Kommunaler Ordnungsdienst - In der Auseinandersetzung über die Frage, ob ein alter Mann vor dem Haus sitzen darf, reden jetzt viele Leute in Internet mit

Bundesweites Echo auf Klappstuhl-Krach

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dpa
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Um diesen Stuhl gibt es derzeit viele Diskussionen. © dpa

Heidelberg. Der „Klappstuhl-Krach“ in Heidelberg hat bundesweit für Kopfschütteln über Bürokratie und Engstirnigkeit gesorgt. Sogar Altersdiskriminierung muss sich die Stadt im Netz vorwerfen lassen. Denn im Mittelpunkt des Streits steht der mit 104 Jahren älteste Bewohner, der seit Jahrzehnten bei schönem Wetter vor seinem Haus in einer ruhigen Altstadtgasse an einem Tischchen sitzt. Jüngst hatte ihn allerdings der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) von seinem Stuhl, der weniger Platz einnimmt als vor den Häusern geparkte Autos, vertreiben wollen.

Die Begründung für die Aufnahme der Personalien des alten Herren und weiteren Genießern des Sommers vor der Haustür: Anwohner hätten sich über die draußen sitzenden Nachbarn beschwert. Es solle sich kein „Biergarten-Chaos“ in der Stadt etablieren. Aus Sicht der Heidelberger CDU-Fraktion ein völlig aus der Luft gegriffener und überzogener Vergleich. „Man sollte hier handeln nach dem Motto ’Leben und leben lassen’ und nicht immer alles reglementieren“, sagte Fraktionschef Jan Gradel.

Ärger noch nicht verraucht

Auch die Grünen im Gemeinderat mahnten mehr „Fingerspitzengefühl“ der Stadt an. Der Chef der größten Fraktion, Derek Cofie-Nunoo, sagte, es sei nicht akzeptabel, einem alten Mann das Sitzen vor dem Haus zu untersagen. Der KOD hatte hingegen argumentiert, nichts dürfe die Gehwege blockieren, Rettungswege müssten frei bleiben, und die Menschen sollten sich nicht an das Sitzen auf Gehwegen gewöhnen. Mittlerweile hat die Stadt eine Kehrtwende vollzogen. Der KOD soll nur aktiv werden, wenn Gefahr im Verzug ist, also etwa, wenn Rettungsfahrzeuge durch die engen Gassen manövrieren müssen. Auch wenn die Stadt zurückrudert, ist der Ärger bei den Einwohnern der Altstadt noch nicht verraucht.

„Dem alten Mann geht es um den Kontakt auf der Gasse, der will nicht in seiner Wohnung versauern“, sagt Christoph Egerding-Krüger von der Bürgerinitiative Leben in der Altstadt. Die Stadt handele mit zweierlei Maß: Auf der Alten Brücke, die immer Tabuzone für Gastronomie gewesen sei, habe ein Restaurantbesitzer Stühle und Tische aufgestellt. Insgesamt gebe es einen Wildwuchs, insbesondere nach dem Ende der Corona-bedingten Schließung für die mehr als 200 Gaststätten in der Altstadt.

„Es ist nicht transparent, ob das genehmigt ist und wenn ja, von wem – Hauptsache die Stadt hat Einnahmen aus dem Tourismus.“ Sie dulde rechtsfreie Räume, während die Bewohner drangsaliert würden. „Da muss man sich richtig schämen für das Verhalten der Stadt“, heißt es im Netz. Ein anderer User ermutigt den 104-Jährigen: „Sitz es aus Kurt, sitz es einfach aus!“ 

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