Porträt - Elke Eggers arbeitet seit fast 30 Jahren als Hausmeisterin auf dem Emmertsgrund und liebt ihren Beruf

Hinter jedem Balkon steckt eine Geschichte

Von 
Simone Jakob
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Elke Eggers sorgt für eine gute Nachbarschaft auf dem Emmertsgrund.

© Rothe

"Ich hatte gerade eine Wohnungsabnahme, da ziehen Mieter aus, die ich seit 20 Jahren kenne", sagt Hausmeisterin Elke Eggers und ihr Blick schweift über die Hochhäuser am Jellinekplatz auf dem Emmertsgrund. Seit fast 30 Jahren arbeitet die energiegeladene Frau aus Norddeutschland in Heidelberg als Hausmeisterin: "Ich mache das unheimlich gerne und mag den engen Kontakt zu den Menschen", erzählt sie. Mit dem, was sie bislang erlebt hat, könnte man problemlos einen Roman füllen: Von Polizeieinsätzen, Wasserschäden, feststeckenden Aufzügen und geplanten Entführungen bis hin zu überforderten Familien und herzlicher Nachbarschaftshilfe reichen ihre Erfahrungen. "Nachdem meine erste Tochter 1983 auf die Welt gekommen ist, habe ich einen Job gesucht, der sich mit Kind stemmen lässt", denkt sie zurück. "Mit der Kleinen auf dem Rad war ich damals als selbstständige Hausmeisterin unterwegs. Eigentlich wollte ich das nur zehn Jahre machen, aber irgendwie sind die Mieter, Handwerker und ich hier oben zusammen alt geworden. Ich kenne jeden Stein, jedes Gesicht und so viele Geschichten, dass ich jetzt auch nicht mehr aufhören möchte."

Wasserschaden an Weihnachten

Einmal habe es kurz vor Weihnachten in einer Wohnung einen Wasserschaden gegeben: "Die Tapete hing von der Wand, der Boden musste raus und mitten in dem Chaos saß eine junge Frau mit zwei kleinen Mädchen und einem Baby auf dem Sofa und wirkte völlig teilnahmslos", denkt sie an eine Episode zurück.

"Ich habe dem Vater Hilfe angeboten, die er empört abgelehnt hat." Doch einen Tag später sei er zu ihr gekommen und habe berichtet, dass seine Frau psychische Probleme hat. "Die beiden Mädchen habe ich, solange die Wohnung hergerichtet wurde, mit zu mir nach Hause genommen, sie gebadet und ihnen ihr Lieblingsessen gekocht. Dank der Hilfe des Sozialen Dienstes hat sich die Familie wieder gefangen und die beiden Mädchen - heute 23 und 25 Jahre alt - grüßen mich immer noch, wenn sie mich treffen."

"Egal, um was es geht, als Hausmeister braucht man ein unheimlich gutes Einfühlungsvermögen und muss mit jeder Klientel umgehen können", sagt Eggers. "Die Leute kommen ja meistens dann zu mir, wenn sie etwas haben möchten oder sich beschweren wollen. Ich bleibe immer ruhig und versuche, die Mieter erst mal runterzuholen, damit wir über das Problem reden und eine sinnvolle Lösung finden können", erzählt sie gerade, als eine in Tränen aufgelöste alte Dame an die Tür ihres Büros klopft: "Ich habe meinen Schlüssel vergessen, machen Sie mir auf?", schluchzt sie verzweifelt. "Wir dürfen keine Schlüssel zu bewohnten Apartments aufbewahren", erklärt Eggers, die - mittlerweile als Angestellte - für die GWH 600 Wohnungen auf dem Emmertsgrund betreut. "Es gibt auch keinen Generalschlüssel, der überall passt, wie man es immer in den Krimis sieht, wenn der Hausmeister der Polizei eine Tür aufschließt", sagt sie schmunzelnd. Stattdessen ruft sie einen Schlüsseldienst, der die alte Dame aus ihrer misslichen Lage befreit.

Polizeieinsatz im Morgengrauen

Dann erinnert sie sich an einen Mann, der bedroht wurde und die Polizei alarmierte, als sein Peiniger auf der Notleiter an der Außenfassade zu seinem Balkon hochkletterte: "Als ein Streifenwagenteam ihn aufforderte, herunterzukommen, hat er das auch getan. Doch kaum war er unten, hat er die beiden Polizisten im Nacken gepackt und sie wie im Film mit den Köpfen zusammengeschlagen. Dann fing er an, auf den am Boden liegenden Beamten einzutreten und der zweite Polizist schoss dem Angreifer ins Bein, der humpelnd in den Wald flüchtete", berichtet sie. Schließlich seien neun Polizisten notwendig gewesen, um den Täter zu überwältigen. "Das Gelände war stundenlang abgeriegelt, niemand durfte rein oder raus, da war Notfallmanagement gefragt."

Mal wurde Eggers frühmorgens vom Leiter eines Sondereinsatzkommandos gebeten, die Schranke zum Jellinekplatz 9 zu öffnen und ihm alle Ein- und Ausgänge zu zeigen. "Die Polizei hat einen Helfershelfer des Kalifen von Köln in einer Wohnung vermutet." Tatsächlich sei der Komplize des islamischen Fundamentalisten auf dem Emmertsgrund gefasst worden. "Aber ganz unspektakulär, die Beamten haben geklingelt, er hat aufgemacht und ist mitgegangen." Außer solchen Abenteuern gebe es auch viele schöne Geschichten zu erzählen: "Einmal stand eine Frau mit drei kleinen Kindern in meinem Büro, weil ihr Mann alle Pässe an sich genommen hatte und sich mit den Kindern ins Ausland absetzen wollte. Da habe ich den Eigentümer einer leerstehenden Wohnung angerufen und gefragt, ob ich die Vier dort kurz unterbringen kann. Derweil haben die Nachbarn Kleidung, Lebensmittel und Haushaltsgegenstände organisiert, um die Familie zu unterstützen. Das ist jetzt 25 Jahre her und ich bekomme immer noch an Weihnachten eine Karte von ihr", sagt sie und lächelt.

Emmertsgrund

  • Auf dem Emmertsgrund leben 6500 Menschen aus mehr als 100 verschiedenen Herkunftsländern.
  • Anfang der 70er Jahre wurden mit Unterstützung des Bundes Hochhäuser gebaut, die preiswerten Wohnraum für Familien schaffen sollten. Damals galt der Emmertsgrund als Vorzeigestadtteil.
  • Seit 1990 arbeitet die Stadt an der Verbesserung der Wohnumfeldqualität, seit 2004 gibt es soziale Infrastrukturprojekte und seit 2010 ein eigenes Stadtteilmanagement.

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