DKFZ-Jahresempfang

Claus Kleber warnt in Heidelberg vor Ende der US-Demokratie

Der bekannte Journalist Claus Kleber spricht beim Jahresempfang des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) über die Bedrohung der US-Demokratie durch die Tech-Elite. Und er sagt, was ihm noch Hoffnung gibt.

Von 
Madeleine Bierlein
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Claus Kleber spricht bei seiner Festrede im DKFZ in Heidelberg über bittere Erkenntnisse, die er auf seiner letzten Reise in die USA gesammelt hat. © DKFZ/Uwe Anspach

Heidelberg. „Seit Sie weg sind, sind die Nachrichten so schlecht geworden“ – es ist ein Satz, den Claus Kleber, einer der bekanntesten Journalisten Deutschlands, häufig zu hören bekommt. Fast 3000 Mal hat Kleber das „heute journal“ im ZDF moderiert, die Deutschen über Innen- und Außenpolitik informiert. Da waren auch viele schlechte Nachrichten dabei, erinnert er sich beim Jahresempfang des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg. Dennoch seien seine Jahre als ARD-Korrespondent und dann als ZDF-Nachrichtenmoderator nicht mit der aktuellen, aufgeregten Weltlage zu vergleichen. „Es war eine goldene Zeit.“

Claus Kleber warnt in Heidelberg vor dem Zerfall der US-Demokratie

Auch für die geladenen Gäste beim Jahresempfang des renommierten Forschungszentrums hat der Festredner leider einige schlechte Nachrichten dabei – aus den USA und dem Silicon Valley. Dort hat es den 69-Jährigen und langjährigen Washington-Korrespondenten kürzlich erneut hingezogen – zum insgesamt vierten Mal. Er wollte überprüfen, wie das Silicon Valley, dieses Herzstück der US-amerikanischen Innovations-Wirtschaft mittlerweile tickt. Zurück kam Kleber mit bitteren Erkenntnissen, die er unter anderem für die ZDF-Doku „Trump und das Silicon Valley – Staatsstreich der Tech-Milliardäre“ aufgearbeitet hat – und von denen er nun in Heidelberg spricht.

Klar ist: Die älteste Demokratie der westlichen Welt steht unter massivem Druck. Kleber spricht vom „drohenden Ende der amerikanischen Demokratie“. Von konservativer Politik kann nicht die Rede sein, vielmehr verfolgt US-Präsident Donald Trump geradezu revolutionär eine Politik der Abrissbirne – bricht mit Traditionen und Gewissheiten. „Alles ist unter Attacke – das Parlament, die Justiz, die freie Presse – und neuerdings auch die Wissenschaft und die Universitäten“, führt Kleber aus. „Die Wahrheit ist zur Verfügungsmasse geworden.“ Das alles habe Folgen, auch im medizinischen Bereich. Angesichts eines Gesundheitsministers, der nicht an Impfungen glaubt, und kruder Verschwörungserzählungen ist die Zahl der Masernfälle drastisch gestiegen, „es sterben Kinder“.

DKFZ

  • Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg ist die größte biomedizinische Forschungseinrichtung Deutschlands und das größte Krebsforschungszentrum in Europa.
  • Das DKFZ erforscht die Entstehung von Krebs, identifiziert Risikofaktoren und entwickelt neue Strategien zur Prävention, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen.
  • Das Institut hat 3.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter , darunter mehr als 2500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 80 Nationen.
  • Das DKFZ engagiert sich zudem in der Aufklärung der Bevölkerung: Der Krebsinformationsdienst (KID) bietet Betroffenen, Angehörigen und Interessierten abgesicherte Informationen rund um das Thema Krebs. mad

Hinter der Entwicklung aber, so führt es Kleber eindrucksvoll aus, steckt die Tech-Elite aus dem Silicon Valley. Es fallen die Namen von Risikokapitalgeber Mark Andreesen und vom reichsten Mann der Welt, Elon Musk. Als großer Strippenzieher aber wirkt Peter Thiel, Multimilliardär, Facebook-Investor, Mitbegründer des Bezahldienstes Paypal und des Softwareunternehmens, das sich auf die Analyse großer Datenmengen für Sicherheitsbehörden spezialisiert hat.

Den Anführern der digitalen Revolution – es sind fast ausschließlich Männer – ist es gelungen, ihre Leute in der Trump-Administration zu platzieren. Der größte Coup: J. D. Vance, aufgebaut von Peter Thiel – erst als Senator von Ohio, und schließlich als Vizepräsident. „Ohne Thiel gäbe es den Politiker Vance nicht“, ist sich Kleber sicher.

Kleber spricht über gefährliche Thesen von Peter Thiel

Wie brandgefährlich die Philosophie Thiels ist, wird mehr als deutlich. Für ihn gelte: „Demokratie ist ein Feind der Freiheit. Wir brauchen eine neue Weltordnung. Die Demokratie muss abgeschafft werden“, sagt Kleber. Das alles sei seit Jahren vorbereitet worden – bei der Besetzung von Richtern und Richterinnen. „Dasselbe gilt jetzt auch für Personalentscheidungen an der Spitze der Forschung.“ All die schlechten Nachrichten, auf die ihn die Menschen ansprechen – wie Ukraine-Politik, Zölle – sei im Grunde genommen nur eine Fassade, hinter der der Abbau der demokratischen Strukturen vollzogen werde.

Für einen Festvortrag ist das harter Tobak. Die Zuhörer und Zuhörerinnen, darunter viele Forschende, aber auch finanzielle Unterstützer und Spenderinnen, hören gespannt, teils auch erschrocken zu. Doch Kleber wäre nicht Kleber, wenn er nicht auch Zuversicht verbreiten könnte. Die kommt zum Abschluss des Vortrags, als er auf die Stärke Europas hinweist.

„Das sind Entwicklungen, denen wir entgegenwirken müssen.“ Immer wieder sei er verzweifelten Menschen in den USA begegnet, die nur noch eine Hoffnung hätten: „Sie alle schauen nach Europa.“ Nach seiner Überzeugung müsse Europa zu einer Einheit zusammenwachsen – in der Politik, in der Wirtschaft, in der Forschung. „Das Potenzial sehe ich – und wir brauchen das.“

Zwar lebten wir in einer Zeit großer Gefahren – aber auch in einer Zeit unglaublicher Chancen“. Die Möglichkeiten der Forschung, der künstlichen Intelligenz „all das kann dazu beitragen, dass diese Geschichte positiv bleibt und endet“.

Europa stärken und internationale Verbindungen pflegen

Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland rät Kleber vor allem eins: „Es ist unheimlich wichtig, dass die Kontakte zu Universitäten und Forschenden in den USA weiter bestehen.“ Die USA zu meiden, wäre ein großer Fehler. „Wir müssen versuchen, die Forschenden in Amerika zu stützen, sie einzuladen, sie zu besuchen. Jeder Kontakt zu vernünftigen Menschen ist Gold wert.“

Das sieht auch Michael Baumann so, der wissenschaftliche Vorstand des DKFZ. Er selbst war an der US-Eliteuniversität Harvard tätig und bekommt mit, wie stark die Wissenschaft in den USA unter Druck ist. Deswegen ist für ihn klar: „Wir haben die Verpflichtung, internationale Verbindungen aufrechtzuerhalten.“ Und er betont: „In den USA wird nach wie vor tolle Wissenschaft gemacht.“ Sein Wunsch: Wissenschaft und Innovation müsse auf europäischer Ebene gestärkt werden.

Redaktion Nachrichtenchefin mit Schwerpunkt Wissenschaftsjournalismus

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