Heidelberg. Das klare Quellwasser gluckert stetig vor sich hin, während Kart Hürriyet den nächsten Kanister am Brunnen nachschiebt. Es ist hochsommerlich heiß an diesem Nachmittag Mitte August. Doch die Quelle direkt neben der vielbefahrenen L 534 zwischen dem Heidelberger Stadtteil Ziegelhausen und Kleingemünd liegt schattig und kühl an den Hängen des Neckartals. Hürriyet ist mit seinen Begleitern extra aus Ludwigshafen gekommen, um sich mit frischem Quellwasser zu versorgen. 25 Kanister hat er in seinem Auto, jeder fasst 10 Liter. "Das reicht für etwa drei Monate, dann kommen wir wieder", erklärt der 40-Jährige lachend. Schon als kleines Kind ist er mit seinem Vater regelmäßig in den idyllischen Winkel des vorderen Neckartals gefahren. "Das Wasser hier ist das beste!" verkündet er. "Besser als Leitungswasser, besser als Wasser aus dem Supermarkt - und vor allem besser als an allen anderen Quellen in der Region." Ausprobiert haben die Hürriyets schon viele Wasserstellen, an der Bergstraße, aber auch rund um Landau, Bad Dürkheim und Neustadt. Doch an das Wasser aus Heidelberg kommt nach ihrer Überzeugung keine andere Quelle heran.
Die Hürriyets sind an diesem drückend-heißen Mittwoch nicht die einzigen, die sich an dem kleinen Brunnen mit Trinkwasser versorgen. Der schmale Parkplatz direkt an der Straße ist zugeparkt mit Autos. Ganze Großfamilien haben sich hier zum Ausflug versammelt, Deutsch ist nur sporadisch zu hören. Kleine Kinder spielen im Schatten, während die Erwachsenen zum Wasserholen anstehen. "Das dauert schon mal ein oder zwei Stunden", sagt eine junge, etwas schüchterne Frau aus Ettlingen, die ihren Namen nicht verraten möchte. Eine Stunde Anfahrt und dann noch einmal fast doppelt so lange anstehen, anstatt das Wasser einfach aus dem heimischen Hahn zu trinken - diesen Aufwand findet keiner der Anwesenden unverständlich. "Das Wasser aus der Leitung ist doch voller Kalk. Und man weiß auch gar nicht, was da so an Schadstoffen drinnen ist. Das Wasser hier kommt stattdessen direkt aus dem Berg und kann wohl kaum schlecht sein", sagt die Frau aus der Nähe von Karlsruhe.
Das sieht Silke Hartmann anders. Die Sprecherin des Landratsamtes Rhein-Neckar verweist auf die offizielle Haltung des Gesundheitsamtes: "Das Trinken von Wasser aus frei zugänglichen Quellen in der Region ist nicht empfehlenswert." Das Argument der Behörden ist einfach: Diese Quellen werden nicht überprüft, deshalb kann das Gesundheitsamt keine Aussagen über die chemische und mikrobiologische Qualität des Quellwassers treffen. Es gilt somit offiziell nicht als Trinkwasser. Es gebe lediglich Untersuchungen von privaten Instituten, die bisweilen an einzelnen Quellen bedenkliche Aluminium-Werte festgestellt hätten. Ob das aber auch für andere Wasserstellen in der Region zutreffe, könne man schlicht nicht sagen. Außerdem sind die Quellen für Menschen und Tiere jederzeit zugänglich und können theoretisch verschmutzt werden. Im Gegensatz dazu wird das offizielle Trinkwasser laut Hartmann nur aus abgeschirmten Quellen gewonnen und regelmäßig streng überprüft.
Derlei Argumente scheinen bei den Quellwasser-Anhängern nicht zu zünden. "Wir trinken das schon seit Jahren und uns ist nie etwas passiert" - so wie es die Frau aus Ettlingen sieht, argumentieren an diesem Nachmittag alle Nutzer der Heidelberger Quelle. Auf der Facebook-Seite des "MM" entspinnt sich einige Tage später gar eine wilde Diskussion zu dem Thema. Tenor der meisten Kommentare: Mir ist noch nie was passiert und das Leitungswasser könnte hingegen auch belastet sein, egal was die Behörden sagen. Manch einer vermutet gar Getränke-Konzerne hinter einem kritischen Beitrag zum Thema Quellwasser.
