Kultur - Heidelberg diskutiert über Museum zu Musikrichtung / Erste Materialien ab Ende Mai im Café „Leitstelle“ zu sehen

Bekommt Heidelberg ein Hip-Hop-Museum?

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Vielleicht auch ein Bild fürs Museum? Torch und Toni-L 2022 im inzwischen geschlossenen Heidelberger Plattenladen „Vinyl Only“ © rothe

Heidelberg. Deutschland 1992: Im ganzen Land kommt es zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen. Und auch wo keine Asylbewerber-Unterkünfte in Flammen aufgehen, fühlen sich Deutsche mit nichtdeutschem Aussehen im Alltag „nicht anerkannt“. So rappen es 1992 die Musiker von „Advanced Chemistry“ im Lied „Fremd im eigenen Land“: „Kein Ausländer und doch ein Fremder.“ Die jungen Heidelberger verschaffen damit nicht nur vielen jungen Menschen mit Migrationshintergrund eine Stimme, sie begründen auch eine Tradition: Heidelberg als Wiege des deutschen Hip-Hop.

Schon lange gab es Bestrebungen, dieses musikalische Erbe stärker ins Bewusstsein der Stadt zu rücken. 2011 bereits beschloss der Gemeinderat, ein Hip-Hop-Archiv einzurichten, dann passierte lange Zeit nichts. Nun aber kommt offenbar Bewegung in die Sache: „Die entsprechenden Verträge stehen kurz vor ihrem Abschluss“, teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage mit. Am 24. Mai wird in der Halle 02 das 25. Jubiläum des Hip-Hop-Labels 360 Grad gefeiert. Einen Tag später soll es im Café Leitstelle im Kultur- und Kreativwirtschaftszentrum Dezernat 16 eine erste Ausstellung geben. Mit T-Shirts und der kompletten Diskographie der Heidelberger Torch und Toni-L, die ab 1987 zu den Köpfen von „Advanced Chemistry“ gehörten und den Hip-Hop in die deutsche Sprache holten.

Das Stadtarchiv soll die Sammlung von Torch und Toni-L sichern, kategorisieren und vor dem Verfall schützen: etwa Tonträger, VHS-Kassetten, Zeitschriften, Plakate. „Das ist ein richtiger Schatz. Es wäre eine Schande, ihn nicht einzulagern“, sagt der schweizerisch-kanadische Sprachwissenschaftler Bryan Vit, der an der Universität Heidelberg promoviert. Er ist selbst Rapper und hat sich seit Beginn seines Sprach- und Literaturstudiums mit dem Thema wissenschaftlich beschäftigt. 2014 entstand der Kontakt zur Heidelberger Koryphäe Frederik Hahn alias Torch, als Vit ihn zu einer Hip-Hop-Vorlesung nach Bern einlud.

Grüne von Idee begeistert

Aus den Archivplänen ist inzwischen die Idee für ein Museum geworden - damit möglichst viele Menschen sich mit der Sammlung auseinandersetzen können. „Es wäre angemessen, die Materialien nicht nur zu lagern, sondern sie auch mit der nötigen Wertschätzung auszustellen“, findet Vit. Auch Torch selbst steht hinter der Museumsidee. Der „Rhein-Neckar-Zeitung“ sagte er: Nach 40 Jahren sei es Zeit, die deutsche Hip-Hop-Geschichte an einem Ort erlebbar zu machen.

Die Heidelberger Grünen haben ebenfalls bereits Unterstützung signalisiert. „Es wäre charmant, aus der Sammlung auch themenbezogene Ausstellungen zu bestücken“, sagt Stadtrat Felix Grädler, der auch Geschäftsführer der Halle 02 ist. Als Standort könnten sich die Grünen einen Teil des Karlstorbahnhofs vorstellen. Das dortige Kulturzentrum soll in den kommenden Jahren in die Südstadt umziehen. Grundsätzlich sei noch offen, was danach mit dem Gebäude an der östlichen Spitze der Altstadt passieren könnte, sagt Grädler. Einen Raum für Hip-Hop-Ausstellungen, der auch für andere Veranstaltungen genutzt werden könnte, könne er sich dort gut vorstellen. Generell fordere seine Partei aber eine Bürgerbeteiligung zur künftigen Nutzung des Bahnhofs.

Dialog mit Universität gewünscht

Die Stadt ist beim Thema Museum zurückhaltender. Zunächst gehe es darum, die Materialien für das Archiv zu sichern. „Erst wenn wir diese sichten und aufbereiten konnten, können wir belastbare Planungen vorlegen, welche Aktivitäten auf Basis des Archivguts denkbar sind“, teilt eine Sprecherin mit.

Bryan Vit erhofft sich auch einen Dialog mit der Universität. Es könne dort wissenschaftliche Stellen, Sonderforschungsbereiche, sogar ein eigenes Institut mit einem Lehrstuhl zum Thema geben. Für ihn war die Universitätsstadt immer schon das „Mekka des deutschen Hip-Hop“. „Es gäbe noch mehr Schritte, um Wertschätzung zu zeigen“, findet er. „Zum Beispiel die Umbenennung von Straßen, wie es schon in der Partnerstadt Montpellier gemacht wurde.“

Konzert und Ausstellung

  • Das Label 360 Grad feiert am Freitag, 24. Mai, sein 25-jähriges Bestehen. In der Halle 02 in Heidelberg werden ab 20 Uhr 25 Künstler auftreten, darunter auch die Label-Mitbegründer Torch und Toni L.
  • Karten kosten im Vorverkauf 26 Euro (zuzüglich Gebühr).
  • Ab Samstag, 25. Mai, soll es zudem eine erste Ausstellung zum Thema geben. Sie ist für zwei Wochen im Café Leitstelle im Kultur- und Kreativwirtschaftszentrum Dezernat 16 (Emil-Maier-Straße 16) zu sehen.

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