Am Anatomiegarten tummeln sich die Bienen und Schmetterlinge. An Stockrose, Sonnenblume und Löwenmäulchen herrscht reger Flugbetrieb. Das war nicht immer so. "Bienen mögen keine gefüllten Rosen", sagt Stadtgärtner Uwe Jansen. Bis in die 90-er Jahre hinein hatten die Insekten somit schlechte Karten, denn bis in diese Zeit lagen Rosen im Trend und wuchsen zahlreich in Heidelbergs Anlagen. Jetzt setzt die Stadt mehr und mehr auf "natürliche" Blumenbeete mit dem, was in den 90-ern noch ausschließlich in Omas Garten blühte: Unter anderem werden Sonnenhut und Mädchenauge gepflanzt, Kornblumen und Margeriten.
Dazu säen Jansen und seine Kollegen bunte Blumenwiesen aus. Sie werden vor allem dem auffallen, der mit dem Auto durch Heidelberg fährt. Oft sind es nur schmale Streifen zwischen den Fahrbahnen, aber sie sind nicht zu übersehen - im Gegensatz zu dem, was früher hier wuchs: Rasen oder dunkelgrüne Büsche, die sich am Boden duckten. "Das Konzept kommt gut an", sagt Jansen, und wie zum Beweis tritt eine Gruppe japanischer Touristen an die Beete und schießt Fotos.
Pflegeaufwand reduziert
Seit einigen Jahren verfolgt die Stadt zwei Ziele: Zum einen will sie den Pflegeaufwand reduzieren, um das vorhandene Budget von 2,20 Euro pro Quadratmeter Grünfläche jährlich nicht erhöhen zu müssen. "Hätten wir weitergemacht wie bisher, wäre mittlerweile ein dreifacher Betrag nötig, um all die Anlagen zu pflegen, die durch die Neubaugebiete hinzugekommen sind", sagt Wolfgang Morr, Leiter des Regiebetriebs Gartenbau. "So eine Wiese mähen wir zweimal im Jahr, die Rosenbeete zu pflegen war viel aufwendiger."
Zum anderen setzt Heidelberg verstärkt auf biologisches Gärtnern und eine naturnahere Bepflanzung. Überhaupt, da ist sich Morrs Kollege Jansen sicher, gehe der urbane Trend mehr und mehr weg von Edelpflanzen und hin zu Selbstversogerbeeten - vor allem in der Stadt. Das ist es, was er auf Gärtnertagungen hört: "Dadurch, dass sich die Ballungsgebiete weiter ausbreiten und die Felder in immer größere Entfernung rücken, werden die Bürger anfangen, ihr eigenes Gemüse anzubauen."
Kostenlos Vitamine
Wie es geht, macht die Stadt zum Beispiel vor dem Salem-Krankenhaus vor. Seit rund drei Jahren baut sie hier Tomaten, Paprika und in diesem Jahr sogar Süßkartoffeln an. Die Bürger sind dazu eingeladen, zu ernten. Kostenlos und aus biologischem Anbau bekommen sie hier ihr Grünzeug, Dünger und Pestizide setzen die Stadtgärtner seit drei Jahren nicht mehr ein. "Wir besinnen uns wieder mehr und mehr auf alte gärtnerische Tugenden", sagt Morr. "So wissen wir zum Beispiel, dass Tagetes Schädlinge abhält und setzen sie gezielt zwischen andere Pflanzen." Natürlich klappt nicht alles auf Anhieb, Experimentieren ist gefragt: "Ich habe endlich herausbekommen, wie ich den perfekten Boden für eine Blumenwiese anlege", erzählt Jansen und freut sich. Der Stolz ist ihm sichtlich anzumerken. Aus Piniennadeln habe er einen Mulch aufbereitet. "Den werde ich im nächsten Jahr auf allen Beeten aufbringen." Aber jetzt steht erst einmal die Ernte der Süßkartoffeln an.
Blumenwiese am Straßenrand
Viele der Blumen, die Heidelbergs Gärtner in die Beete pflanzen, werden in stadteigenen Glashäusern gezogen.
200 000 Euro hat die Stadt alleine in den Jahren 2015 und 2016 in die Gärtnerei investiert - hauptsächlich in die Gewächshäuser.
Bis 2017 will Heidelberg den gesamten Betrieb auf biologische Produktion umgestellt haben.
Unter anderem verzichten die 63 Mitarbeiter des Bereichs Gartenbau auf chemische Dünger und Pestizide. Der Erde setzen sie etwa Schafwolle aus Spechbach zu, die den Boden lockert und ein guter Langzeitdünger ist.
Auch so genannter Gründünger spielt eine Rolle: Brachliegende Beete werden mit Senf oder Phacelia besät. Später pflügen die Gärtner die Pflanzen unter, der Boden wird mit wichtigen Nährstoffen angereichert.
Zudem sind beide Pflanzen wichtige Nahrungsquelle für Bienen und andere Insekten.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-gemuese-statt-edelrose-_arid,909760.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html