Heidelberg. Im Streit um die Nutzung des „Faulen Pelz“ schafft das Land gerade Fakten. Seit Jahresbeginn sind Handwerker zugange, um die baulichen Voraussetzungen für einen Maßregelvollzug zu schaffen. Darüber schäumt die Stadt Heidelberg und hat nun angekündigt, die Baumaßnahmen in dem denkmalgeschützten Gebäude zu stoppen.
Formaler Grund für die neuerliche Drohkulisse: Das Land hat nach Darstellung der Stadtverwaltung keinen Bauantrag für die Sanierungsarbeiten gestellt. „Ein entsprechender Antrag liegt bis heute nicht vor“, ließ die Stadtverwaltung wissen. Das sei aber nötig, selbst wenn der „Faule Pelz“ Eigentum des Landes sei. Schließlich stehe das Ensemble aus dem Jahr 1847/48 unter Denkmalschutz, und es gebe keinen Bestandsschutz zur Nutzung des Gebäudes weiterhin als Gefängnis. „Regeln gelten für alle, und das Land kann mit seiner Immobilie nichts machen, was über den allgemein gültigen Rechtsrahmen hinausgeht“, zeigt sich Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck sehr verärgert über das Vorgehen des Landes. Bevor man jedoch das Ende der Bauarbeiten verfüge, erhalte das Sozialministerium zwei Wochen Frist, um sich in der Sache zu äußern. Das Schreiben hatte die Stadt am Montag - mit Postzustellungsurkunde - versandt, wie ein Stadtsprecher sagte. Das Sozialministerium bestätigte den Eingang des Schreibens am Mittwoch.
Neue Plätze in Calw bis 2024
Wie berichtet, will das Land in dem ehemaligen Gefängnis am Rande der Altstadt für eine Übergangszeit suchtkranke Straftäter im soge- nannten Maßregelvollzug unterbringen. Dies allerdings nur so lange, bis Neubauten am Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Calw Platz für weitere Patienten des Maßregelvollzugs bieten. Das ZfP ist das zuständige Krankenhaus für die Landgerichtsbezirke Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe. Die 50 neuen Plätze sollen dort bis 2024 zur Verfügung stehen, wie Matthias Wagner, Chefarzt der Forensischen Klinik in Calw, beim Ortstermin am Donnerstagnachmittag im „Faulen Pelz“ sagte. Auch in Schwäbisch Hall und Wiesloch sollen die Kapazitäten noch weiter ausgebaut werden.
In dem Heidelberger Gefängnis werden, so der Plan des Landes, ab dem dritten Quartal 2022 bis zu 75 suchtkranke Straftäter untergebracht. Spätestens 2025 werde man den Standort in Heidelberg dann wieder freigeben. „Wir werden es der Stadt schriftlich geben, dass wir dann wieder rausgehen“, so Ministeriumssprecherin Claudia Krüger.
Die Menschen, die hier in Heidelberg ihren Maßregelvollzug antreten, sind Suchtkranke, deren Strafregister von Beamtenbeleidigung über Körperverletzung bis zu Tötungsdelikten reicht, beschreibt Wagner die Palette. Zugrunde liege meist Beschaffungskriminalität. Allerdings finde in Heidelberg nur der Anfang der Therapie statt, die zentrales Element des Maßregelvollzugs ist. Hier starteten die erste ärztliche Diagnostik und erste Einzel- oder Gruppentherapien. Freigänge seien in diesem Stadium überhaupt nicht geplant. „Es muss also niemand Angst haben, dass Insassen durch die Altstadt schlendern“, so Wagner. Dass aufgrund der baulichen Situation vielleicht Rauschgifttütchen von außen über die Gefängnismauern fliegen könnten, will der Chefarzt gar nicht ausschließen. Aber die Suchtkranken müssten im Maßregelvollzug ihre Therapiebereitschaft zeigen, dazu gehöre der Verzicht auf Drogen, was mit regelmäßigen Screenings auch kontrolliert werde. Bei Verstößen werde die Therapie abgebrochen.
Keine Ideallösung
Ja, der Faule Pelz sei mit seinem Gebäudekomplex und den Zellen, die nun Patientenzimmer werden sollen, keine Ideallösung. Aber es sei ja nur übergangsweise. Genau daran zweifelt die Stadt, hat doch mit dem Ankunftszentrum in PHV ein anderes Provisorium des Landes bis heute Bestand. Auch das war damals mit einem anderen Zeithorizont versprochen worden. Und dass ein Maßregelvollzug im „Faulen Pelz“ keine Ideallösung ist, darin sind sich Stadt und Land einig.
Nicht einig sind sich die Kontrahenten dagegen in der Frage, ob die aktuellen Baumaßnahmen genehmigungspflichtig sind. „Nein“ sagt Architekt Gerhard Jeggle, der mit seiner Firma das Projekt bis zum Herbst für 11,5 Millionen Euro umsetzen soll. „Das sind keine Arbeiten, die einen Bauantrag erfordern“, sagt er. Hier werde nicht gebaut, sondern instandgesetzt, dass es für die geplante Zwischennutzung ausreiche. Das umfasse die Instandsetzung der Heizung, den Austausch der Toiletten und Waschbecken, die Installation von Sicherheitstechnik und die Sanierung verschiedener Fußböden.
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