Heddesheim. „Halleluja et elohim chayim! Lobt den lebendigen Gott!“ So erklingen zahlreiche Stimmen am Samstagabend gemeinsam und lautstark durch die evangelische Kirche in Heddesheim zum Finale der Premiere des Kinder-Musicals „Ratzeputz“. Zuvor hat das hintergründige und lustige Musikstück über Daniel und das Geheimnis des gefräßigen Gottes das Publikum begeistert – und immer wieder zu Szenenapplaus animiert. „Fantastisch, das gibt mir wieder Hoffnung für unsere Jugend“, reagiert eine Zuhörerin regelrecht empathisch auf dem Nachhauseweg.
Rauch wabert über die Bühne. Die Geschichte, zu der Pfarrer Dierk Rafflewski das Drehbuch in einem passend zeitnahen Text geschrieben hat, spielt zu Zeiten des Alten Testaments. Der fromme Jude Daniel lebt mit seinen Freunden nach der Verschleppung im babylonischen Exil und dient den dortigen Königen aufgrund seiner Klugheit als Berater. Doch vor dem Götzenbild des Bel entzündet sich ein Streit um die Macht des tönernen Standbilds im Vergleich zum lebendigen Gott der Juden. Schon der Prophet Jer hatte damals gegen handgefertigte Götzenbilder polemisiert: „Sie sind wie Vogelscheuchen im Gurkenfeld!“
Aber die schwarz gekleideten Priester singen: „O wie fabelhaft bis Du, Bel zu Babel!“ Der Götze verspricht denn auch Lösungen für den Menschen: „Flattert Deine Herzfrequenz, leidest Du an Flatulenz. Fühlst Du Dich nicht attraktiv, sitzen Deine Zähne schief, hast Du Pickel im Gesicht, schämst Du Dich für Dein Gewicht?“ Dierk Rafflewski, der auch Regie führt, trifft mit seinem Text den Ton und die Probleme der jungen Leute, denn Bel setzt auf „supercool und sorgenfrei“.
Der Perserkönig glaubt nur, was er sehen kann
Doch Daniel und seine Freunde fallen vor dem Götzenbild, wie von den Priestern gefordert, nicht auf die Knie, denn ihr Gott ist nicht aus Holz und Lehm gemacht. Der Titelheld, gekonnt gespielt und gesungen vom zwölfjährigen Paul Marquet, stellt fest: „Du kannst Gott nicht sehen, er ist überall im Himmel, auf der Erde, in den Herzen!“
Doch Perserkönig Kyros, den Louisa Peters (13) als stimmlichen Gegenpart sehr gut verkörpert, glaubt halt nur, was er sehen kann. Also kommt es zu einer Wette: „Was kann denn Euer Bel, was mein Gott nicht kann?“, fragt Daniel. Die Priester singen; „Er kann essen, essen, essen. Er kann trinken, trinken, trinken!“ „Ein richtiger Ratzeputz“, lästert Daniel und wettet bei seinem Leben, dass Bel weder essen noch trinken kann. Er solle doch lieber die Klappe halten, raten ihm seine Freunde. Sie fürchten um das Leben ihres Anführers. Doch der junge Jude lässt sich nicht beirren und singt: „Immer musst Du die Wahrheit sagen, auch alles dafür wagen – und Dich vor keinem anderen beugen!“
Ein Höhepunkt des Musicals, jetzt werden die Speisen und Getränke hereingetragen, symbolisch auf großen Tafeln abgebildet: Schampus, Sekt und Kaviar, Trüffel, Hummer, Lachstatar. Fritten, Burger, Chips & Co, Pizza, Döner sowieso. Durch einen Trick mit Mehlstaub entlarvt Daniel schließlich die priesterlichen Betrüger, die in der Nacht hinter dem Götzenbild des Bel eine Fress- und Sauforgie feiern – und so all die Köstlichkeiten verspeisen. Akustisch wirkungsvoll in Szene gesetzt.
Der König jedoch registriert zuerst: „Ratzeputz verputzt sind alle Gaben! Das schafft nur ein großer Gott wie Bel!“ Doch die Fußspuren im Mehl verweisen auf die Priester, Knochen, Pizzareste, leere Gläser auf die heimliche Orgie. Und Kyros muss zugeben: „Die Priester haben alles gemampft. Bel ist nur eine Attrappe!“ Das Götzenbild wird zu Schotter für den Krokodilteich des Herrschers verarbeitet. Die Freunde jubilieren: „Fort, fort, fort mit den Götzen – ab auf den Schrott! Gelobt sei der lebendige Gott! Hillel et elohim chajim!“ Dazu spielt Jessica Lindenberger auf ihrer Violine. Zusammen mit Hennig Scharf und Stephan Heinz steht sie für die Musik der Ratzeputz-Aufführung.
All den Mitwirkenden gilt schließlich der Dank des Autors und Regisseurs Dierk Rafflewski, Paul als Daniel, Louisa als König, Jumana als Oberpriesterin – und all die 40 Mitwirkenden zusammen mit Technik, Kostümgestaltern und Bühnenbildnern bekommen ein Sonderlob. Der Dank der jungen Schauspielerinnen und Schauspielern geht prompt zurück den Initiator. Gewürdigt wird besonders die Motivationsfähigkeit und die Geduld, mit der Dierk Rafflewski und sein Team bei den Proben gewirkt haben, „um gemeinsam etwas auf die Bühne zu bringen“, wie der Pfarrer betont.
Mit einem Segen endet die Aufführung
„Schon die Proben haben riesig Spaß gemacht. Und es hat sich gelohnt“, berichtet Paul im Gespräch mit dieser Redaktion. Auch Louisa, die selbst in einem Chor singt, ist mit der Premiere an diesem Abend vollauf zufrieden.
Mit einem Segen, der gut zu Ratzeputz passt, entlässt Dierk Rafflewski die vielen Zuhörerinnen und Zuhörer in den Abend: „Der lebendige Gott segne Dich mit Fantasie und Lebensfreude, einem kritischen Geist und unerschrockenem Herzen, tatkräftigen Händen und standfesten Beinen, um mutig einzutreten für das, was dem Leben, der Wahrheit und der Liebe dient!“
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