Geschichte

Auf Baustelle in Heidelberg: Archäologen finden Schätze aus römischer Zeit

Eigentlich sollten in Heidelberg-Grenzhof nur Rohre gelagert werden. Jetzt entdecken Forscher Objekte aus den ersten Jahrhunderten nach Christus. Wie eine Ausgrabung abläuft.

Von 
Alena Kuhn
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Auf der Baustelle für die Süddeutsche Erdgasleitung zwischen Grenzhof und Marienhof graben derzeit die Archäologen – und sie werden fündig. © Philipp Rothe

Heidelberg. Ein Hundeskelett, Münzen von den Römern und ein Olivenöl-Gefäß aus Südspanien: Fast 2000 Jahre schlummerten die Funde unter einem Feld in der Nähe des Heidelberger Grenzhofs. Jetzt haben Forscherinnen und Forscher die Relikte aus der Römerzeit entdeckt – und nicht nur das.

„Wir haben das komplette erste Jahrtausend hier an einem Ort“, sagt Sascha Schmidt am Montag, hinter ihm liegt die Ausgrabungsstätte. Schmidt ist der Gesamtprojektleiter der Arbeitsgemeinschaft „Arfo“, die für die archäologischen Untersuchungen zuständig sind. Entdeckt wurden die Funde nur durch den Bau eines vorübergehenden Rohrlagerplatzes. Es sei ein Zufallsfund. „Niemand wusste, dass das hier ist“, so Schmidt.

Grabungsort © MM-Grafik

Die Rohre, die hier gelagert werden sollen, gehören zur Süddeutschen Erdgasleitung (SEL). Die rund 250 Kilometer lange SEL führt von der hessischen Landesgrenze über Mannheim, Heidelberg und Esslingen am Neckar bis nach Bayern. Die Leitung soll zunächst Kraftwerke in Baden-Württemberg mit Erdgas versorgen und ab Anfang der 2030er Jahre Wasserstoff transportieren.

Der Gasnetzbetreiber Terranets BW hat Anfang August mit dem Bau zwischen Heidelberg und Heilbronn begonnen. Ende 2026 soll der 61 Kilometer lange Abschnitt in Betrieb gehen. Die SEL ist ein umstrittenes Projekt. Seit Jahren steht ihr Bau bei der Stadt Heidelberg, Landwirten und Umweltschutzverbänden in der Kritik. Naturschützer bemängeln, dass die Trasse durch mehrere Artenschutzgebiete und Weinberge führe. Auch Landwirte haben massiv gegen die Leitung protestiert.

Bei archäologischer Ausgrabung entdeckt: Römischer Bauernhof stand wohl in Heidelberg-Grenzhof

Terranets BW, eine Tochter der EnBW, hat die Arbeitsgemeinschaft „Arfo“ beauftragt. Der Lagerplatz ist etwa 400 Meter von der SEL-Trasse entfernt. Für die 500 Rohre und die zwei Maschinen, die die Rohre verbiegen, werden die oberen Erdschichten abgetragen und der Platz geschottert. Dabei sind den Arbeitenden archäologische Relikte aufgefallen. Deshalb untersucht die „Arfo“ seit Ende Juni die 220 Meter lange und 25 Meter breite Fläche – zunächst mit großen, dann mit kleineren Baggern.

Sehen die Mitarbeitenden eine Verfärbung oder ein Objekt im Boden, wird mit der Kelle und selten auch mit einem Pinsel weitergearbeitet. Wenn der Boden etwa dunkler ist als sonst, kann das auf ein Grubenhaus hindeuten. Das Gebäude war zu Zeiten der Römer in den Boden eingetieft und hatte ein großes Satteldach. Etwa ein Meter unter der Erdoberfläche diente es den Bewohnerinnen und Bewohnern vor allem als Werkstatt, um in einer Umgebung mit gleichbleibender Temperatur beispielsweise Kleidung herzustellen oder mit gefährlichem Feuer zu arbeiten.

In Heidelberg haben Archäologen viele Tierknochen geborgen. © Philipp Rothe

War das Grubenhaus kaputt, wurden die Vertiefungen meist mit Müll gefüllt: Asche, zerbrochene Vasen, Schlachtabfälle und Holzkohle – alles landete in der Mulde. Heutzutage erkennt man dort dunklere Erde, mit Keramikstücken, Knochen und schwarzen Kohle-Punkten. Die Grubenhäuser weisen, zusammen mit römischen Baustrukturen, darauf hin, dass sich an der Ausgrabungsstätte in der Nähe des Heidelberger Grenzhofs ein römischer Bauernhof befand.

So viele Befunde sind bei Grabung in Heidelberg entdeckt worden

Wenn die Forschenden die Relikte finden, werden sie beschrieben, vermessen, fotografiert und geborgen. Auf dem baldigen Lagerplatz hat das Team unter anderem Scherben von verziertem Geschirr, Tierknochen und römische Münzen aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus gefunden. Und sogar ein Gefäß aus Südspanien, in dem Olivenöl gelagert wurde, war dabei. Ein Hinweis darauf, dass schon im ersten Jahrhundert Öl importiert wurde.

Die bronzene Fibel ist sehr gut erhalten. Sie lag unter einem Feld in Heidelberg. © Alena Kuhn

Ein Fund ist für René Wollenweber, Archäologe und Referent am Landesamt für Denkmalpflege, aber besonders herausragend: eine bronzene Fibel. Denn die Gewandspange sei erstaunlich gut erhalten. Insgesamt sind laut Schmidt viele hochwertige Befunde entdeckt worden. 570 Stück seien es, bis jetzt. „Es wird eine Weile dauern, bis wir etwas finden, was über das Niveau hinausgeht“, erläutert Schmidt stolz. Dass es viele Befunde gibt, sei in der Region aber nicht außergewöhnlich. Heidelberg und vor allem Ladenburg sind archäologische Schwerpunkte.

Die gefundenen Objekte werden nun gereinigt, mit Chemikalien behandelt, um die Korrosion zu verlangsamen, und dem Land übergeben. Bis Ende August haben die Archäologen noch Zeit, weitere Relikte zu finden. Dann wird der Rohrlagerplatz gebaut. Die Verantwortlichen hoffen jedoch, dass sie noch zwei Wochen länger Zeit bekommen, um noch mehr über die Vergangenheit zu erfahren.

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