Auch Jürgen Schmude ist von der Unbedenklichkeit des offen zugänglichen Wassers überzeugt. Der 63-Jährige kommt eigentlich aus Wesel und ist nur zu Besuch in Heidelberg. Doch beim Vorbeifahren sind ihm die vielen Leute vor dem Brunnen aufgefallen. "Das ist doch richtig schön hier, so wie früher der Brunnen auf dem Marktplatz." Schmude hat nur einen einzelnen Fünf-Liter-Kanister dabei, die anderen "Großabfüller" lassen ihn zwischendurch schnell vor. "Der Geschmack ist doch auch ein ganz anderer, als bei dem Wasser aus dem Supermarkt. Das merkt man vor allem beim Teekochen. Und dann ist es auch noch kostenlos."
Abkühlung für Sportler
Einige hundert Meter weiter in Richtung Ziegelhausen, direkt am Stauwehr auf Höhe der Orthopädie, gibt es einen weiteren, kleineren Brunnen an der Landesstraße. Hübsch in ein Becken aus Buntsandstein eingefasst läuft auch hier das Wasser aus dem Berg ab. Doch weil der Wasserstrahl deutlich geringer ausfällt, halten nur wenige Durstige an dieser Stelle. Heiko Schneider aus Walldorf ist das ganz recht. Der drahtige Sportler ist mit seinem Rennrad auf Tour im Neckartal. Bei Hirschhorn ist er "ein paar Mal" den Berg rauf und runter gefahren und jetzt bei 35 Grad im Schatten auf seinem Heimweg. Für ihn sind die kleinen Quellen in der Region vor allem im Sommer eine willkommene Abkühlung. "Man kann sich das Gesicht abwaschen und seine Trinkflasche auffüllen." Höchstens zweimal die Woche nutzt er die natürliche Erfrischung und sieht deshalb auch keine Gesundheitsgefahr für sich.
"Ich weiß, dass diese Quellen nicht die Qualität des normalen Leitungswassers haben", sagt er und zeigt auf das am Brunnen angebrachte Messingschild mit der Aufschrift "Kein Trinkwasser". "Aber ich nutze die Brunnen auch nicht zu meiner normalen Versorgung. Dafür ist mir das Wasser dann doch zu unsicher und potentiell verkeimt." Bevor er sich wieder auf sein Rennrad schwingt, fügt er noch einen Insider-Tipp hinzu: "Ein Stück weiter, bei den Mönchen vom Stift Neuburg, gibt es Wasser aus einer kontrollierten Quelle. Aber das kostet dafür auch ein paar Cent den Liter."
Für Kart Hürriyet und seine Familie wird das keine Alternative sein. Sie kommen eben schon seit Jahrzehnten aus Ludwigshafen an diese eine, für sie ganz besondere Quelle im Neckartal. Und werden sich davon wohl nicht abbringen lassen, so gut, wie ihnen das Wasser hier schmeckt.
Wasserquellen in der Region
- Frei zugängliche Wasserquellen und Brunnen gibt es in der Region überall. Besonders beliebt sind die im Artikel erwähnten Stellen zwischen Heidelberg-Ziegelhausen und Kleingemünd. Auch die "Hesselbrunner Fichte" zwischen Schriesheim und Wilhelmsfeld wird stark frequentiert.
- Wasser an frei zugänglichen Quellen abzufüllen und zu trinken ist grundsätzlich nicht verboten. Die Behörden warnen jedoch vor dem Verzehr. Eine Kontrolle der Wasserqualität findet grundsätzlich nicht statt. Bei längerer Lagerung besteht außerdem die Gefahr von Verkeimung.
- Im Kloster Stift Neuburg in Ziegelhausen gibt es eine kostenpflichtige Quelle, die regelmäßig auf ihre Wasserqualität untersucht wird. Man kann sich das Wasser an vier Automaten für 10 Cent pro Liter selbst abfüllen. (beju)
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