Heidelberg. Die Bahnstadt wird in absehbarer Zeit noch besser an die restlichen Stadtteile angebunden sein: Nach der Inbetriebnahme der ersten Straßenbahnlinie (wir berichteten) soll in einem nächsten Schritt die Verkehrsführung für Radfahrer ausgebaut werden. In seiner letzten Sitzung vor der Weihnachtspause stimmte der Gemeinderat mehrheitlich für den Bau einer 8,5 Millionen Euro teuren Rad- und Fußgängerbrücke über die Bahngleise westlich des Hauptbahnhofs. Doch auch wenn das Projekt in der fahrradfreundlichen Studentenstadt grundsätzlich nur Zustimmung in der Lokalpolitik fand, gab es vor allem von Fraktionen aus dem linken Spektrum Kritik an der konkreten Ausgestaltung: Durch den Bau muss ein Teil des ehemaligen OEG-Bahnhofs abgebaut werden, wodurch der dort ansässige Verein Emmaus, der sich um sozial Benachteiligte kümmert, beeinträchtigt werden könnte.
Teil einer Hauptachse
Die beschlossene neue Gneisenaubrücke – benannt nach der Gneisenaustraße auf Bergheimer Seite – soll als Teil der Fahrradhauptachse vom Patrick-Henry-Village (PHV) über die Bahnstadt und Bergheim in das Neuenheimer Feld führen. Die Verwaltung denkt dabei also in großen Dimensionen: PHV soll bekanntlich nach dem Abzug der Amerikaner und der derzeitigen Nutzung als zentrales Flüchtlingszentrum des Landes erst in einigen Jahren als neuer Stadtteil entwickelt werden.
Um im weiteren Verlauf von Bergheim auf die andere Neckarseite zu kommen, plant die Stadt eine weitere Radbrücke über den Fluss, was der Gemeinderat bereits im Juni mit deutlicher Mehrheit unterstützt hat. Die 129 Meter lange Gneisenaubrücke über die Bahnschienen stellt somit eine Art Lückenschluss in einem größeren Projekt dar.
In der Bahnstadt wird die noch auszubauende Da-Vinci-Straße als Zufahrt zur Brücke dienen. Direkt neben dem vor Kurzem eröffneten Luxor-Großkino soll es dann über die Gleise der Deutschen Bahn und die in diesem Bereich parallel verlaufenden OEG-Gleise gehen, auf denen die Linie 5 verkehrt. Doch auf Bergheimer Seite gibt es für das Bauwerk gleich mehrere Hindernisse: Ein Bolzplatz muss versetzt, der Zugang zur Straßenbahnhaltestelle Gneisenaustraße Süd neu errichtet werden. Das größte Hindernis stellt der ehemalige OEG-Bahnhof dar. Hier sehen die Pläne vor, die überdachte Verladerampe Stück für Stück abzubauen, um sie nach Beendigung der Brückenarbeiten wieder denkmalschutzgerecht aufzubauen. Das eigentliche Bahnhofsgebäude soll hingegen von dem Projekt nicht betroffen sein. „Wir befürchten trotzdem, dass die Brückenarbeiten dem Gebäude schaden könnten und es am Ende einstürzt“, erklärt Thomas Wenzel, Vorsitzender von Emmaus. Der karitative Verein, der von der IG Metall, der katholischen und der evangelischen Kirche getragen wird, hat in dem alten Bahnhof vor einigen Jahren sein Domizil gefunden. Hier können Arbeitslose in verschiedenen Projekten einfache Tätigkeiten ausführen, um für eine Rückkehr auf den Arbeitsmarkt vorbereitet zu werden.
„Wir hatten extra eine Petition im Internet gestartet, dass die Brücke ein kleines bisschen verschwenkt wird und der Radweg dadurch neben der Verladerampe rauskommt“, so Wenzel. „Aber leider hat das nicht ausgereicht.“ Aus Sicherheitsgründen muss der Verein während der Bauzeit sein Domizil verlassen. In der Bahnstadt stellt die Verwaltung eine Ersatzunterkunft zur Verfügung. „Oberbürgermeister Eckart Würzner hat uns sein Ehrenwort gegeben, dass wir nach dem Brückenbau wieder zurückkommen“, sagt Thomas Wenzel. „Und dennoch: Das Vorgehen ist für uns nicht verständlich.“
Kritik perlt an Verwaltung ab
Diese Kritik, die auch bei mehreren Gemeinderäten zu einer Ablehnung der Baupläne geführt hat, kann man im Rathaus nicht verstehen. „Der generelle Verlauf der Brücke ist bereits 2015 vom Gemeinderat mit großer Mehrheit beschlossen worden“, erklärt eine Sprecherin der Stadt auf Nachfrage. „Die Stadtverwaltung hat damals eine möglichst stringente, geradlinige Führung geplant –senkrecht auf die Gneisenaustraße zu –, um sie für den Radverkehr so attraktiv wie möglich zu machen.“ Selbst eine kleine Änderung dieser Pläne sei zum jetzigen Zeitpunkt mit immensen Kosten verbunden, da das Planrechtverfahren schon weit fortgeschritten sei. „Außerdem hätten wir eine Verzögerung von fünf bis sieben Jahren ausgelöst“, so die Stadtsprecherin.
Das Projekt
- Die zukünftige Gneisenaubrücke verbindet die Bahnstadt und Bergheim. Sie wird Teil des geplanten Radwegs vom Patrick-Henry-Village ins Neuenheimer Feld sein.
- Der Neubau wird nur rund 200 Meter entfernt von der Czernybrücke liegen, über die Autos und Straßenbahnen fahren, und die breite Gehwege aufweist.
- Ziel soll eine möglichst gerade Wegführung für Radfahrer sein, was aus Sicht der Planer bei einer Wegführung über die Czernybrücke nicht gewährleistet wäre.
- Die Kosten für das Vorhaben liegen bei 8,5 Millionen Euro. (beju)
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