Dass auch der Modellbau in der virtuellen Welt angekommen ist, beweist Michael Kozak eindrucksvoll: Der 82-jährige Heddesheimer hat in seinem beruflichen Ruhestand bereits 340 dreidimensionale Modellsätze gebaut. Etliche davon sind echte Hits im Internetshop eines Fachverlags. Einer von Kozaks größten Rennern ist der „Warsteiner Bierzug“: Allein davon hat er mehr als 100 Exemplare an gleichgesinnte Fans von Eisenbahnsimulationen für den PC verkauft.
Es sind alles akribische Fleißarbeiter wie der frühere Ingenieur selbst. In unzähligen Stunden konstruiert Kozak am heimischen Computer Loks und Waggons, ja sogar ganze Bahnhöfe und Strecken detailgetreu. „Man bleibt geistig fit und es macht Spaß“, sagt Kozak, als ihm der „MM“-Reporter im gemütlich warmen Kellerraum seines Hauses in Heddesheim über die Schulter schauen darf.
Seine Begeisterung für dieses Hobby und Computer ist groß: An nicht weniger als sechs Tagen der Woche sitzt er von morgens nach dem Frühstück bis spätabends hier unten. Immerhin gönnt er sich und seiner Familie mit zwei Töchtern, vier Enkelsöhnen und zwei Urenkeln, die jedoch beide mit den Eltern in den USA leben, einen freien Sonntag. Außerdem gibt’s eine tägliche Mittagspause: „Nach dem Essen mit meiner Frau spüle ich noch das Geschirr, aber dann geht’s weiter bis kurz vor Mitternacht“, erzählt Kozak schmunzelnd – und ist der Gattin dankbar für ihr Verständnis.
Bis zu 20 Kilometer lang
Doch schon schwärmt er wieder von der Bahnsimulation: „Man kann je nach Rechnerleistung Riesenanlagen bauen und auf dem Bildschirm laufen lassen, die ohne Weiteres bis zu 20 Kilometer lang sind.“ Zum Beweis startet Kozak den Frankfurter Bahnhofsbetrieb, den ein Kollege einschließlich Skyline gebaut und so programmiert hat, dass alle Züge nach dem „echten“ Fahrplan ein- und ausfahren. Es gibt sogar eine Lokführerperspektive.
Zu Kozaks eigenen Paradestücken zählt unter anderem der Mannheimer Hauptbahnhof. „Die Anlage ist sechs auf zwei Kilometer groß und ermöglicht Fahrbetrieb“, erklärt er. Zig Fotos, viel Datenrecherche und Rechenarbeit waren auch fürs Mannheimer Schloss nötig, um das Konstruktionsprogramm „Nostruktor“ füttern zu können. Auch will jeder Pixel der aus 512 mal 512 Bildpunkten bestehenden Oberflächentextur eines 3D-Modells mit dem Taschenrechner kalkuliert und von Hand in die Programmmaske eingetragen sein.
„200 Arbeitsstunden brauche ich durchschnittlich für ein Modell, aber ohne das vorherige Sammeln von Unterlagen bei Herstellerfirmen und Bahnunternehmen“, sagt Kozak. Der Lohn ist spärlich: Er bekommt nur 40 Prozent des Verkaufspreises von durchschnittlich je vier Euro. Doch handelt es sich ja um ein Hobby von emotionalem Wert: Seit der Modellbahn aus Kindertagen, eine auf der Kriegsflucht verlorengegangene Erinnerung an seinen früh verstorbenen Vater, hatte er die Eisenbahn im Kopf.
Nach dem Berufsleben fiel ihm durch Zufall ein Computerprogramm in die Hände, das es erlaubt, Anlagen naturgetreu nachzustellen. Kozak fing sofort Feuer. Beim anfänglichen Versuch, ein Gleisbildstellwerk zu programmieren, kam er rasch mit Fachleuten der Szene in Kontakt. Heute gehört Kozak zu den Erfolgreichsten unter rund 3000 Konstrukteuren in seinem Netzwerk. Inzwischen füllen Kozaks Modelle 24 Internetseiten des Trend-Fachverlags für Simulationen mit dem Programm Eisenbahn.Exe.Professional, kurz EEP: Rheinbrücken, Unterführungen, Gleisrampen, Gebäude, Bahnsteige und Züge von ihm sind erhältlich.
Als er zu seinem 80. Geburtstag 50 Prozent Rabatt gewährte, gingen in wenigen Tagen 1500 Modelle weg. Über diesen Coup freut er sich bis heute. Kozaks jüngstes vielversprechendes Werk: ein Nachbau des modernen elfteiligen Gliederzugs „Giruno“ der Schweizerischen Staatsbahnen, der bald im wirklichen Leben durch den Brennerbasistunnel bis Frankfurt fahren soll und dann auch als Modell an Attraktivität gewinnen wird.
Angesichts seines Modells vom Stuttgarter Hauptbahnhof nach der Meinung zum umstrittenen Megavorhaben „S21“ befragt, sagt Kozak: „Der Umbau vom Kopf- zum unterirdischen Durchgangsbahnhof ist ein Fehler, weil acht Gleise zu wenig sind.“ Sich Dinge von Grund auf selbst zu erarbeiten und es trotz einer Sehbehinderung weit zu bringen, zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Kozak. Sogar als ehrenamtlicher Funktionär wirkte der einstige Betriebssportler erfolgreich: Er war vom Staffelleiter zum Präsident des nordbadischen Volleyballverbands aufgestiegen und ist seit längerem Ehrenmitglied.
Leben und Beruf
Im schlesischen Breslau 1937 geboren, wird Michael Kozak als Achtjähriger mit seiner Familie infolge des Kriegs aus der Heimat vertrieben.
Aufgrund familiärer Wurzeln seiner Mutter kommt er nach Mannheim.
Weil sein Vater früh starb, musste er das Gymnasium verlassen und eine Ausbildung beginnen.
Kurz vor der Maschinenschlosserprüfung verliert er durch einen unverschuldeten Arbeitsunfall ein Auge.
Er besteht trotzdem, wechselt ins technische Büro, bildet sich mit Fernkursen weiter, besucht abends die Technikerschule in C6 und bringt es bald zum Konstruktionsleiter.
In der Oberbauleitung der heutigen MVV ist er bis zur Rente für Fernwärmenetz und Projektierung von Großwasserleitungen zuständig. pj
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