Statistik und Realität lassen sich manchmal schwer auf einen Nenner bringen. Für das Thema Kinderbetreuung gilt das allemal. Beispiel: Rein statistisch kamen in Heddesheim zum Stichtag 1. März 2019 100 Betreuungsplätze auf 100 Kinder der Altersgruppe 3 bis 6 Jahre. Das ergibt sich aus den Zahlen, die der Landkreis bei seinen Kommunen erhebt. In der Realität können dennoch Elternwünsche unerfüllt bleiben: nach einem Ganztagsplatz, dem Platz im Wunschkindergarten oder nach einem bestimmten Einstiegstermin.
„Unser Sohn wird im Juni drei Jahre alt. Bereits im letzten Jahr haben wir den Bedarf einer Ganztagsbetreuung angemeldet“, schrieb im vergangenen Mai eine Mutter aus Heddesheim in einer Facebook-Gruppe. „Nun wurde uns von der Gemeinde mitgeteilt, dass unser Sohn erst ab September und dann auch nur einen Halbtagesplatz bekommen wird“, klagte sie ihr Leid und beriet sich mit anderen Eltern. Schließlich zog sie einen Anwalt hinzu und bekam dann doch noch einen Ganztagsplatz. Zwar nicht ab Juli, aber ab September. „Das löst zwar mein persönliches Problem, ändert aber nichts an der generellen Thematik“, bilanzierte die 42-Jährige seinerzeit im Gespräch mit dem „MM“.
Eltern mussten warten
Tatsächlich sei es in den vergangenen Jahren „immer mal wieder“ vorgekommen, dass Kinder, die im Sommer drei Jahre alt wurden, bis September – also bis zum neuen Kindergartenjahr – auf den gewünschten Platz warten mussten, erklärt Hauptamtsleiter Julien Christof auf „MM“-Nachfrage.
Dies sei beispielsweise 2019 der Fall gewesen. Hinzugekommen sei, dass im September, als die Schulanfänger die Kindergärten verlassen haben, zunächst nicht genügend Ganztagsplätze frei wurden – wohl aber solche mit verlängerten Öffnungszeiten. „Diese Eltern haben die Plätze für ihre Kinder jetzt im Januar auf ganztags aufgestockt, nachdem der Erweiterungsbau im kommunalen Kindergarten fertig war“, informiert Christof.
In die Erweiterung ihrer Einrichtung in der Rheinstraße hat die Gemeinde etwas mehr als eine Million Euro investiert. Insgesamt verfügt Heddesheim damit seit Januar über 411 Kindergartenplätze – bei derzeit knapp 350 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren. Das entspricht einer Versorgungsquote von rund 118 Prozent. Mit dem Ausbau um 45 Plätze hat die Gemeinde also einen deutlichen Sprung nach vorn gemacht. Aber reicht das auch, wenn sie weiter wächst? Voraussichtlich Ende 2021 könnten im zweiten Bauabschnitt von Mitten im Feld schließlich die ersten Häuser stehen.
„Das zu bemessen ist schwierig“, stellte Bürgermeister Michael Kessler zu dieser Frage im „MM“-Jahresinterview fest: „Mit einem Neubaugebiet gibt es zunächst immer einen höheren Bedarf, der aber ein paar Jahre später wieder sinkt.“ Deshalb wolle die Gemeinde die Platzsituation im Auge behalten – und bei Bedarf nachsteuern.
63 Plätze für 100 Kinder
Das gilt natürlich nicht nur bei den Kindergärten, sondern auch bei den Angeboten für Unter-Dreijährige. Aktuell gibt es für diese Altersgruppe 60 Plätze (ganztags: 40) in drei Betreuungseinrichtungen und rund 80 bei Tagesmüttern, wie das Rathaus informiert. Weitere zwölf Plätze, die allerdings nicht in die Bedarfsplanung einfließen, stehen bei einer privaten Elterninitiative zur Verfügung, dem „Miniclub“.
Rein rechnerisch kamen in Heddesheim laut einer Erhebung des Rhein-Neckar-Kreises etwa 35 Betreuungsplätze auf 100 Kleinkinder. Legt man nur die Zahl der Ein- bis Dreijährigen zugrunde, für die der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz uneingeschränkt gilt, kommt die Gemeinde aktuell auf etwa 63 Plätze für 100 Kinder.
Zum 1. Januar waren laut Verwaltung in den Krippen und Kitas noch acht Plätze frei, sieben davon ganztags. „Der Rechtsanspruch kann erfüllt werden, da in der Kinderkrippe des Postillion in den kommenden Monaten weiterhin Plätze frei sind“, schreibt die Gemeinde. Ob es darüber hinaus bei den Tagesmüttern noch Kapazitäten gibt, ist im Rathaus nicht bekannt.
Tagesmütter stark nachgefragt
Für viele Eltern hat es durchaus Vorteile, ihr Kind in die Obhut von Tagesmutter oder -vater zu geben. Denn häufig kann die Betreuungszeit hier flexibler geregelt werden als in einer Kita. Manche Tagesmütter bieten ihre Dienste sogar bis in die späten Abendstunden, über Nacht oder am Wochenende an. Und dank Förderung durch Kreis und Gemeinde ist die Kindertagespflege für Eltern auch finanziell attraktiv.
Einen Platz zu ergattern, ist deshalb für Eltern nicht einfach, wie Tagesmütter aus Heddesheim bei einer kleinen Stichprobe bestätigen: „Ich habe mehr Anfragen, als ich annehmen kann“, sagt eine, „ausgebucht bis 2021“ sind andere. Dass die Nachfrage das Angebot übersteigt, heißt es überall. „Aber das ist kein lokales oder regionales Problem“, zeigt sich eine der Anbieterinnen überzeugt: „Das gibt es leider deutschlandweit.“
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