Ortsgeschichte

Einblick in Heddesheimer Alltag nach dem Zweiten Weltkrieg

In seinem neuen Werk gibt Heimatautor Einhard Kemmet Einblick in die Heddesheimer Ortsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. An diesem Buch schrieb sein Großvater gewissermaßen mit - ohne es seinerzeit zu wissen

Von 
Sylvia Osthues
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Buchübergabe vor dem Alten Rathaus mit: Hauptamtsleiter Julien Christof (v.l.), Bürgermeister Achim Weitz, Autor Einhard Kemmet und Joachim Brehmer vom Weinheimer Verlag Texdat-Service. Hinter dem Fenster rechts befand sich einst das Dienstzimmer des ehemaligen Bürgermeisters Johannes Moos. © Sylvia Osthues

Heddesheim. Gerade in der heutigen Zeit, in der das Thema Demokratie wieder eine so zentrale Rolle spielt, ist das neue Buch von Einhard Kemmet mit „Stimmungsberichten von Bürgermeister Johannes Moos 1945-1947“ höchst aktuell und interessant zu lesen. Der Archäologe und Historiker Kemmet, der schon mehrere Publikationen zur Heddesheimer Archäologie und Geschichte geschrieben hat, ist der Enkel jenes Johannes Moos (1887-1965), der vor und nach dem Zweiten Weltkrieg Bürgermeister von Heddesheim war (1929-1933, 1945-1948 und 1950-1958).

Zunächst war der gelernte Verwaltungsbeamte Moos ab 1929 Bürgermeister der Tabakgemeinde, bis er als Mitglied der damaligen Zentrumspartei 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt wurde. Nach dem Krieg 1945 setzten die amerikanischen Besatzer Johannes Moos am 29. März 1945 wieder als Bürgermeister ein mit der Auflage, einen vierwöchigen Lagebericht an die Amerikaner zu richten. Durch einen Zufall fielen Einhard Kemmet diese Berichte seines Großvaters Jahrzehnte später in die Hände: Der Heddesheimer Klaus Schneider hatte ihn 2017 auf die Papiere im Archiv der Gemeinde Heddesheim aufmerksam gemacht.

Fünf Jahre Arbeit

In fünfjähriger akribischer Detailarbeit Arbeit hat Kemmet die Unterlagen durchgesehen, sie transkribiert und digitalisiert. Daraus ist ein circa 140-seitiges Zeitdokument entstanden, das nicht nur für Orts- und Geschichtsinteressierte eine spannende Lektüre bietet. Es besteht im ersten Teil aus Fotos, Urkunden, Festschriften, Veröffentlichungen zur Ortsgeschichte sowie aus persönlichen Erinnerungen und Erzählungen der „Ur-Heddesheimer“ Familie von Einhard Kemmet. Der zweite Teil des Buches umfasst die Stimmungsberichte von Kemmets Großvater Moos.

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Das Buch beginnt mit einer Einführung zum Kriegsende 1945 in Heddesheim und über die Jahre danach. Der Autor zeigt auf, wie schwierig und undankbar es war, in Krisenzeiten Politiker und Bürgermeister zu sein. Kemmet schildert die Situation des Landkreises Mannheim und seiner Landräte. Die erste freie Zeitung „Die Mitteilungen“ erschien im April 1945. Kemmets Buch enthält auch einen persönlichen Erlebnisbericht von befreiten Zwangsarbeitern in Heddesheim. Bürgermeister Johannes Moos war seinerzeit mit einem Opel Olympia mobil unterwegs im Dienst der Gemeinde. Kemmet erzählt, wie erste Freundschaften zwischen ehemaligen Feinden entstanden.

Bereits 1946 wurde die CDU in Heddesheim gegründet. „Das zeigt, wie groß damals die Sehnsucht der Bevölkerung nach Demokratie war“, erklärt Kemmet. Die erste freie Gemeinderatswahl in Heddesheim fand am 27. Januar 1946 statt, die erste freie Bürgermeisterwahl am 31. März 1946.

Neben dem Augenzeugenbericht eines amerikanischen Besatzungssoldaten enthält das Buch unter anderem auch einen ganz persönlichen Bericht von Harry W. Nagel über die Geschichte seiner Familie. Berichtet wird in dem Buch auch über die Naziverfolgung und Entnazifizierung, über Not und Elend im Alltag nach dem Zweiten Weltkrieg sowie den Zuzug von Heimatvertriebenen und Einquartierungen. Interessant ist auch der persönliche Bericht der Familie von Franz Alles, die aus Schlesien vertrieben wurde.

Kemmet erzählt, wie allmählich die Normalität in den Alltag einkehrte und ein neues Vereinsleben in Heddesheim erwachte, aber auch von den Besatzungsmächten, die damals alles kontrollierten und genehmigen mussten – nachzulesen in den Stimmungsberichten von Johannes Moos 1945 bis 1947 im Einzelnen. Das Titelbild zeigt die Verfügung des Landrats des Kreises Mannheim vom 27. November an die Bürgermeister des Kreises, das Rückseitenbild eine Oberarmbinde aus Stoff, als Ausweis für Angehörige der amerikanischen Militärpolizei.

Bürgermeister Achim Weitz freute sich über die weitere Veröffentlichung zu Heddesheim. „Es gibt schon einige, wie beispielsweise die Ortschronik zur 1100-Jahr-Feier von Heddesheim, als deren Ausfluss jetzt dieses Buch entstanden ist“, erzählte Weitz. „Das Buch ist mit Sicherheit eine Bereicherung – vor allem in so schöner Form“, lobte der Bürgermeister. „Man kriegt ein spannendes Bild über diese schwierige Zeit, und vielleicht findet sich darin auch die eine oder andere Familie wieder“, sagte Weitz.

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