Justiz

Frankenthal: Zwei geplatzte Prozesse um brutale Taten vor zehn Jahren

Ein Mann soll eine Frau in Frankenthal brutal vergewaltigt, bedroht und verletzt haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm insgesamt 14 Taten vor. Nach zwei geplatzten Prozessen steht er jetzt wieder vor Gericht

Von 
Agnes Polewka
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Ein heute 42-Jähriger muss sich wegen insgesamt 14 Taten vor Gericht verantworten, die rund zehn Jahre zurückliegen. © Bernhard Zinke

Frankenthal. Im Spätsommer 2014 beginnt die gemeinsame Geschichte eines Mannes, der heute im Rhein-Pfalz-Kreis lebt, und einer Frau aus Frankenthal. Sie endet wenige Monate später mit Ermittlungen gegen den Mann. Und die Frau, die landet im Zeugenschutzprogramm der Polizei. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann unter anderem gefährliche Körperverletzung, Zuhälterei und Vergewaltigung - insgesamt 14 Taten - vor.

Schon zu Beginn deutet sich an: Das ist kein einfaches Verfahren

In den vergangenen Jahren beginnt zwei Mal vor dem Landgericht in Frankenthal ein Prozess gegen den Mann, doch beide Verfahren platzen. Einmal, weil ein aussagepsychologisches Gutachten in Auftrag gegeben wird - es geht um die Glaubwürdigkeit der Frau. Und beim zweiten Mal scheitert das Verfahren an der Vernehmungsfähigkeit der Frau, die laut dem Vorsitzenden Richter Karsten Sauermilch über Tage im Zeugenstand befragt wird, unter Tränen und zahllosen Unterbrechungen. Und die irgendwann nicht mehr über das sprechen kann, was ihr widerfahren sein soll.

Am Montag ist die dritte Auflage des Prozesses gestartet. Und bereits zu Beginn des neuen Verfahrens zeigt sich: Auch dieser Prozess könnte nicht ganz einfach werden.

Staatsanwältin Eveline Teutsch rekonstruiert in der Anklageverlesung zunächst die Monate, die zwischen dem Anfang und dem Ende der Beziehung des Paares liegen. Sie beginnt mit dem ersten Schlag ins Gesicht der Frau, der sie im September 2014 aus Eifersucht getroffen haben soll. Dann zählt sie weitere auf, spricht zum Beispiel über einen Aschenbecher, den der Mann der Frau gegen den Kopf geschlagen haben soll. Ihre blutende Wunde musste laut Anklage in einem Krankenhaus genäht werden. Anfang 2015 dann wieder ein Streit, wieder ein Schlag, so die Staatsanwältin. Und: Der Mann soll die Frau an den Haaren gerissen und gewürgt haben. Anschließend soll er sie vergewaltigt und dabei abermals gewürgt haben. Einmal soll er sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben, während die Kinder der Frau sich in der Wohnung befunden haben sollen. Und er soll sie während anderer Streitereien getreten haben, mal in den Bauch, mal gegen das Knie.

Staatsanwältin Teutsch beschreibt während der Anklageverlesung eine Beziehung, in der es immer wieder zu Gewalt kommt, in der die Gewalt immer mehr Raum einnimmt. Auch die sexuelle Gewalt: Im April 2015 sei der Mann mit der Frau auf den Parkplatz einer Kläranlage gefahren, so die Staatsanwältin. Auf dem Weg dorthin habe er ihr gedroht, sie umzubringen und in den Rhein zu werfen. Dann habe er sie auf dem Parkplatz brutal vergewaltigt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war die Frau stark von ihrem damaligen Partner abhängig. Der heute 42-Jährige, der damals als Türsteher in einem Bordell arbeitete, soll ihr bereits am Anfang der Beziehung die Räumlichkeiten gezeigt und ihre eine Tätigkeit dort nahegelegt haben. So kam es laut Anklage, dass die Frau „freiwillig, auf seinen Wunsch hin“ immer dienstags und donnerstags, manchmal auch freitags, anschaffen ging. Die Hälfte ihres täglichen Verdienstes - zwischen 200 und 250 Euro - soll ihr damaliger Partner einbehalten haben. Ab November behielt er laut Staatsanwaltschaft fast ihr komplettes Gehalt ein, die Frau soll lediglich 50 Euro davon erhalten haben.

Staatsanwaltschaft wirft dem Mann auch Zuhälterei vor

Wenig später begann sie auch in einem Laufhaus zu arbeiten - anders als im Bordell gibt es hier keinen Zuhälter, stattdessen mieten Prostituierte dort ein Zimmer. Und dann bot er die Dienste der Frau laut Anklage auch im Internet an, fuhr sie zu Freiern, wartete im Auto auf die Frau und kassierte nach Angaben der Staatsanwaltschaft wiederum den Großteil der Einnahmen der Frau.

Regungslos sitzt der 42-Jährige auf der Anklagebank, nach Bekanntwerden der Vorwürfe musste er zunächst acht Monate in Untersuchungshaft. Sein Haar ist kurz geschoren, sein Gesicht gebräunt, seine Arme sind mit Tattoos überzogen. Während der Mann in einem der früheren Verfahren einen Teil Körperverletzungsdelikte einräumte, schweigt er am Montag zu den Vorwürfen. Auch zu seiner Person mache er zunächst keine Angaben, sagt die Verteidigerin des Mannes, Rechtsanwältin Inga Berg aus Mannheim. Dann soll auch im dritten Verfahren die Frau gehört werden, die diese brutalen Verbrechen erlitten haben soll. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft befindet sie sich inzwischen nicht mehr im Zeugenschutzprogramm, lebt aber weiterhin nicht in der Rhein-Neckar-Region. Ihr Nebenklage-Vertreter, Rechtsanwalt Werner Säftel aus Frankenthal, berichtet von einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und einem Telefonat vergangene Woche. Und so breitet sich Skepsis im Gerichtssaal aus, ob die wichtigste Zeugin am Montag überhaupt erscheinen wird. Tatsächlich kommt sie nicht. Die Strafprozessordnung sehe einige Maßnahmen - bis zur Beugehaft - vor, mit denen man Zeugen zwingen könnte, im Gericht zu erscheinen, sagt der Vorsitzende Richter Karsten Sauermilch. Er weigere sich aber, diese bei einem Vergewaltigungsopfer anzuwenden, so der Richter, der sich mit den Prozessbeteiligten zurückzieht, um zu besprechen, wie es in der kommenden Woche weitergehen könnte, wenn der Prozess fortgesetzt wird.

Redaktion

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