Sie klingen mal humorvoll und frech, dann nachdenklich und melancholisch: Als A-Cappella-Gruppe anders bieten Johannes Berning Adrian Goldner, Moritz Nautscher, Johannes Jäck und Florian Clasen die komplette Bandbreite. Kennengelernt haben sich Berning, Jäck und Nautscher am Elisabeth-von-Thadden-Gymnasium in Heidelberg-Wieblingen. Jäck zeigte seinen Mitschülern, die alle einen musikalischen familiären Hintergrund haben, die Arrangements von den Wise Guys – die die Schüler begeistert nachsangen. „Anders haben wir uns genannt, da wir es damals als „anders“ betrachtet haben, wenn Achtklässler auf dem Schulhof zusammen singen und sich dazu bewegen“, sagt Berning. „Und weil jeder von seiner Art her anders ist und wir ohne die Musik eigentlich gar nicht zueinander gefunden hätten.“
An dem Gesang reizt ihn die Unmittelbarkeit, mit der die Gruppe vors Publikum tritt. „Die Stimme ist ja auch das persönlichste Instrument, das man hat.“ Außerdem könne man den Gesang überall machen, da man dafür keine Instrumente benötige. Schon als Schüler haben sie regelmäßig Auftritte, nach dem Abitur 2012 machen sie ihr Hobby zum Beruf, sind in ganz Deutschland unterwegs und im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums des Elysée-Vertrags touren sie auch durch Frankreich. „Das war eine richtig schöne Zeit.“ Danach trennt sich die Band, weil sie von Heidelberg fürs Studium nach Freiburg wegziehen. Doch bereits ein Jahr später folgt die Reunion.
Aus dem Klassenzimmer auf die Bühne
- Die Heidelberger A-Cappella-Deutschpoeten anders bestehen aus dem Tenor und Hauptsongschreiber Johannes Berning (30), Bassist Florian Clasen (26), Tenor/Bariton und Arrangeur Adrian Goldner (31), Johannes Jäck (30) (Beatboxer und Arrangeur) sowie Moritz Nautscher (31, Bariton/Tenor und Choreograph).
- Berning, Nautscher und Jäck kennen sich von der Schule und gründeten ihre Band im Jahr 2006. Nach dem Abitur 2013 gingen sie auf große Tour, traten aber auch während der Schulzeit auf. Goldner und Clasen stießen dann später zu dem Trio dazu.
- Zur Veröffentlichung ihres vierten Albums „Kurzurlaub“ gibt das Quintett am Samstag, den 17. Juni, 20 Uhr ein Release-Konzert im Mannheimer Capitol. Es gibt noch Tickets.
Lebensbejahend und poppig
Inzwischen haben die fünf jungen Männer ihr viertes Album „Kurzurlaub“ am Start, das am Samstag erscheint. Es enthält elf eigene Songs in deutscher Sprache. Der Name ist Programm. „Auf Tour zu gehen ist manchmal wie ein Kurzurlaub“, sagt der Sänger. „Ob wir in Wilhelmshaven an der Nordsee sind, in Luzern, dem Saarland oder Frankreich: Wir sehen wahnsinnig viele schöne Orte, treffen viele liebe Menschen. Obwohl es viel Arbeit ist, fühlt es sich für uns im Tourbus wie ein Kurzurlaub an“, sagt Berning. „Zum anderen wollen wir den Menschen, die zu unserem Konzert kommen, einen Kurzurlaub ermöglichen. Unsere Musik soll für sie eine Auszeit vom Alltag sein.“
Überhaupt sei die Musik selbst bei den melancholischen Songs sehr lebensbejahend und poppig. „Wir haben in diesem Popgewand sehr nachdenkliche Stücke, einige Uptempo-Nummern und ein paar sehr humorvolle Nummern“, sagt Berning. Bei „Schau mir in die Augen“ geht es um den modernen Umgang mit Smartphones und die Liebe in Zeiten von Internet. Der Song „Welcome to Paradise“ macht auf sehr ironische Weise auf den Klimawandel aufmerksam. „Du faule Sau“ nimmt die persönliche Faulheit auf die Schippe. Bei der Ballade „Nie gesagt“ übernimmt Nautscher die Leadstimme. „Da geht es um die Feststellung, dass man im Leben den Menschen, die einem am meisten bedeuten, das oft am wenigsten sagt“, erklärt Berning. „Das ruhige Stück handelt von einer Freundschaft, die zu Liebe geworden ist, wo man aber Angst hatte, bestimmte Dinge zu riskieren, und sie heruntergeschluckt hat, statt sie auszusprechen.“ Bei der sehr persönlichen Ballade „Du fehlst hier“ geht es um die Beziehung zwischen Eltern und Kindern während die Gruppe bei „Wartesaal“ darüber singt, dass abends in Kneipen „viele Lebensweisheiten über den Tisch gehen und Probleme besprochen werden“.
Der mitreißende Song „Mit deinem Renault“ sei so etwas wie der inoffizielle Titelsong, da der Begriff „Kurzurlaub“ in den Lyrics auftaucht. „Das wird am Wochenende auch die Single zum Release werden.“ Das Lied beruhe auf Tatsachen. Berning fuhr mit einem Freund in dessen altem Renault Rapide über die Grenze auf eine Party nach Frankreich. Die Botschaft sei, dass die besten Sachen im Leben oft unverhofft passieren, so Berning.
Dem Schreiben treu geblieben
Alle fünf studieren oder arbeiten halbtags neben ihrer Karriere. Sonst wäre das zeitlich mit Familie, Partnerinnen und Freunden neben wöchentlichen Proben und Touren nicht möglich, sagt Berning. Ihr Ziel sei jedoch, eines Tages so erfolgreich zu sein, um allein von der Musik leben zu können. Er absolvierte 2013 nach dem Abitur ein Praktikum bei der Kulturredaktion des „Mannheimer Morgen“. Obwohl es ihm viel Spaß machte, entschied er sich gegen den Journalismus und für ein Lehramtsstudium. Inzwischen unterrichtet der 30-Jährige Deutsch und Religion an einem Freiburger Gymnasium, leitet die Schulband.
Dem Schreiben ist Berning treu geblieben, er schreibt den Großteil der Texte und Melodien für das Quintett. Dabei lässt er sich gern vom Alltag inspirieren, bringt Phänomene oder interessante Begebenheiten zu Papier. „Dann überlegt man sich; könnte man daraus einen Song machen?“, sagt er. „Manche Themen sind sehr ergiebig, das unoriginellste ist die Liebe.“ Daher versucht er auf intelligente Weise Situationen, Lebensphasen oder Krisen zu vertexten. Berning macht sich daher immer viele Notizen oder speichert Melodien im Handy. Viele Ideen für ihr aktuelles Album seien vergangenen Sommer bei einer Kreativphase entstanden, bei der sie sich für eine Woche im Elternhaus ihres Bassisten zum Komponieren und Texten zurückgezogen hatten.
Zur Veröffentlichung ihrer neuen CD veranstalten sie ein Releasekonzert – im Capitol. „Das Capitol kennen wir seit Jahren. Es ist einer der schönsten Konzertsäle, die wir kennen. Und sie haben uns auch als Schüler auf die Bühne gelassen“, erklärt der 30-Jährige. „Wir sind mit Mannheim total verbunden und finden die Stadt in bestimmten Aspekten viel reizvoller als Heidelberg.“
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