Es schwingt eine gehörige Portion Wehmut mit, wenn Volker von Offenberg vom Ende der 130-jährigen Braugeschichte im Stadtteil Bergheim spricht. Vor 15 Jahren zog die "Heidelberger Brauerei" von dort in ihr neues Gebäude im Pfaffengrund. "Damals sind viele Schätze verloren gegangen", sagt er rückblickend. Ob alte Werbeplakate, Flaschenetiketten oder Firmenunterlagen - von Offenberg vermutet, dass einige Sammlerstücke unbemerkt in Mülltonnen gelandet sind.
Verbunden ist diese Tradition vor allem mit der im 18. Jahrhundert im "Güldenen Schaf" in der Hauptstraße 115 gegründeten Brauerei, die 1878 aus der Enge der Altstadt in die Bergheimer Straße 91 umzog. Im Laufe ihrer Geschichte wurde sie unter anderem in "Heidelberger Aktienbrauerei", "Schlossquell-Brauerei Kleinlein" - weil das Brauwasser durch eine sechs Kilometer lange Leitung unter der Stadt vom Schloss herbeigebracht wurde -, "Heidelberger Schlossquell-Brauerei" und schließlich "Heidelberger Brauerei" umbenannt.
Vier Betriebe auf engem Raum
Zeitweise waren in der Bergheimer Straße vier Brauereien angesiedelt: "Denner" nahe des Bismarckplatzes schloss Ende des 19. Jahrhunderts, "Zieglerbräu" gegenüber und "Schroedlbräu" an der Ecke Bergheimer Straße 117/Kirchstraße wurden durch den Ersten Weltkrieg so stark geschwächt, dass sie 1919 von der "Heidelberger Aktienbrauerei" gekauft wurden. Der Betrieb wurde eingestellt, von "Zieglerbräu" blieb das Ausschanklokal erhalten: "Ein riesiger Saal, größer als heute. Er erinnerte an bayerische Verhältnisse", sagt von Offenberg.
Der Geschichts- und Deutschlehrer am Mannheimer Karl-Friedrich-Gymnasium untersuchte als Erster umfangreich die lokale Braugeschichte: Auf einem Flohmarkt entdeckte er eine Glasflasche mit der Aufschrift "Schroedlbräu" - und machte sich auf Spurensuche. Seine mühsame Forschungsarbeit gipfelte in dem Buch "Prost Heidelberg" zur Historie der Brauereien und Bierlokale in der Universitätsstadt.
Von Offenberg ist ein Kind der Weststadt, das mit den Veränderungen dort und im benachbarten Bergheim aufgewachsen ist: mit dem Duft der Brezelfabrik Lulay, der malzigen Note der "Schlossquell-Brauerei" und dem Chlorgeruch des Hallenbades. "Das gehörte dazu", sagt der 63-Jährige. Es habe zwar Beschwerden von Nachbarn gegeben, doch diese hätten gewusst, auf was sie sich einließen. Entscheidend für den Umzug der Brauerei sei das nicht gewesen. Von Offenberg ist sich sicher: "Der Weggang aus Bergheim war nicht nötig." Die Anlagen funktionierten und es gäbe genügend Beispiele von Brauereien, die bis heute in Stadtzentren geblieben seien.
Der Grund für das dortige Ende sei vielmehr gewesen, dass die "Schlossquell-Brauerei" über Jahrzehnte "zur Verfügungsmasse auswärtiger Konzerne" geworden war, meint von Offenberg. Mit der Übernahme 1967/68 durch die Berliner "Schultheiss-Brauerei" und die parallele Schließung von "Engelbräu" in der Hauptstraße gab es keine selbstständige Heidelberger Brauerei mehr. "Schlossquell" wurde in der Folge immer wieder weiterverkauft.
Nachdem Mitte der 1990er Jahre die Mitarbeiterzahl drastisch reduziert worden war, kam 1999 das Aus in Bergheim. Viele Gebäude wurden abgerissen, ein Teil zu einem Hotel umgebaut und durch Neubauten ergänzt. Auf dem übrigen Gelände entstanden Wohnungen.
Einzelne Fassaden sind erhalten geblieben und vermitteln mit der weiter bestehenden Brauwirtschaft einen Eindruck von der Historie. "Hier sind die Bierausfahrer nach Feierabend eingekehrt", erfuhr von Offenberg von früheren Mitarbeitern. Inzwischen gibt es dank Hausbrauereien - "Vetters Alt-Heidelberger Brauhaus", "Kulturbrauerei" und "Brauerei zum Klosterhof" in Ziegelhausen - wieder eine Vielfalt, die es zuletzt vor hundert Jahren gab.
Ende des Traditionsstandorts
"Es hat das Herzblut gefehlt", so umschreibt von Offenberg, weshalb aus seiner Sicht der Traditionsstandort in der Bergheimer Straße vor 15 Jahren aufgegeben wurde. Den auswärtigen Konzernen habe wenig an der Historie gelegen. Zudem sei es wohl auch lukrativer gewesen, das gut gelegene Grundstück anderweitig zu nutzen.
Und auch die Heidelberger selbst haben ein gespaltenes Verhältnis zu ihrem Bier: "Ich habe von vielen gehört, dass sie das Schlossquell gar nicht so lecker fanden", sagt von Offenberg. Unter den Bürgern kursierten sogar scherzhafte Reime über die Qualität. Der 63-Jährige selbst hat nur wenige Erinnerungen - und ist sich dennoch sicher: "Das Heidelberger Bier schmeckt mir heutzutage deutlich besser."
Brauereigeschichte
1816 gab es in der Stadt 38 Brauereien. Die heutige "Heidelberger Brauerei" nahm ihren Anfang im 18. Jahrhundert im "Güldenen Schaf" in der Hauptstraße 115.
1878 entfloh sie der Enge der Altstadt und siedelte sich in der Bergheimer Straße 91 an.
Nach dem Ersten Weltkrieg konnten sich nur zwei Brauereien halten: "Engelbräu" im Quartier Hauptstraße/Ziegelgasse schloss 1967, die "Heidelberger Schlossquell-Brauerei", die aus dem "Güldenen Schaf" hervorgegangen war, wurde zeitgleich von "Schultheiss" aufgekauft.
1999 erfolgte der Umzug der "Heidelberger Brauerei", wie sie sich nun nannte, von der Bergheimer Straße in den Pfaffengrund. Direktor ist Michael Mack, der im Haus vor mehr als 40 Jahren als Lehrling begonnen hatte.
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