Klimaschutz (mit Video)

Wärme aus Heddesheims Biogasanlage hilft auch gegen Putin

Mit der Abwärme einer Biogasanlage soll ab Ende des Jahres das komplette Sportzentrum von Heddesheim beheizt werden. Diesem Beispiel sollten viele Gemeinden folgen, findet der zuständige Staatssekretär

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Hans-Jürgen Emmerich
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Staatssekretär Baumann (r.) und Landwirt Jürgen Schaaff werfen einen Blick in den Gärbehälter der Biogasanlage. © Emmerich

Heddesheim. Nicht ganz fünf Monate haben die Arbeiter noch Zeit, dann muss Wärme durch das knapp drei Kilometer lange Netz in Heddesheim fließen. Ein sportliches Ziel, wie es immer wieder heißt, doch die Beteiligten sind zuversichtlich, dass es erreicht wird. Wenn nicht, dann wären rund 1,6 Millionen Fördermittel von Land und Europäischer Union in Gefahr.

Es ist ein Leuchtturmprojekt, das Bürgermeister Achim Weitz von seinem Vorgänger Michael Kessler geerbt hat, wie der Neue gerne einräumt. Trotzdem ist die Freude auch bei Weitz groß. Stolz stellt er das Projekt am Freitag Staatssekretär André Baumann (Grüne) aus dem Landesministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft vor. „Ich bin begeistert“, schwärmt Baumann während der Begehung: „Hier sehen wir die neue Energiewelt.“

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Heddesheimer "Leuchtturmprojekt" begeistert Staatssekretär André Baumann

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Und so sieht sie aus: Am Hallenbad entsteht gerade eine neue Wärmezentrale. Hier kommt die warme Flüssigkeit an, die in der Biogasanlage auf einem Aussiedlerhof als Abfallprodukt bei der Stromproduktion anfällt. Sie soll in einem ersten Schritt dazu dienen, sieben kommunale Liegenschaften im Sportzentrum zu beheizen, darunter das Hallenbad. „Das ist unser größter Verbraucher“, wie Bürgermeister Weitz dazu erläutert. Jährlich 2,8 Millionen Kilowattstunden Wärme werden nach Angaben des Fachplaners Jochen Ohl vom Viernheimer Büro 3P-Energie geliefert, das entspreche bis zu 250 000 Kubikmeter Gas. Zwischen 70 und 85 Prozent des Bedarfs könnten auf diese Weise gedeckt werden. Wenn die Wärme aus der Biogasanlage einmal nicht reicht, wird ein Gaskessel hinzugeschaltet, um die Spitzenlast abzudecken.

Als sich der Gemeinderat 2019 erstmals mit dem Projekt befasste, stand die Reduktion des Klimakillers CO2 im Mittelpunkt. Das Thema sei nach wie vor akut, sagt Ohl. Heute werden die Anlage aber auch zu einem wichtigen Beitrag auf dem Weg zur Unabhängigkeit von russischem Gas.

Nahwärmenetz in Heddesheim

  • Insgesamt investiert die Gemeinde Heddesheim rund drei Millionen Euro.
  • 1,65 Millionen Euro sind als Fördermittel von Land und Europäischer Union zugesagt.
  • 1,2 Kilometer lang ist die Leitung, die die Wärme von der Biogasanlage ins Sportzentrum bringt, weitere 750 Meter Rohre werden dort als Netz zu den Liegenschaften verlegt.
  • Allein die Wärmeleitungen schlagen mit Kosten von rund zwei Millionen Euro zu Buche.
  • Technische Ausstattung, Wärmezentrale und Hausanschlüsse kommen auf rund 500 000 Euro. hje

Rund drei Millionen Euro fließen in das Nahwärmenetz, davon erhält die Gemeinde 1,65 Millionen als Zuschuss. Den Rest muss sie selbst finanzieren. Eine Investition, die sich auch wirtschaftlich schnell rechnen könnte. Denn als die Anlage konzipiert wurde, ging man noch von Produktionskosten in Höhe von 90 Euro pro Megawattstunde aus. Durch die Förderung wurde er auf 50 Euro reduziert und lag damit nur knapp über den Kosten bei der Verbrennung von Erdgas (45 Euro). Nach der jüngsten Entwicklung um Putins Krieg gegen die Ukraine steigt der Preis für private Haushalte laut Ohl auf jetzt bereits 250 Euro. Eine Teuerung, über die Heddesheim nun deutlich weniger besorgt sein muss.

Staatssekretär Dr. André Baumann (l.) und Bürgermeister Achim Weitz in der Biogasanlage. © Hans-Jürgen Emmerich

Wo die neue Wärme herkommt, will sich der Staatssekretär ebenfalls anschauen. In der Biogasanlage lässt er sich die Einzelheiten von Landwirt Jürgen Schaaff erklären, der die Investition 2011 mit zwei Kollegen gewagt und seitdem nicht bereut hat. Die Energieproduktion sei für die drei Vollerwerbslandwirte ein weiteres Standbein, sagt er. 90 Prozent dessen, was in die Anlage fließt, kommt aus eigenem Anbau, vor allem Mais- und Grassilage. Das Riesenweizengras Szarvasi, das als Energiepflanze gepriesen wird, habe leider nicht so funktioniert wie erwartet, berichtet Schaaff. Wie es mit Silphie steht, einer gelb blühenden Blume als Energiepflanze, will der Staatssekretär wissen. „Im vergangenen Jahr ging es“, antwortet Schaaff, in diesem Jahr sei es allerdings „miserabel“. Ein Grund dafür ist wohl die Trockenheit, wie er auf Nachfrage von Weitz bestätigt.

Durch diese Rohre fließt künftig die Wärme aus der Biogasanlage ins Sportzentrum der Gemeinde Heddesheim. © Hans-Jürgen Emmerich

Trotzdem lassen sich Schaaff und seine Kollegen nicht entmutigen. „Wir denken, dass das zukunftsorientiert ist“, kommentiert der Biogaserzeuger die Kooperation mit der Gemeinde. Dem Gast aus Stuttgart trägt er auch noch ein Anliegen vor. Bislang sei es ihm nicht erlaubt, beispielsweise aussortierte Karotten zu verwerten, weil die rechtlich als Abfall gelten. Eine gesetzliche Regelung, die geändert werden solle, wie Baumann andeutet.

„Ich bin sehr begeistert, dass Heddesheim hier die Wärmeversorgung vorbildlich organisiert“, lobt der Staatssekretär im Gespräch mit dieser Redaktion. „So wie Heddesheim müsstenes viele Gemeinden in ganz Deutschland auch machen,“, ergänzt Baumann. Er sei sehr dankbar dafür, dass Heddesheim hier zeige, dass es geht und wie es geht: „Das wird die Zukunft sein, auch für Baden-Württemberg.“

Redaktion Aus Leidenschaft Lokalredakteur seit 1990, beim Mannheimer Morgen seit 2000.

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