Berlin, Freitag, Punkt 17 Uhr. Bei den Fotografen der Hauptstadtpresse steigt die Nervosität. Kurz darauf wird auch klar, warum. „Meine Damen und Herren“, kündigt der Moderator an: „Der Bundespräsident und Frau Elke Büdenbender!“ Das Staatsoberhaupt und die First Lady treten aus Schloss Bellevue heraus auf dessen Terrasse und winken den 3000 Anwesenden im Park zu. Die erheben sich artig von ihren Plätzen und applaudieren. Unter ihnen sind gleich mehrere aus der Metropolregion. Zwei aus der Pfalz und zwei aus Mannheim begleitet der „MM“.
Jeweils zum Ende der Ferienzeit empfängt der Bundespräsident in seinem Amtssitz Menschen aus ganz Deutschland, die sich besonders für das Gemeinwohl engagieren. Das betrifft ganz unterschiedliche Bereiche, wie auch das Beispiel der Eingeladenen aus der Region zeigt.
Bettina Scholl und Rainer Schunck aus Mannheim, Dominque Ehrmantraut aus Landau und Lena Rieder aus Herxheim – sie alle waren schon vor einem Jahr hier. Doch ihr Besuch verlief damals anders als erhofft: Es regnete wie aus Kannen.
Unsere Gesprächspartnerinnen
Pfarrerin Dominique Ehrmantraut (Landau), engagiert sich in Schulprojekten, Lena Rieder (Herxheim) begeistert Jugendliche für Politik. –tin
Doch es kam noch schlimmer: Eine Sturmwarnung erging. In seiner Begrüßungsrede musste Frank-Walter Steinmeier damals das Fest abbrechen. Für die Besucher, die sich lange darauf gefreut hatten, eine riesige Enttäuschung. Doch dem Präsidenten gelang es, die Lage zu retten: „Alle, die heute hier sind, werden im nächsten Jahr wieder eingeladen“, versprach er. Und Jubel brach aus.
Staatsoberhaupt hält Versprechen
Monate vergehen. „Politiker-Versprechen“, unken manche und rechnen gar nicht mehr mit einer neuerlichen Einladung. Bei anderen steht längst Anderes im Mittelpunkt. „Ich habe im Frühjahr Abi gemacht“, berichtet Lena Rieder: „Ich hatte die Sache mit der Einladung gar nicht mehr so auf dem Schirm.“
Doch dann, im August, liegt die Einladung mit goldfarbenem Bundesadler bei ihnen im Briefkasten. „Es ist ja schon etwas Besonderes, auch nur einmal dabei zu sein“, freut sich Dominique Ehrmantraut: „Aber ein zweites Mal, das ist einzigartig.“
Am Freitag, 15 Uhr, ist es so weit. Vor dem Bellevue warten auch die Pfälzer und Mannheimer in einer langen Schlange auf die Sicherheitsschleuse. Das Schloss betreten sie auf dem roten Teppich vorbei an Wachsoldaten, die das Gewehr präsentieren, durch den Haupteingang – wie Staatsgäste. Ein Offizier macht auf Wunsch Fotos vor dem Portal. Durch das Foyer, in dem sich Staatsgäste ins Goldene Buch eintragen, geht es über die Gartenterrasse in den Park. An beiden Seiten der Treppe haben sich 30 Bedienungen aufgereiht, reichen Sekt und Häppchen. Im Park warten 60 Stände mit feinsten Speisen und Getränken aus Thüringen und Tschechien, diesmal Partnerländer des Festes. Und natürlich für die Gäste alles kostenlos.
Auf die Minute pünktlich erscheint der Bundespräsident. „Für die, die die Sensation bei der Basketball-WM noch nicht gehört haben“, beginnt er seine Rede ganz unpolitisch: „Deutschland gewinnt gegen die USA!“ Nicht nur deshalb sei dieses Fest für ihn „einer der schönsten Momente dieses Jahres“, bekennt er: „Und das soll es auch für Sie sein.“ Doch dann wird er sehr ernst: „Es gibt zu viele, die unsere Demokratie schlechtreden und zu wenige, die sich dafür engagieren“, sagt er unter heftigem Beifall. Der wird gar minutenlang, als das Staatsoberhaupt jene zwei Lehrer begrüßt, die in einer Schule im Spreewald rechtsradikale Aktivitäten aufgedeckt hatten – und sie, von den danach aufkommenden Drohungen zermürbt, verließen.
Danach mischt er sich mit Ehefrau Elke Büdenbender, die übrigens am Freitag die Heidelberger Ebert-Gedenkstätte besucht, unter die Leute. Doch das im Programm angekündigte „Gespräch mit den Gästen“ wird schwierig. Bodyguards und Selfie-Fans bilden einen dichten Kordon um ihn. „Man kommt nicht ran“, seufzt Rainer Schunck. „Für unsere Schule!“ ruft Dominque Ehrmantraut und winkt mit dem Smartphone – das klappt: Der Bundespräsident wendet sich zu ihr.
Lena Rieder findet Ersatz, und zwar guten: Karl Lauterbach steht gerne bereit und ist umlagert. „Er ist einfach Kult“, sagt eine Besucherin. Rainer Schunck spricht mit Roderich Kiesewetter, Verteidigungsexperte der CDU: „Der ist ja derzeit in fast jeder Talkshow.“ Bettina Scholl hat es nicht so mit Prominenten. Sie freut sich eher über den Austausch mit anderen Ehrenamtlichen. Den angenehmen Rahmen bilden die Illumination des Schlosses, Stelzenläufer in barocken Kostümen und Perücken sowie höfische Bläsermusik.
„Ganz toll!“, findet Schunck das alles. „Spannend und interessant“, ergänzt Scholl. „Außergewöhnlich“, bestätigt Dominque Ehrmantraut: „Man spürt den Geist der Dankbarkeit und der Mitmenschlichkeit“, formuliert die Theologin. Da haben die Gäste viel zu erzählen daheim, wo schon jetzt Selfies und andere Fotos per Smartphone eintreffen.
Doch an diesem Montag hat sie der Alltag wieder. Lena Rieder ist in mehreren Theater- und Musical-Ensembles aktiv. „In der neuen Woche finden die letzten Proben statt.“ Im Oktober beginnt sie ihr Studium, Deutsch und Sozialkunde, Ziel Lehramt: „Ich hatte tolle Lehrer, die motiviert und begeistert haben. Diese Erfahrung möchte ich weitergeben.“
„Am Montag ist bei uns Schulbeginn“, sagt Bettina Scholl vom Bach-Gymnasium. Auch Dominque Ehrmantraut muss in Landau in den Unterricht, der schon länger läuft. Und sie hat dort auch schon ein neues Projekt: Anne Frank. Das würde den Bundespräsidenten freuen.
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