Heidelberg. Auto um Auto rollt an diesem Nachmittag die steile Zufahrtsstraße zum Bürgerhaus im Emmertsgrund hinunter. Die Besucher kommen aber nicht wegen der grandiosen Aussicht in Heidelbergs südlichsten Stadtteil, sondern weil sie dort den Inhalt ihrer vollgepackten Fahrzeuge loswerden wollen.
Im Akkord laden vor der Eingangstür überwiegend männliche Helfer in orangenen Westen Kisten und Tüten mit Büchern, Geschirr oder Schallplatten aus und tragen sie in das Foyer. Dort sind es meist Frauen, die die gespendeten Waren in Körbe sortieren und auf Tischen verteilen. Viele sind Mitglieder des Deutsch-Amerikanischen Frauenclubs, und alle bereiten den jährlichen Pfennigbasar vor, der ab morgen stattfinden soll.
Seit mehr als 50 Jahren im Fokus
"Das ist ein Mittelpunkt unserer Arbeit", beschreibt Vorstandsmitglied Andrea Faylor. Obwohl es gerade sehr geschäftig zugeht, finden sie und Susanne Dolan, die mit einem zwölfköpfigen Team alles organisiert, Zeit für ein kurzes Gespräch. "Den Basar gibt es seit über 50 Jahren. Da beteiligen sich fast alle", freut sich Barbara Faylor. Die Erlöse, die sie im Oktober überreichen wollen, gehen an soziale Einrichtungen, im vergangenen Jahr zum Beispiel das interkulturelle Frauencafé oder den Kinderschutzbund. "Unsere Empfänger sind durch ihre Arbeit die eigentlichen Helden", betont Susanne Dolan.
Jetzt im Bürgerhaus, das als Mehrzweckhalle sonst unter anderem für Konzerte genutzt und vom Verein gemietet wird, heißt es Ordnung schaffen. Da es ein separates Lager nicht gibt, richten die Frauen ihre etwa 20 Verkaufsstände an zwei Sammeltagen direkt ein. "Unsere Helferinnen sind freiwillig hier und manche sogar schon über 80", zollt Susanne Dolan Respekt. Unterstützung erhalten sie von der Jugendfeuerwehr aus Pfaffengrund und einer Handvoll Studenten, die sich etwas dazuverdienen wollen. Wie Stephan Franz, der den Basar bisher nur als Kunde kennt. "Wir kriegen auch belegte Brötchen, die sind mit Liebe gemacht", ergänzt er.
Die Fülle des Angebots erschließt sich den Augen nur langsam. Vor allem die Abteilung mit Büchern, Schallplatten, CDs und Filmen lohnt einen genauen Blick. Musik von Tschaikowsky bis zum Jazzsänger Gregory Porter findet sich dort ebenso wie Reiseführer und Romane. Gleich nebenan verkünden Hasen aus Holz und Stoff das nahende Osterfest. Gleich mehrere Meter nimmt ein Stand mit Haushaltswaren ein. Kleidung und Textilien sucht man allerdings vergebens. "Das nehmen wir erst im nächsten Jahr wieder", verrät Andrea Faylor. Auf der Bühne gibt es noch eine separate Kinderabteilung mit Spielen, Bilderbüchern und Kassettenkoffern.
Was übrig bleibt, erhalten die städtischen Heidelberger Dienste, die es wiederum für Bedürftige verkaufen. Sehr viel dürfte das aber nicht sein, denn der Andrang sei stets groß. "Die Leuten stehen schon eine Stunde vor Beginn Schlange", erinnert sich Andrea Faylor, die jetzt wieder zu ihrer eigentlichen Arbeit zurück muss und sich lachend entschuldigt. hhf
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