilität der Module, beispielsweise im Vergleich zur Windkraft hin. Die Optik sei angesichts des fortschreitenden Klimawandels nicht der ausschlaggebende Faktor, sondern die Effektivität.

Entgegen aller Bedenkenträger, die in einer schwimmenden PV etwas Schädliches für Gewässer sehen, meinte Eder: „Sie kann ein Benefit sein.“ Der Grund: „Sie schützt das Wasser davor, sich zu stark zu erwärmen.“ Aktuell verfolge das Land das Ziel, 500 Megawatt pro Jahr hinzuzubauen. „Wir werden die Zahl übertreffen“, kündigte Eder an. Der Wert liege zurzeit schon bei 430 Megawatt. Im Zusammenhang damit soll die Freiflächenverordnung vorangetrieben werden. Darin wird unter anderem die Erschließung von Potenzialen zur Solarenergiegewinnung geregelt, im Besonderen in benachteiligten Gebieten.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Maximale Nutzung angestrebt

Umgestellt hat Axel Rohr die Arbeitsprozesse im Betrieb, so dass die Solarenergie maximal genutzt wird. Mit der erzeugten Energie auf der Wasserfläche des Kieswerks könnten etwa 280 Einfamilienhäuser versorgt und 580 Tonnen CO2 eingespart werden. Künstlich angelegt worden sind die Gewässer, wobei der Wolfgangsee nach dem heutigen Seniorchef Wolfgang Rohr benannt wurde.

Die positive Erfahrung mit der Erstanlage - von Ideengeber Prokurist Robert Gard ins Spiel gebracht - hat neue Projekte angestoßen: Am Standort in Bensheim soll noch in diesem Jahr eine zweite schwimmende PV-Anlage auf dem See an der Erlache folgen.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen