Heidelberg. „Dieser Preis soll an die verlorene Zukunft von Marie erinnern – eine Zukunft, die sie sich so sehr gewünscht hat“, sagt Peter Abelmann, der Vorsitzende der Verfassten Studierendenschaft an der Heidelberger Universität. Marie Luise Jung starb am 24. Januar in einem Hörsaal auf dem Uni-Campus im Neuenheimer Feld. Sie wurde erschossen, von einem 18-Jährigen, während eines Tutoriums. Er verletzte drei weitere Studierende, anschließend tötete er sich selbst.
Zunächst auf 20 Jahre angelegt
Die Amoktat hat sich tief in das Bewusstsein der Studierenden an der Ruperto Carola eingebrannt. Kurz nach der Tat äußerten viele den Wunsch nach einer Form des Erinnerns, die bleibt. Die Universität, die Verfasste Studierendenschaft und der Doktorandenkonvent haben nun einen Preis initiiert, um an die 23-jährige Frau zu erinnern: den Marie-Luise-Jung-Preis, der den Namen der Studentin trägt.
In Abstimmung mit ihrer Familie, mit dem Dekan der Fakultät für Biowissenschaften sowie mit den Vertretungen der Studierenden und Doktoranden hat das Rektorat beschlossen, einmal im Jahr für die Studienanfängerinnen und Studienanfänger der Biowissenschaften einen „Tag des Miteinander“ zu organisieren. Im Rahmen einer anschließenden akademischen Feier soll künftig der Marie-Luise-Jung-Preis verliehen werden. Vergeben werden soll er an „eine herausragende Absolventin mit einem Masterexamen, die die Promotion und damit den Verbleib in der Wissenschaft anstrebt“, heißt es in einer Mitteilung der Universität.
„Marie wollte sich in der akademischen Welt eine Zukunft aufbauen“, sagt Studierendenvertreter Abelmann. Diesem Wunsch wolle man mit dem Preis Respekt zollen.
Die Universität hat einen Fonds eingerichtet, der zunächst für zehn Jahre mit insgesamt 15 000 Euro ausgestattet werden soll. Der Studierendenrat und der Doktorandenkonvent haben einen Fonds in gleicher Höhe beschlossen, so dass der mit 1500 Euro ausgestattete Preis jährlich über einen Zeitraum von zunächst 20 Jahren vergeben werden kann. Erstmals soll der Marie-Luise-Jung-Preis Ende April 2023 verliehen werden.
Auch den Rahmen der Preisverleihung haben die Initiatoren ganz bewusst gewählt, „um auch den neuen Studierenden in Erinnerung zu rufen, dass hier etwas passiert ist“, sagt Abelmann. Denn Marie Luise Jung dürfe nicht einfach vergessen werden. „Sie ist kein Bagatellschaden der Geschichte, sie ist wichtig. Sie war eine junge Frau, die alles vor sich hatte und die nicht wiederkehrt – das wiegt schwer.“
Die Universitätsleitung hatte sich über Gespräche an die Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen herangetastet. Über den Dialog mit den El-tern der getöteten Studentin, mit Mitarbeitern und Studierenden. „Das war ein sehr langer und breit angelegter Prozess“, sagt Studierendenvertreter Abelmann. Ein gemeinsamer Weg, den die Beteiligten miteinander gegangen sind. „Als starkes Zeichen unserer universitären Gemeinschaft begrüße ich die Ausrichtung und Finanzierung des Preises im Schulterschluss mit den Studierenden und den Doktorandinnen und Doktoranden der Universität“, erklärt Bernhard Eitel, der Rektor der Universität Heidelberg.
Weitere Pläne
Das Gedenken an alle vom Amoklauf betroffenen Universitätsangehörigen soll laut Mitteilung der Universität im Rahmen des Umbaus und der Sanierung des Hörsaals und des Gebäudes, in dem der Amoklauf stattgefunden hat, eine künstlerische Gestaltung finden.
„Für die Studierenden ist es wichtig, sich auch weiter zu erinnern“, sagt Peter Abelmann. Im neuen Semester sei inzwischen eine größere Normalität eingekehrt. Vor allem über die Erstsemester, die noch nicht an der Universität gewesen seien, als sich die Amoktat ereignete. „Aber wir sollten auch in Zukunft Zeit und Ruhe finden, um über Formen des Gedenkens nachzudenken.“
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