Umwelt

Die Eiche ist der Hoffnungsträger im Heidelberger Wald

Der Heidelberger Stadtwald kämpft - wie so viele Forstgebiete - massiv mit dem Klimawandel: Als wäre der Odenwald 900 Kilometer nach Süden gewandert, beschreibt Hans-Gerhard Michiels anschaulich die Problematik

Von 
Filip Bubenheimer
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Machen sich vor Ort ein Bild: (v.l.) Ernst Baader, Leiter des Landschafts- und Forstamtes, Bürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain, Minister Peter Hauk, Oberbürgermeister Eckart Würzner, Andreas Ullmann vom Forstrevier und Hans-Gerhard Michiels von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg © Philipp Rothe

Heidelberg. Am Waldweg oberhalb der Mönchberg-Hütte liegt eine Buche am Boden. Ein weitere, sagt Tillmann Friederich vom Heidelberger Forstamt, „wird auch bald eingehen.“ Die Eiche daneben scheint sich dem Laien bedenklich über den Weg zu neigen - aber, sagt Friederich, sie „sieht noch relativ gut aus“.

Vor zehn Jahren, ergänzt Forstamtsleiter Ernst Baader, habe er nicht erwartet, dass die Buchen einmal Probleme machen. Nun haben sie schwer mit der Dürre zu kämpfen. Er sei „gottfroh, dass wir noch Eichen hier haben“ - sie sind nun Hoffnungsträger für die Anpassung des Waldes an den Klimawandel.

Wie der Wald in Heidelberg den Klimawandel verkraftet

Wie sich der Klimawandel auf den Heidelberger Stadtwald auswirkt und wie die Förster damit umgehen, zeigten Baader und seine Kollegen am Donnerstag Peter Hauk (CDU), Landesminister für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz. In Hauks Ressort fällt auch die Forstwirtschaft. Auch OB Eckart Würzner und Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain begleiteten die Tour am Hang des Heiligenbergs.

Zwischen Bismarcksäule und Fuchsrondell wächst hier ein Buchenmischwald. Tillmann Friederich zufolge ist er ein „absolutes Kunstprodukt“, einst von Menschenhand angelegt. Heute greifen die Förster nicht in seine Entwicklung ein: „Wir schauen hier dem Wald beim Wachsen zu“, sagt Friederich.

Das heißt auch, dass der Wald sich selbst an den Klimawandel anpassen muss. In der heißen Kurpfalz, und ganz besonders in der starken Sonne am Hang des Heiligenbergs ist der Anpassungsdruck schon heute besonders groß. Solche Bedingungen könnten aber bald auch anderswo normal sein.

Sicherheit im Wald sicherstellen

In dem viel besuchten Gelände steht für das Forstamt vor allem die Verkehrssicherung im Vordergrund - obwohl, darauf legt Friederich Wert, die Stadt dazu nicht verpflichtet ist: „Das Betreten des Waldes erfolgt auf eigene Gefahr“, heißt es im Landeswaldgesetz. Trotzdem will das Forstamt natürlich nicht, dass Menschen zu Schaden kommen. Wenn deshalb Bäume gefällt werden, sorge das manchmal für Unverständnis in der Öffentlichkeit, sagt Forstamtsleiter Baader - aber es müsse eben sein.

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Was dem Wald zu schaffen macht, zeigt Hans-Gerhard Michiels von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) des Landes anhand von zwei Diagrammen: Die Durchschnittstemperatur in den Sommermonaten ist von 17 bis 19 Grad im Fünfjahresmittel der 1960er Jahre auf nunmehr über 20 Grad gestiegen. Laut Michiels ein Unterschied als wäre der Odenwald 900 Kilometer nach Süden gewandert. Die Durchschnittsniederschläge in der Vegetationsperiode sinken dagegen. Dadurch müssten die Bäume „mit einer erhöhten Transpirationsbelastung zurecht kommen“.

Wald in Heidelberg braucht permanente Regeneration

Besonders die Altbestände, die sich an kühlere Bedingungen angepasst haben, haben damit zu kämpfen. Bei jüngeren Bäumen geht Michiels davon aus, dass sie besser zurechtkommen. Deshalb, sagt Michiels, brauche es „permanente Regeneration“. Mit dieser Verjüngung kommen auch Veränderungen: Die Buchenbestände schwinden; dürreresistentere Baumarten wie die Traubeneiche und die Esskastanie breiten sich aus.

Minister Hauk, selbst Diplom-Forstwirt, hält in Zukunft stärkere Eingriffe in die Waldentwicklung für nötig. Die Klimaneutralität werde nicht schnell zu erreichen sein. Für den Wald heiße das: „Die nächsten 50 Jahre wird es noch schlechter werden“ - und zwar in einer Geschwindigkeit, „bei der weder Bäume noch Menschen noch mitkommen“.

Ein möglicher Eingriff ist zum Beispiel, bisher hier nicht heimische Baumarten anzupflanzen. Hans-Gerhard Michiels zufolge gibt es solche Überlegungen, aber „das geht nicht von heute auf morgen“. Manche Arten seien auch nicht ausreichend frosthart. Am Heiligenberg setzen die Förster vorerst weiter auf die Selbstanpassungsfähigkeiten des Waldes. Man wolle sich aber alle Optionen offenhalten, sagt Tillmann Friederich.

Alte Bestände trotzen Trockenheit

Zum Schluss präsentiert Michiels dem Minister noch einen Mutmacher: Am „Russenstein“ hat die FVA einen Eichenbestand untersucht. Dort wachsen schon seit 9000 Jahren Eichen. Er und seine Kollegen wollten herausfinden, ob diese „Alteingesessenen“ besonders gut mit Trockenheit umgehen können, weil sie sich durch natürliche Selektion zu Spezialisten für die Bedingungen des Standorts entwickeln konnten.

Die These hat sich bewahrheitet: Die Jahresringe der großteils mehr als 100 Jahre alten Eichen zeigen, dass ihr Wachstum in Trockenperioden weniger stark eingebrochen ist als bei Bäumen im Wirtschaftswald, und sich auch schneller erholte. Michiels zufolge ließen sich aus diesem Bestand Nachkommen ziehen, die bessere Chancen hätten, zukünftige Dürren zu überleben.

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