Bei einer Fortbildung habe er einmal ein Schaubild gemalt, erzählt Michael Bös. In der Mitte: der Schlossverwalter. Um ihn herum: „ganz viele Interessen“. Das Bauunternehmen etwa, das rasch seine Arbeiten abschließen will, der Würstchenverkäufer, der sich um seinen Umsatz sorgt, und die Hunderttausende Besucher, die das Schloss erleben wollen. „Jeder zieht an dir“, sagt Bös, der 14 Jahre zwischen all diesen Interessen vermittelt hat. Nun geht er zum Jahresende in den Ruhestand.
Für die Stelle als Schlossverwalter gebe es „kein Handbuch“, sagt Patricia Alberth, Co-Geschäftsführerin der „Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg“ (SSG), bei einem Pressetermin am Mittwoch. „Es verlangt einem viel ab, sich um ein Schloss mit all seinen Tücken und Besonderheiten zu kümmern.“ In dieser Rolle müsse man „ein Gespür haben“ für viele unterschiedliche Belange und müsse Initiative und Ideenreichtum zeigen. „All das hat Herr Bös über die Jahre hinweg mit Bravour gemeistert.“ Sein Name werde „dauerhaft mit dem Schloss verbunden sein“.
„Mein Hauptaugenmerk war immer die Besucherzufriedenheit“, sagt Bös. Er habe sich Mühe gegeben, sie trotz der vielen Baustellen in seiner Zeit hochzuhalten. In Bös’ Amtszeit ab 2010 fielen große Bau- und Renovierungsarbeiten, darunter der Neubau des Besucherzentrums und die Sanierung des Gläsernen Saalbaus und der Stützwände Süd und Ost.
Als besondere Erfolge nennt Bös die Veranstaltungen, die er gemeinsam mit seiner Kollegin Petra Pechaček etabliert und ausgebaut habe, um mehr Besucher auf das Schloss zu locken – zum Beispiel das Frühlingserwachen, das Sommerfest und den Weihnachtsmarkt. Letzterer, sagt Bös, „war der beste Markt, den ich jemals gesehen habe“ – auch wenn er wieder eingestellt wurde, weil er Fledermäuse in ihrem Winterquartier störte. Zwischen 2009 und 2019 stieg die Zahl der jährlichen Besucher auf dem Schloss von 875 000 auf 1,16 Millionen.
Ein Pressetermin zum Abschied koste Bös eine gewisse Überwindung, betont Manuel Liehr, Co-Geschäftsführer der SSG. Denn Bös sei ein bescheidener Mensch. Er habe einen großen Erfahrungsschatz gesammelt, sei für viele ein wichtiger Ansprechpartner gewesen und habe sich auch „kritisch in den richtigen Momenten“ gezeigt. Vor Bös’ Zeit als Schlossverwalter arbeitete der Diplom-Finanzwirt unter anderem beim staatlichen Liegenschaftsamt Heidelberg und beim Landesbetrieb Vermögen und Bau in Mannheim.
Von dort, so Bös, habe er zwar Erfahrung in der „klassischen Immobilien-Verwaltung“, etwa von Behördengebäuden, mitgebracht. „Aber die Komplexität der Stelle war mir nicht bewusst.“ Zu Beginn habe er sich eine To-Do-Liste für die Arbeitswoche geschrieben. Das stellte sich bald als überflüssig heraus: „Der Tag schreibt dir deine To-Do-Liste.“ Ständig musste Dringendes erledigt werden – auch zur Unzeit. Wasserrohrbrüche am Freitagnachmittag werde er nicht vermissen. Bös’ Nachfolge tritt Silke Eichhorn an, die bislang beim Landesbetrieb Vermögen und Bau in Karlsruhe tätig war.
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