Mannheim. Im August 2020 wird Bernd K. (Name von der Redaktion geändert), Leiter einer von ihm selbst gegründeten Heidelberger Bildungseinrichtung, vom Landgericht Heidelberg wegen sexuellen Missbrauchs von drei Jugendlichen zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Frühjahr 2024 wird er aus der Haft entlassen und kehrt an eben jenes Institut zurück. Offiziell nicht als Leiter, die Geschäftsführung hat in der Zwischenzeit sein Vater übernommen, sondern als Administrator und Organisator.
Denn Jungen unter 18 Jahren unterrichten, das darf Bernd K. nicht. Das Landgericht hatte ihn 2020 nämlich auch mit einem Berufsverbot belegt. Für eine Dauer von fünf Jahren ist es ihm untersagt, beruflich oder gewerblich als Lehrer, Ausbilder, Trainer, Reise- und Jugendleiter mit männlichen Personen unter 18 Jahren tätig zu sein. Im Rahmen der Führungsaufsicht nach seiner Freilassung hatte das Landgericht Mannheim als zuständige Strafvollstreckungskammer zudem ein dreijähriges Kontaktverbot zu unter 18-jährigen Jungen verfügt.
Doch daran hielt sich der Mann nicht. So dass es, wenige Monate nach der Entlassung, wieder zu einem Prozess kam – diesmal vor dem Heidelberger Amtsgericht. Das Urteil fiel jetzt: sieben Monate auf Bewährung. Bewährungszeit: vier Jahre. Der Vorsitzende Richter, Norbert Will, sah es als erwiesen an, dass Bernd K. – der nach außen als leitendes und lehrendes Personal wahrgenommen worden sei – de facto auch Kontakt zu männlichen Kindern und Jugendlichen hatte, indem er Klassenräume betrat, Wartende im Eingangsbereich ansprach und sich in einem konkreten Fall mit einem Jungen für ein Gespräch in einen Raum begeben hatte, um dessen Nachhilfeplan zu besprechen. Kontakt- und Berufsverbot hätten jedoch ihren Sinn. „Wenn Kontakt besteht, besteht ein Anreiz“, so Will. Sprich: Der Betroffene, Bernd K., könnte wieder rückfällig werden.
Viele Bürgerinnen und Bürger hat das Geschehen bestürzt
Der Fall hat Menschen in Heidelberg aufgewühlt, darunter Personen, die in der ein oder anderen Weise davon betroffen sind. Sie wollen ihren Namen nicht nennen, erklären aber, dass sie das Geschehen sehr bestürzt habe. Offensichtlich wusste niemand in der Einrichtung, weder Eltern von Kindern, die dort Kurse belegten, noch Mitarbeitende, dass Bernd K. wegen Sexualstraftaten verurteilt worden war und Auflagen für ihn galten. Es habe geheißen, er sei länger auf Reisen gewesen. Von einem Kontaktverbot mit männlichen Kindern und Jugendlichen sei nie die Rede gewesen. Während der Kurse, von denen im Frühjahr und Sommer 2024 allerdings nur wenige stattgefunden hätten, habe sich Bernd K. vor Ort befunden. Sämtliche Räume der Einrichtung befänden sich auf einer Ebene; es sei also schwierig, sich aus dem Weg zu gehen. Es gäbe auch keine für Mitarbeitende getrennte Sanitäranlagen.
Nach Aussage von Bernd K.‘s Bewährungshelfer, einem Mitarbeiter der Bildungseinrichtung sowie Bernd K. selbst ist zwar vorgesehen, das Institut in Zukunft auf Erwachsenenbildung umzustellen. Aber, so Bernd K.: „Das dauert, bis das geregelt ist.“ Noch gibt es deshalb Programme für Kinder und Jugendliche, allerdings seien das Kurse rein für Mädchen und er werde während der Präsenzphasen vom Homeoffice aus arbeiten. Bei den ebenfalls geplanten Exkursionen, die sich an Jungen wie Mädchen richteten, werde er keinen Kontakt zu den Jugendlichen haben, so Bernd K. weiter.
Trotzdem lässt der Fall Fragen offen. Besonders pikant ist, dass Bernd K. bereits wegen Missbrauchs von Kindern vorbestraft war, als er 2001 die Einrichtung gründete. Nur wenige Jahre zuvor, 1997, war der Mann wegen sexueller Übergriffe als Schwimmlehrer vom Landgericht Heidelberg zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Doch das dürften die Eltern, die ihre Kinder Bernd K. überließen, nicht gewusst haben. Hinzu kam: Bernd K. war erfolgreich mit seinen Lehr- und Lernmethoden. So wird es aus Elternkreisen berichtet. „Lernen wurde als Sport aufgefasst, für die Jungen ist das super“, berichten Elternteile. Bernd K. habe die Kinder zu Höchstleistungen angetrieben. Im Urteil von 2020 heißt es, Bernd K. sei für die Kinder – in dem Fall die drei Jungen, die den Missbrauch später zur Anzeige brachten – zu einer maßgeblichen Bezugsperson geworden. Sie hätten ihn nicht nur als strengen Lehrer, sondern auch als ihren Mentor und großen Förderer angesehen. Dieses Vertrauen habe der Mann ausgenutzt.
Die Stadt Heidelberg ist ohne aufsichtsrechtliche Mittel
Der Stadt Heidelberg sind bei der Aufsicht der Einrichtung die Hände gebunden. Es handele sich um ein rein privatwirtschaftliches Unternehmen und keinen anerkannten Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe oder außerschulischen Jugendbildung. Mit seinen Angeboten unterliege das Institut aber auch nicht der Betriebserlaubnispflicht nach dem Sozialgesetzbuch. „Daher stehen aktuell weder der Stadt, noch dem Sozialministerium, noch dem Kommunalverband für Jugend und Soziales aufsichtsrechtliche Mittel zur Verfügung“, betont eine Sprecherin der Stadt Heidelberg.
Der Bewährungshelfer, der als letzter Zeuge von Richter Will befragt wird, erklärt, dass Bernd K. begriffen habe, was er zu tun und zu lassen habe. Er sagt aber auch: „Er kann sich sehr gut darstellen.“
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