Schwetzingen

Die heile Welt im Schwetzinger Schlossgarten ist vorbei

Der Klimawandel setzt den Bäumen im kurfürstlichen Garten in Schwetzingen mächtig zu. Durch die vergangenen trockenen Sommer sind viele Pflanzen abgestorben

Von 
Stefan Kern
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Reste der gestern gekürzten Hainbuche. Im kurfürstlichen Garten sind die Auswirkungen des Klimawandels massiv zu spüren. © Lenhardt

Es regnet seit einigen Monaten. Und das nicht zu knapp. Dennoch sprechen Patricia Alberth, Geschäftsführerin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Schlossherrin Sandra Moritz und Hartmut Troll, Referent für die historischen Gärten bei den Staatlichen Schlössern und Gärten, von einem massiven Schadensbild im kurfürstlichen Garten. Das sind Auswirkungen des Klimawandels.

Immer wieder müssten Teile des Gartens abgesperrt werden, weil Bäume zu fallen oder große Äste abzubrechen drohten. Die Entwicklung bereitet den Fachleuten Sorgen. Vor allem auch, weil man nicht ausreichend Personal habe, um den Auswirkungen einigermaßen auf Augenhöhe begegnen zu können. Wenn man dem Gartenmeister Mario Witzgall und dem Baumschulleiter Ludwig Kandzia zuhört, wird deutlich, dass sie den Bedürfnissen und Herausforderungen des Gartens im Zeitalter des Klimawandels nur mit allergrößter Mühe gerecht werden. Dafür brenne es einfach gerade an zu vielen Ecken.

Seit 2003, so Troll, zeigten sich systemische Veränderungen, die auf einen grundlegenden Wandel hinweisen. Die Regenzeiten veränderten sich sukzessive. Grob zusammengefasst: mehr Regen im Winter und weniger im Sommer. Das steht im Widerspruch zu den Bedürfnissen der Bäume. Denn die brauchen Wasser im Frühling und Sommer. Gerade hier, wo die eher sandigen Böden kaum Wasser speichern könnten.

Auswirkungen treten teils zeitverzögert auf

Dramatisch waren die Jahre 2018 und 2019. Die heißen und trockenen Sommer hätten vielen Bäumen im Schlossgarten enorm zugesetzt. Dabei zeige sich, dass die Auswirkungen teils zeitverzögert aufträten. Natürlich habe man schon damals absterbende Bäume gesehen. Doch was sich jetzt ereignet, habe eine andere Dimension. Bei einem Gang durch den Schlossgarten genügt ein Blick, um die zahlreichen Baumtorsos und beschädigten Baumkronen zu erkennen.

Man hört den Verlust sogar. Die Schredder-Maschinen gehören gerade zur akustischen Kulisse des Gartens. Problematisch ist der Verlust von immer mehr großen Bäumen für das Mikroklima. Ein Wald schafft sich im Prinzip sein eigenes Mikroklima. Es läuft ab wie in einer Uhr. Zahnrädchen greifen ineinander und am Ende steht ein Gleichgewicht. Der Klimawandel scheint einige dieser Rädchen aus dem Takt zu bringen, sodass am Ende das System kollabiert.

Genau das versuchen Troll, Witzgall und Kandzia mit Neupflanzungen, Züchtungen, intensiver Pflege und Kontrolle zu verhindern. Dabei geraten sie an Grenzen. Nicht nur wegen immer schneller auftretender Veränderungen, sondern vor allem aus Mangel an Personal. Für die drei Verantwortlichen gilt: „Wir brauchen mehr Leute, die den Garten ständig begleiten und ihn auch wirklich kennen.“

So oder so, betont Troll, sei die heile Welt im Schlossgarten vorbei. Veränderungen seien unübersehbar und nachhaltig. Wie dramatisch die Sache wird, habe man teils in der Hand. Jeder könne zu weniger CO2 in der Luft beitragen und Verantwortliche mehr Mittel für Personal freigeben. Es würde sich lohnen, immerhin sei der kurfürstliche Garten laut Deutschlandfunk im Beliebtheitsranking aller Schlösser und Gärten in Deutschland auf Platz drei.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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