Initiative

Etappensieg für Heidelberger Jurist bei Volksbegehren gegen Gendersprache

Am Mittwoch fehlten Klaus Hekking nur noch wenige Unterschriften zur Marke von 10.000. Der 72-Jährige wehrt sich gegen die Verbreitung geschlechtsneutraler Sprache von Seiten des Landes Baden-Württemberg. Wie geht es weiter?

Von 
Stephan Alfter
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Genderneutrale Sprache, die vom Staat verordnet wird: Dagegen richtet sich eine Initiative aus Heidelberg. © dpa

Heidelberg. Das Spätmittelhochdeutsche hat noch Einfluss auf die moderne Sprache des Jahres 2023: Nehmen wir beispielsweise den Begriff Firlefanz. Dieser bezeichnete in der Zeit zwischen dem Jahr 1050 und 1350 und einen „lustigen Springtanz“ und leitet sich nach Erkenntnissen von Sprachwissenschaftlern aus dem altfranzösischen Wort „virelai“ (Reigenlied) ab. Heute meinen wir damit nach Definition des Lexikon ein „albernes Gehabe“.

Dass der Heidelberger Jurist Klaus Hekking das Wort neuerdings vermehrt im Munde führt, hat mit seiner Abneigung gegen die sich weiter verbreitende Gendersprache zu tun. Das sei „Firlefanz“, sagt Hekking. Dabei will er die geschlechtsneutrale Sprache nicht jedem gleich verbieten, sondern er wehrt sich dagegen, dass staatliche Behörden den Bürgern und Staatsbediensteten vorschreiben, sie zu benutzen. Als Begründung führt er das gute Recht jedes Einzelnen auf Meinungs- und Redefreiheit an. „Sprache sollte nicht durch staatliche Vorgaben reguliert werden“, findet Hekking.

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Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt

Um diesem Ziel Nachdruck zu verleihen, hat das 72-jährige CDU-Mitglied erstmals in seinem Leben begonnen, Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln. „Stoppt Gendern in Baden-Württemberg“ ist der Titel - und tatsächlich tritt in diesen Stunden der Effekt ein, den er sich erhofft hat. Denn Klaus Hekking, zwischen 1985 und 2015 Vorstandsvorsitzender der SRH-Holding mit Sitz in Heidelberg, kann am heimischen Rechner beobachten, wie sich aus einem Schneeball eine kleine Lawine entwickelt.

Seit gut eineinhalb Wochen ist er mit seinem Thema auf der von einem Webdesigner eigens aufgesetzten Internetplattform www.stoppt-gendern-in-bw.de unterwegs. Und just am Mittwoch näherte sich sein Vorhaben stark einem ersten wichtigen Etappenziel an.

Klaus Hekking. © Klaus_Hekking_Schafheutle_Heidel

Am Abend standen er und 78 mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten der Metropolregion, die sich zu Hekkings Initiative bekennen, kurz vor dem Erreichen der Wegmarke von 10 000 Unterschriften wahlberechtigter Baden-Württemberger. Wichtig ist das, weil die Landesverfassung vorschreibt, dass es diese Anzahl an Unterstützern braucht, um die Zulassung eines Volksbegehrens zu erreichen. Ihm zugrunde liegt ein von Hekking und Gleichgesinnten ausformulierter Gesetzentwurf. Nun steht aber die Frage im Raum, ob und inwiefern die Gendersprache de facto überhaupt schon Einzug gehalten hat in der Kommunikation zwischen Bürgern und staatlichen Behörden?

Landtag „entscheidungsunfähig“?

„Ja“, sagt Hekking. Er führt ein Merkblatt an, das ziemlich umständlich formuliert, wie Mitarbeiter von Behörden bei der Anwendung einer geschlechtergerechten Rechts- und Amtssprache praktisch unterstützt werden können. Daneben, so Hekking, gebe es eine Vielzahl behördeninterner Regelungen für den Gebrauch der Gendersprache. Hätte das Volksbegehren Erfolg, wären diese Regelungen künftig unzulässig, sagt der Mann, der von Haus aus Jurist ist. Für ihn geht es bei seinem Ansinnen im Grundsatz um das Thema Freiheit. Er sei großer Fan der deutschen Sprache, um deren Wirkmächtigkeit uns mancher Amerikaner beneide. Durch das vorgeschriebene Gendern werde diese Sprache verunstaltet, und der Landtag habe sich in der Frage im vergangenen Jahr als entscheidungsunfähig erwiesen. Dass die CDU, der Hekking angehört, sich im Landesparlament im Februar gegen einen Antrag der FDP gestellt hat, auf das Gendern zu verzichten, hat nach Darstellung des 72-Jährigen damit zu tun, dass sich die Fraktion dagegen entschieden habe, gemeinsam mit der AfD zu stimmen. Bei den Rechtspopulisten wehrt man sich ebenfalls gegen die Verwendung einer geschlechtsneutralen Sprache.

Kretschmann gegen Genderdruck

„Ein solches Thema sollte nicht in eine Ecke gestellt werden, in die es nicht gehört“, sagt Hekking. Mit der Frage, ob man eher rechts oder eher links eingestellt sei, habe das nichts zu tun. Ihm habe etwa eine feministisch eingestellte Linguistin geschrieben. Sie unterstütze ihn aus eben jenen Eigenschaften heraus. Verhehlen, dass Sprache dynamisch ist und dass eine jüngere Generation eher zum Gendern neigt, will er nicht. Jeder sei frei, selbst zu entscheiden, er wehre sich aber gegen Konformitätsdruck. Und sieht Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf seiner Seite. Er hatte der Deutschen Presse-Agentur gesagt: „Es ist schon schlimm genug, dass so viele unserer Grundschüler nicht lesen können. Man muss es denen nicht noch erschweren, indem man in der Schule Dinge schreibt, die man gar nicht spricht.“

Die Menschen, die bisher unterschrieben haben, kommen aus 950 von insgesamt 1101 Gemeinden im „Ländle“, kann Hekking auf seinem Bildschirm sehen. Das zeige eine flächendeckende Ablehnung. Übernimmt die Landesregierung den Gesetzentwurf der Initiative, könnte er in einem Verfahren beschlossen werden. Wenn nicht, müsste das eigentliche Volksbegehren angestrengt werden. Dazu bräuchte es 770 000 Unterschriften, also jedes Zehnten der 7,7 Millionen wahlberechtigten Baden-Württemberger*:Innen - und somit eine echte Lawine. Ganz ohne Firlefanz.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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