Heidelberg. Neue Galaxien entdecken, fremde Planeten erforschen und die Geheimnisse des Alls enthüllen: Das soll das James Webb Space Teleskop (JWST) können, das am 25. Dezember 2021 in die Weiten des Universums gestartet ist. Möglich werden diese Ziele durch Teile, die das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg entwickelt und gebaut hat. Dabei handelt es sich um Filterräder, die sich vor den Kameras befinden. Erst durch die Filter werden die Infrarot-Geräte zu wissenschaftlichen Instrumenten, heißt es vom MPIA.
„Insgesamt können wir 18 optische Elemente in den Strahlengang der Kameras bringen“, erklärt der Leiter der Infrarot-Weltraumastronomie des MPIA, Oliver Krause. Diese Elemente funktionieren ähnlich wie verschiedene Farbfilter, wie sie auch in der Fotografie verwendet werden. „So können wir beispielsweise das Licht eines Sterns ausschalten“, sagt Krause. Dies sei vor allem dann wichtig, wenn Exoplaneten erforscht werden sollen – also Planeten, die nicht unserem Sonnensystem angehören. Sie befinden sich stattdessen neben anderen Sternen. Deren Licht scheint jedoch zu hell, so dass die Planeten ohne die Filter nicht oder nur schlecht sichtbar wären.
Nächstes NASA-Flagschiff
- Der Nachfolger des James Webb Teleskops ist bereits seit mehreren Jahren in Planung. Das neue Teleskop trägt den Namen „Roman Space Telescope.“
- Benannt wurde es nach Nancy Grace Roman, der ersten Chefastronomin der NASA.
- Das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg wurde wegen der erfolgreichen Arbeit am James Webb Space Telescope auch zur Arbeit an diesem Teleskop eingeladen.
- Zurzeit befindet sich das Team um Oliver Krause in der Bauphase der Flugmodelle, mit denen die Funktionalität getestet wird.
Temperatur von minus 266 Grad
Ein weiteres Problem beim Erforschen der Exoplaneten waren die Temperatur von Kameras und Filtern. Eine Infrarot-Kamera nimmt elektromagnetische Wellen auf, die von der Temperatur des Gegenstands, der die Wellen abstrahlt, beeinflusst werden. Die Technik, die hierbei verwendet wird, ist dieselbe wie die einer Wärmebildkamera, die die Polizei einsetzt. Um im All auch die extrem kalten Planeten scharf abbilden zu können, muss das Equipment dieselbe Temperatur wie die Planeten haben. „Die MIRI-Kamera muss eine Temperatur von sieben Kelvin haben. Das sind etwa minus 266 Grad Celsius“, erklärt Krause. Zwar funktioniere die Kamera auch bei höheren Temperaturen, jedoch seien die Bilder dann nicht scharf. „Das ist dann in etwa wie das Rauschen auf den Bildern, die nachts mit dem Handy gemacht werden“, beschreibt der Physiker.
1,5 Millionen Kilometer zur Erde
Durch den riesigen Sonnenschutz am Teleskop kann die Temperatur bereits auf etwa minus 240 Grad Celsius gehalten werden. Bei dieser Temperatur sind die restlichen Gerätschaften des Teleskops, wie etwa die Motoren zum Einstellen der Spiegel, einsatzbereit. Das MIRI wird aber weiter heruntergekühlt. „Der Kühler funktioniert dabei ähnlich wie ein Kühlschrank“, sagt Krause.
Das Teleskop findet seine neue Heimat beim sogenannten Lagrange-Punkt L2 – 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Dort hat das Gerät etwa dieselbe Geschwindigkeit wie die Erde, so dass es sich mit dem blauen Planeten um die Sonne dreht. Zugleich hat die Erde noch genügend Anziehungskraft, dass das JWST nicht wegdriftet.
Der große Vorteil an diesem Punkt: Da sich das Teleskop mit der Erde um die Sonne dreht und nicht im Orbit kreist, zeigt das installierte Sonnensegel stets zur Sonne. Damit können die benötigten Temperaturen des MIRI aufrecht erhalten werden.
Auf der anderen Seite bringt das auch ein Problem mit sich: Aufgrund der Entfernung können keine Reparaturflüge stattfinden, wie sie beim Hubble-Teleskop möglich waren. „Es muss einfach funktionieren“, stellt Krause klar. Um sicherzustellen, dass alles gut funktioniert, wurden deshalb alle Mechaniken mit dem Sicherheitsfaktor zwei mehrfach getestet. Das bedeutet, dass alle Komponenten das Doppelte an Kräften aushalten wie benötigt.
So wurde sichergestellt, dass beispielsweise beim Start der Rakete nichts durch die Kräfte der Beschleunigung zu Bruch geht. Zudem funktioniere das JWST auch, wenn einzelne Teile ausfallen. „Einiges wurde redundant gebaut, so dass das Teleskop auch ohne diese Elemente funktioniert“, erklärt Krause.
Den technischen Teil des Projekts hat das Heidelberger Team bereits 2009 abgeschlossen. 2012 hat es die Komponenten an die NASA überreicht – nachdem die Funktionalität getestet wurde. „Trotzdem haben wir an dem Projekt weitergearbeitet“, sagt Krause. Seit über zehn Jahren arbeite man an den Programmen zur Steuerung des JWST und daran, was erforscht werden soll.
Bisher keine Komplikationen
Bisher hat alles bis zum Ausklappen der Spiegel einwandfrei funktioniert. Bis zum Forschungsbeginn und zu den ersten Ergebnissen kann es jedoch noch dauern. Ende Januar soll das JWST am Lagrange-Punkt ankommen – bis dahin soll das Teleskop aufgeklappt und eingestellt werden. „Die Spiegel müssen auf den Nanometer genau in Stellung gebracht werden“, sagt Krause. Am Ende müssen die Reflektoren so genau aneinanderpassen, damit es aussieht wie ein einziger perfekt gegossener Spiegel. Ansonsten funktioniert das Teleskop nicht.
Etwa Ende Juni könne dann mit den ersten Bildern vom JWST gerechnet werden. „Wir können auf Spektakuläres gespannt sein“, ist Krause begeistert. Er rechnet damit, dass neben den Dingen, die erforscht werden sollen, auch völlig unbekannte Phänomene entdeckt werden. Doch die Zeit für Entdeckungen ist begrenzt. „Wenn alles gut geht, reicht der Treibstoff für 20 Jahre“, berichtet Krause. Geplant war, dass der Treibstoff für zehn Jahre reicht. Da der Raketenstart jedoch reibungslos verlief, konnte bereits Kraftstoff eingespart werden. Mehr Informationen zum JWST und den aktuellen Stand finden Interessierte online unter webb.nasa.gov.
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