Emmertsgrund - Aktion gegen Gewalt nach Schlägerei bei Schulfeier

Ballons sollen „böse Geister vertreiben“

Von 
Miray Caliskan
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Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck (links) und Monika Kindler, vom Trägerverein des Emmertsgrunder Stadtteilmanagements, bei ihrer Rede. © Priebe

Heidelberg. Die Kinder der Tagesstätte Emmertsgrundpassage wissen ganz genau, was gleich passiert. Händchenhaltend laufen sie mit ihren zwölf Betreuerinnen die Treppen hinunter und bleiben weiter unten, auf dem Platz vor der Grundschule Emmertsgrund, stehen. 1000 Ballons sollen an diesem Dienstagmittag in die Luft steigen – als Zeichen für einen solidarischen Stadtteil und gegen Gewalt. „Viele denken, dass Kinder nichts mitbekommen“, sagt eine Betreuerin und blickt auf ihre 60 Schützlinge. „Aber die Kleinen haben durchaus gehört, was am Freitag geschehen ist. Und wir sind heute da, um ihnen wieder deutlich zu machen, dass man sich nicht schlagen sollte und unterstützen damit auch die Grundschule.“

Was geschehen ist, ist auch vier Tage nach der Tat schwer nachvollziehbar: Bei der Einschulungsfeier der Heidelberger Grundschule gerieten zunächst ein 35-jähriger Vater und die von ihm getrennt lebende 26-jährige Mutter in einen Streit. Als sich die beiden Familien einmischten, eskalierte die Situation. Der 35-Jährige wurde geschlagen und getreten. Eine Polizistin wollte ihm helfen. Der Mann erkannte die Beamtin nicht und stach ihr mit einem kleinen Messer in den Oberschenkel. Die Männer wurden vorläufig festgenommen, die Polizei ermittelt.

Während einige sich einfach darüber freuen, dass Normalität eingekehrt ist, regt sich eine Mutter, die namentlich nicht genannt werden möchte, darüber auf, wieso die Männer wieder auf freiem Fuß sind. „Allein die Vorstellung, dass der Vater das Messer zur Feier seiner Tochter mitgebracht hat, finde ich erschreckend“, sagt sie. „Vielleicht wollte er ja der Mama was antun? Das kann die Polizei nicht überprüfen.“

Nach dem Vorfall stellen sich viele die Frage: Ist Emmertsgrund ein „Problemstadtteil“? Zumindest Polizeisprecher Christoph Kunkel sieht es anders. „Es handelt sich um einen Vorfall, der nicht alltäglich ist und in der Eskalationsstufe sehr selten vorkommt.“ Und eine Kriminalstatistik zeigt: Der Emmertsgrund liegt bei den erfassten Straffällen weit hinter den Stadtteilen Kirchheim, Bergheim, Rohrbach, Handschuhsheim oder Pfaffengrund. Künftig Einschulungsfeiern von der Polizei begleiten zu lassen, leite er durch die Schlägerei nicht ab – „das werden wir auch nicht durchführen.“

500 Menschen sind dabei

Die Kindertagesstätte bekommt derweil Unterstützung. Auch die Schüler der Waldparkschule auf dem Boxberg sind gekommen. Die Grundschüler strömen aus ihren Klassenzimmern heraus, weit über 500 Menschen füllen den Platz. Auch die 22-jährige Polizistin, die durch den Messerstich verletzt wurde, ist da, aber nicht zu sprechen. Äußern möchte sich auch die Leiterin der Grundschule, Britta Biermas, nicht. Ein möglicher Grund: das Regierungspräsidium Karlsruhe, das die Öffentlichkeitsarbeit der Schule übernommen hat.

Zuerst bekommen die Kleinen, dann auch die Erwachsenen bunte Luftballons aus Naturkautschuk verteilt – „sie sollen steigen, um die bösen Geister der vergangenen Woche zu vertreiben“, sagt Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck. Auch er verurteilt das Vorgehen der zwei Familien. „Wenn es um die eigenen Kinder geht, können die Nerven schnell blankliegen. Aber das soll’s nicht entschuldigen, das kann’s nicht entschuldigen.“

Nachdem eine Musiklehrerin das Lied „We Are The World“ singt, werden die Schnüre losgelassen. „Ich wünsche, dass vor allem die Kinder den Vorfall schnell vergessen“, hatte Stadtteilvereinsvorsitzende Sigrid Kirsch zuvor in ihrer Rede gesagt. Und sie behält Recht – wenn auch nur für einen Moment ist der Himmel bunt und die Kinder sind einfach nur Kinder.

Info: Fotostrecke und Video unter morgenweb.de/heidelberg

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