Heidelberg. Zwei Konzerte sind längst ausverkauft: Für die Auftritte von Comedian Helge Schneider und der Legende Pat Metheny gibt es keine Karten mehr. Doch die Zahl der allesamt bedeutsamen Konzerte zwischen dem 2. Oktober und dem 2. November ist hoch, auch die Auswahl der Aufführungsorte ist für das Publikum nahezu unerschöpflich. Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen arbeiten seit Jahren in der Vorbereitung und Durchführung des auch überregional viel beachteten Ereignisses eng zusammen. Die ganze Metropolregion soll schließlich vom Jazz-Fieber erfasst werden. Mit dem aktuell für 2024 entwickelten Leitmotiv und Motto „Healing“ (Heilung) sollen in dieser Zeit der weltweiten Konflikte und Krisen positive Zeichen gesetzt werden.
Das Ziel sei es, durch Musik dem Publikum die Möglichkeit zur Resilienz, zur Widerstandsfähigkeit, mitzugeben. „Städte, die Kultur fördern, sind stärker als andere Städte“, ist sich Festivalleiter Rainer Kern auf der Pressekonferenz in Heidelberg sicher. Diese Einsicht sei kein exklusiver Gedanke, sondern beruhe inzwischen auf wissenschaftlicher Basis, versichert der international bestens vernetzte Enjoy-Jazz-Gründer, der in der Harvard University mit im Lenkungsausschuss sitzt.
Die ohnehin multinationale Atmosphäre in der Metropolregion wird mit den vielen internationalen Künstlern weiter bereichert. Der neue „Artist in Residence“ ist der südafrikanische Pianist Ndudozu Makathani, der in seiner Heimat selbst eine Ausbildung als Heiler durchlaufen hat und Musik als spirituelles Mittel betrachtet, um traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Makathani bestreitet zusammen mit dem amerikanischen Jazz-Pianisten Vijay Iyer am 2. Oktober im BASF-Feierabendhaus das Eröffnungskonzert des Festivals.
Broecking-Preis für Flötistin und Komponistin Nicole Mitchell
Ebenfalls besondere Aufmerksamkeit hat ein weiteres Konzert des südafrikanischen Pianisten verdient. Am 6. Oktober im Karlstorbahnhof Heidelberg gestaltet Ndudozu Makathani in Kooperation mit dem New Yorker Konzerthaus Carnegie Hall ein „Well-Being Concert“: ein Format, das das New Yorker Konzerthaus für besonders beanspruchte Gruppen wie etwa Krankenhauspersonal ins Leben gerufen hat.
Verkünden durfte Rainer Kern bei der offiziellen Vorstellung des Enjoy-Jazz-Programms auch die diesjährige Trägerin des Broecking-Preises. Die international besetzte Jury hat sich für die Flötistin, Komponistin und Hochschullehrerin Nicole Mitchell entschieden, die sich besonders um die Entwicklung der Jazzausbildung verdient gemacht hat – ein Grundkriterium des in Zusammenarbeit mit der Manfred Lautenschlager Stiftung seit 2023 ausgelobten Preises. Mitchell wird am 8. Oktober mit dem Artifacts Trio in der Alten Feuerwache auftreten. Rainer Kern freut sich dann auch auf die Präsenz eines besonderen Posaunisten in Mannheim: „Kein Geringerer als George Lewis wird dort den Preis an die Künstlerin übergeben.“
Weitere Höhepunkte des diesjährigen Festivals sind die Konzerte des amerikanische Starpianisten Brad Mehldau, der zuletzt im ersten Pandemiejahr bei Enjoy Jazz gastierte und nun mit seinem Trio am 15. Oktober im Ludwigshafener Pfalzbau zu hören sein wird. Oder der schon zur lieben Gewohnheit gewordene Carte-Blanche-Abend des Schlagzeugers Erwin Ditzner: Der Lokalmatador bringt am 16. Oktober als Duo-Partner den New Yorker Multiinstrumentalist Elliot Sharp mit in die Alte Feuerwache.
Den besonderen Reiz des seit Jahren boomenden Jazzfestivals machen auch die Konzerte in den Grenzbereichen des reinen Jazz aus. Obwohl Helge Schneider eher als Comedian bekannt ist, ist ihm doch auch eine große Hinwendung zu Improvisation und der in den USA entwickelten Musikrichtung zu Eigen. Sein Auftritt im Karlstorbahnhof steht unter dem Titel „Music Was My First Love“ und verspricht kein großer Kracher, sondern eher ein intimes, feines Konzert zu werden. „Wir hätten auch eine größere Location wählen können, haben uns aber bewusst für das kleinere Format entschieden“, so Rainer Kern.
Wirkungsvoll gerade im Sinne des Leitthemas zu werden verspricht auch die Nacht vom 12. auf den 13. Oktober, wenn der israelisch-französische Komponist Emmanuel Witzthum im Mannheimer Eintanzhaus seine Sounds mit anderen Kunstformen verzahnt. Für rund zwölf Stunden wird in der ehemaligen Trinitatiskirche des Architekten Helmut Striffler ein Rückzugsort geschaffen, in dem unterschiedliche Bewusstseins- und Empfindungsebenen eröffnet werden. Die Gäste sollen sich nicht nur frei für die Klänge und das Miteinander öffnen können. Die „Schönheit der eigenen Gedanken“ (Witzthum) werde mit diesem neuen Format erfahrbar.
Ohnehin erringt Enjoy Jazz seine besondere persönliche Note durch die Wahl unterschiedlicher Aufführungsmodi und -orte. Seien es die sonntäglichen „Listening Bars“ im Mannheimer SYTE-Hotel oder die „ClubNights“ in Heidelberg und die zwei Filmabende in der zweiten Hälfte des Festivals. Die Mannheimer Christuskirche darf das Abschlusskonzert am 2. November beherbergen – mit einem hochklassigen Leckerbissen, dem Quartett des israelischen Trompeters Avishai Cohen, das mit einem besonderen lyrischen-meditativen Stil aufwartet, gut geeignet für den im Jugendstil gehaltenen Kirchenraum.
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