Auch Satan gönnt sich mal einen. Liebevoll reicht Hans-Volker Kanka die Sektflasche weiter. Sein Gesicht ist knallrot - er ist als Teufel verkleidet und hat sich das Gesicht dämonenhaft und düsterrot gemalt. Ein bisschen sieht es so aus, als würde hier am Rande des Heidelberger Fasnachtsumzuges Star-Wars-Fiesling "Darth Maul" (der mit den Hörnern und dem Doppel-Lichtschwert) seiner Gefährtin eine Liebenswürdigkeit erweisen. Die Teufelin beziehungsweise "Darth-Mauline" heißt Sabine Kruse oder "Satansbraten" und genießt die letzten Sonnenstrahlen, die in den Anatomiegarten fallen - und den Sekt. Die beiden Kirchheimer sind Fasnachtsveteranen - jahrzehntelang sind sie auf Umzügen mitgelaufen, dieses Jahr lassen sie es ruhiger angehen.
Warum sind sie zum Teufel geworden? Aus sehr prosaischen Gründen: "Wir haben das Kostüm im Katalog gesehen, das hat uns gefallen." Werden sie jetzt, nach Ende der Fasnacht, fasten? "Fast", sagt Kanka und gönnt sich einen Schluck, derweil sich Dracula mit seinen falschen Eckzähnen auf die Lippen beißt. "Die Zähne sind viel zu groß, ich muss mir zum nächsten Jahr dringend kleinere holen", sagt Michael Buschmeyer, dem man seine vier Jahrhunderte, nach der Fasnacht sind es wieder 47 Lebensjahre, kaum ansieht.
Schon seit über einer Stunde stehen Zehntausende um die Bergheimer Straße und die Hauptstraße, wo sich der Umzug mit seinen 66 Zugnummern bis zum Rathaus schlängelt. Als die ersten Wagen da sind, wird alles auf einmal dichter, drängt sich an die Straßen. Die Indianer, Bären, Zebras und anderen heute mal zweibeinigen Tiere aus der afrikanischen Savanne stehen auf dem Bismarckplatz und genießen die ausgelassene, aber nicht überbordende Stimmung.
"Küss mich, ich bin Mexikaner"
Dort lauern auch drei junge Mexikaner auf ihre Beute. Wobei, die 17-Jährigen Diego Schmidt, Paco Garcia und Alex Hernández wollen eigentlich nur Gutes tun - und machen dafür höchstens dezent Werbung: Jeder trägt ein T-Shirt mit der englischen Aufschrift "Küss mich, ich bin Mexikaner" und hält zur subtilen Untermalung ein DIN-A4-großes "Küsse für Umsonst"-Schild in die Höhe. "Vier haben sich in der letzten halben Stunde schon küssen lassen", sagt Diego Schmidt. So richtig? Nein, nur ein Küsschen auf die Backe, sagt er und grinst. "Von jungen und älteren Mädchen." Die meisten Mädchen, vor denen sie sich ins Zeug legen, schenken ihnen nur ein Lächeln. Zunächst zumindest.
Die drei aufopferungsvollen jungen Herren mit ihrem großzügigen Angebot mögen den deutschen Karneval, sagen sie: "Bei uns in Südost-Mexiko gibt es so etwas Ähnliches, bei dem sich alle verkleiden, nur einmal im Jahr, im Oktober, dem Tag der Toten", sagt Diego Schmidt. Dabei zögen sich alle weiße Gewänder an und malten sich das Gesicht schwarz. "Da gefällt mir das hier schon besser, das ist viel fröhlicher." Sein Begleiter Paco Garcia aus Guanajuato pflichtet ihm bei: "Die Deutschen haben einen tollen Humor", sagt der 17-jährige, der mit seinen beiden Begleitern in Heidelberg eine Sprachschule besucht, um sein Deutsch zu verbessern.
Die siebenjährige Laura konzentriert sich derweil auf das Süße, das von Wägen fliegt. Die "kleine Hexe" aus Viernheim sammelt alles in ein orangefarbenes Säckchen ein. Sie hat sich dieses Mal Spinnweben auf die Wangen malen lassen und ein lila-schwarzes Kostüm angezogen. "In den vergangenen Jahren habe ich mich als Marienkäfer und als Indianerin verkleidet", sagt sie. Nur der Hexen-Haarreif fehlt. "Den hat ihr eine große Hexe geklaut und auf einen großen Stock gebunden", sagt Mama Steffi und lacht. Laura auch, also alles gut.
Sie genießt den Umzug und schnappt sich noch ein Bonbon, das wieder ein Prinz auf die Straße wirft. Auf die Bonbons freut sie sich wie der Teufel Kanka auf seinen Sekt - in der Spätwintersonne schmeckt ohnehin schon vieles nach Frühling.
Heidelberger Umzug
Die Polizei schätzt die Anzahl der Besucher am Dienstagnachmittag wegen des guten Wetters auf etwa 150 000. Der Zug setzte sich um 14.11 Uhr im Bereich Kirchstraße/Ecke Bergheimer Straße in Bewegung und endete am Rathaus. Auf den Verwaltungssitz fand bereits um 11.11 Uhr der Sturm der Kurpfälzer Trabanten statt.
Insgesamt waren etwa 100 Polizeibeamte eingesetzt. Gemessen an der großen Besucherzahl ist laut Polizei alles friedlich geblieben - lediglich einen Betrunkenen hätte man in Gewahrsam nehmen müssen, teilte ein Sprecher mit.
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