Heidelberg. Zwei Kinder klettern auf einen alten, in Regenbogenfarben angesprühten Panzer. Auf dem Geschützturm sitzen bereits einige Erwachsene und rauchen. Drumherum stehen lachende Menschen, bewegen sich im Takt zur Musik.
Für die nächsten zehn Tage, bis zum 7. August, ist das Patrick Henry Village Ort für Kunst, Workshops, kreative Experimente und Musik. Schon beim Eintreten auf das Festivalgelände wird klar, dass man nicht in eine schicke Galerie oder ins Museum läuft. An rostigen Autos und einer Halfpipe vorbei bahnt man sich den Weg durch die Büsche bis vor die Tore der alten Anlieferungshalle. Zwischen Baugerüsten und Bühne steht der alte, nun bunte, amerikanische Panzer. Verfallen und unbenutzbar und trotzdem farbenfroh und einladend. Das Thema Verwandlung steht im Mittelpunkt des Festivals. Gute und verängstigende Zukunftsvisionen liegen in den Ausstellungsräumen eng nebeneinander. Wandgroße Graffiti schmücken die Lagerhalle, und zwischendrin sprühen und malen Künstlerinnen und Künstler. Die Ausstellungsräume regen mit vielfältigen Street-Art-Installationen zum Nachdenken an. Beunruhigend wirkt das Werk von „Nessi Nezilla“. Mischwesen aus Kakerlaken und Gewehrkugeln krabbeln aus einem Bunker heraus und scheinen das Festival zu infizieren, überall finden sie sich in Form von Stickern wieder.
Auch die Uni Heidelberg hat zusammen mit dem mexikanischen Künstler „Saner“, einen Raum gestaltet, der sich mit dem Leitthema befasst. Jugendliche, an südamerikanische Kulturen erinnernde Masken tragend, machen Selfies vor zwei brennenden Hochhäusern. Wie sehen deren Lebensentwürfe aus? Im Kontrast zu diesen düsteren Werken stehen zum Beispiel Carolin Kaisers leuchtende Farben und geometrische Graffitis.
Abends spielen Bands und DJs alles von Post-Pop über Funk bis Techno. Zur Eröffnung tritt die spontan eingesprungene Band „Zouj“ auf. Von der Bühne dröhnt passend zu den vielfältigen Kunstwerken eine sich immer ändernde Mischung aus Techno, Hip-Hop und Pop, gefolgt vom wilden Post-Punk-Trio „Jealous“. Zwischen den Bands gibt es immer wieder DJ-Sets, am ersten Abend House-Musik und haufenweise Saxofon-Soli.
Auf die Beine gestellt hat das Ganze Pascal Baumgärtner, Kurator und Leiter des „Metropolink“-Festivals. Er eröffnet die Ausstellung mit einem kleinen Seitenhieb auf die Stadtverwaltung Heidelberg. „Es ist ein schwieriger Weg durch insgesamt 25 Ämter gewesen, bis es endlich zu dem Festival kam.“
Kultur überall hinbringen
Auch beklagt Baumgärtner die Ironie, dass ein Festival, welches Zukunftsperspektiven als Thema habe, so schlecht an den ÖPNV angebunden sei. Trotzdem sei Heidelberg für ihn und sein Team der richtige Standort. Es sei wichtig, Kultur dort hinzubringen, wo es noch nicht so viel davon gebe. Auch in Heidelberg gebe es laut Baumgärtner noch viele „hässliche Gebäude“, die neugestaltet werden könnten. Oberbürgermeister Eckart Würzner und die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer eröffneten das Festival mit.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-panzer-kakerlaken-und-utopien-_arid,1979324.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html