Jubiläum

Vom Ackergaul zum Rennpferd: 100 Jahre Reiterverein Heddesheim

Pferdezucht-, Reit- und Rennverein Heddesheim feiert sein 100-jähriges Bestehen. Ein großes Jubiläumsturnier am Wochenende auf dem neuen Turnierplatz und ein Festakt sind Teil der Feierlichkeiten

Von 
Martin Tangl
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Bis 1963 hatten die Pferderennen des Reitervereins, ob Galopper oder Traber mit Sulky (Bild), Volksfestcharakter in Heddesheim. © Reiterverein

Heddesheim. Gerade noch rechtzeitig ist der neue Turnierplatz fertig geworden. So kann der Pferdezucht-, Reit- und Rennverein Heddesheim an diesem Wochenende sein großes Spring- und Dressur-Turnier auf seiner Anlage starten. Höhepunkt ist am Sonntag um 15 Uhr der „Große Preis von Heddesheim“, ein Springen der anspruchsvollen Klasse M. Dafür hat die Gemeinde ein Preisgeld von 1000 Euro gestiftet. Mit dem Turnier blickt der Verein auf seine 100-jährige, wechselvolle Geschichte zurück.

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Es war das Jahr 1924, als sich Heddesheimer Bauern entschlossen, zur Zucht von Warmblut- und Kaltblutpferden einen Verein zu gründen. Roland Kern, Vorsitzender im Jubiläumsjahr zum 75., hat dies in einer ausführlichen Chronik beschrieben. „Um aus Fohlen gute Gebrauchspferde zu ziehen, mussten und sollten sie Weidegang haben“, wird Gründungsmitglied Philipp Gassner zitiert. Und solche Flächen gab es damals rund um Heddesheim nur wenig, „eine Rosskoppel lag nur knapp über der Brache“, heißt es in der Chronik. Für die Züchter stellte sich außerdem die Frage: Ackergaul oder Sportpferd? Für beides brauchten die Bauern Platz.

„Ereignisreiche“ Sitzung bei der Gründung im Gasthaus „Zur Krone“

Zunächst hatten die Initiatoren unter dem Vorsitz von Gustav Moos ein Gelände am Großsachsener Weg im Visier. Doch der Bürgermeister, der damals auch Moos hieß, hatte das Grundstück langfristig an die Baumschule Fleckenstein verpachtet. Im Januar 1924 wurde dann „in einer ereignisreichen Sitzung“ im Gasthaus „Zur Krone“ der Pferdezuchtverein Heddesheim gegründet. Erster Vorsitzender wurde Dr. Rolli, sein Stellvertreter Michael Kemmet.

Gelände wurde schließlich auf den Stockwiesen und Kuhweidewiesen zwischen Heddesheim und dem heutigen Industriegebiet gefunden. Die Betreuung der Fohlen übernahm „der bis heute unvergessene Altkirchendiener Valentin Schubach“, wie Roland Kern berichtet. 1927 kam zum Koppelgelände ein Stall. In den Sommermonaten tummelten sich auf dem Areal täglich etwa 25 Fohlen.

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Wie sich der heutige Vorsitzende Gerhard Berger erinnert, löste jedoch zu dieser Zeit der Bulldog die Pferde der Bauern ab. Der Glühkopfmotor des legendären Schleppers wurde ab etwa 1918 beim Mannheimer Landmaschinenhersteller Lanz in Mannheim vom Ingenieur Fritz Huber entwickelt. 1921 wurde der erste Bulldog produziert, 1956 übernahm die US-Firma John Deere das traditionsreiche Unternehmen.

Ohne die Ackergäule entwickelte sich in Heddesheim schnell eine Rennpferdszene. Die Wiesen zwischen der Gemeinde und Leutershausen waren groß genug, so dass hier bedeutende Pferderennen ausgerichtet werden konnten, die bald in der Region und in ganz Süddeutschland über ein großes Renommee verfügten. Die ersten Rennen gingen 1925 auf 450 Metern über die Koppeln, beschreibt Roland Kern die Strecke. Gerhard Berger ergänzt, dass besonders die verschworene Gemeinschaft der Heddesheimer Reiter zu großen Erfolgen geführt habe. Meist war der Ostermontag der große Renntag, im Sattel saßen später erfolgreiche Springreiter wie Fritz Kippenhan und Fritz Fath.

Heddesheimer Rennbahn genießt weithin großes Ansehen

Bis in die 1960er Jahre war Heddesheim für seine „herausragenden Rennsportveranstaltungen“ bekannt. So schrieb der „Mannheimer Morgen“ 1963: „Die Heddesheimer Rennbahn wird von Fachleuten als eine der besten in ganz Baden geschätzt. Sie ist in ihrer ganzen Länge hindernisfrei einzusehen und besitzt eine hervorragende Grasnarbe. Eine Tatsache, die nicht zuletzt dem rührigen Heddesheimer Reit- und Rennverein zuzuschreiben ist.“ „Die Galopp- und Trabrennen hatten damals wahren Volksfestcharakter“, schreibt Kern. Doch der Verein orientierte sich bereits in den 1950er Jahren immer stärker am Turniersport. 1954 verzeichnet die Chronik das erste Reitturnier an der Leutershausener Straße. Diese Wettkämpfe lösten schließlich 1963 endgültig die beliebten Pferderennen ab.

Neben den Wiesen und Reitplätzen hatte sich in den 1960er Jahren eine Reitanlage auf der Fohlenweide in Heddesheim als Vereinssitz und Trainingsgelände entwickelt. Doch die Gemeinde hatte mit dem Areal andere Ziele, die Reiter mussten dem Neubau einer Grundschule, der heutigen Karl-Drais-Schule, weichen. Das sorgte damals für einigen Unmut im Verein, wie sich ältere Mitglieder erinnern. Doch am neuen Standort an der Muckensturmer Straße eröffneten sich neue Möglichkeiten für moderne Ansprüche, für Freizeit und Sport.

„Zwischenzeitlich wurden nacheinander alle Reitplätze saniert, um optimale Bedingungen für Pferde und Reiter zu schaffen“, betont Berger. Auch die Boxen wurden erweitert, so dass zwei Drittel externen Pferden und ihren Besitzern angeboten werden können. Eine wichtige Investition war zuletzt der neue, fußballfeldgroße Turnierplatz mit speziellem Sand (wir berichteten).

Beregnung und Flutlicht kommen zum Einsatz

Für die Finanzierung des Projekts mit 160 000 Euro gibt es Fördergelder des Badischen Sportbunds und der Gemeinde Heddesheim von jeweils 30 000 Euro. „Die Beregnung wird noch installiert, auch das neue Flutlicht kommt zum Einsatz. Bis Donnerstag ist alles fertig“, ist Berger zuversichtlich. Denn dann starten die ersten Trainingsrunden für das Jubiläumsturnier vom 5. bis 7. Juli. Am Sonntag um 13 Uhr feiert der Pferdezucht-, Reit- und Rennverein Heddesheim seine 100-jährige Geschichte mit einem Festakt.

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