Heddesheim. „Ich habe mich hier sogar schneller eingefunden als erwartet“, sagt Hans Troxler, der seit September samt seinem vierköpfigen Familienclan Heddesheimer Neubürger ist. Seine Frau Christiane Triebel war 1981 von Heddesheim nach Berlin gezogen, dort war Lehrermangel. „Drei Jahre wollte ich bleiben, 40 sind es geworden“, erzählt sie. Ihren Hans lernte sie im Lehrerzimmer kennen.
„Die Wohnungssuche war sehr schwierig, eine große Umstellung“, sagt Christiane. Ihr Bruder Clemens kam als Student nach Berlin, schrieb dort mit Erfolg seine Diplomarbeit als Ingenieur. Schwester Elisabeth Triebel kam 1998 in die Bundeshauptstadt: „Ich wollte schon immer dahin, das bunte Kulturleben habe ich förmlich aufgesogen“. Einen Job hatte sie noch nicht, berichtet sie. Schließlich landete sie in der Werbebranche und lernte Christoph Brandis kennen.
Agentur gegründet
Zusammen gründeten sie 2004 die Agentur „formfalt Kunstprodukte“, um eine Marktlücke zu schließen: „Als Kinder waren wir mit unseren Eltern weltweit durch Museen gezogen und trösteten uns mit dem Gedanken: ,Nachher im Museumsshop kaufe ich mir was Schönes’, doch meistens gab es da nur Postkarten.“ Das wollten sie ändern und gründeten ihre Agentur. Mittlerweile verkaufen sie ihre Produkte zu verschiedenen Kunst-Stilen, Gestaltungstechniken und Künstlern weltweit in Museumsshops, Designläden, Buchhandlungen und Trendshops. Sie entwerfen, stellen die Kunst-Sets selbst her und vertreiben sie auch selbst.
Die moderne Kommunikationstechnik ermöglichte Triebel und Brandis nun, ihre Firma von Berlin nach Heddesheim zu verlegen. „Der Laden brummt, unabhängig vom Firmensitz“, sagen sie.
Clemens Triebel wurde ebenfalls Unternehmer und gründete mehrere Firmen, die sich mit erneuerbarer Energie beschäftigen. Inzwischen ist er als Kurator einer Stiftung und als Aufsichtsrat tätig. „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“, sagt Clemens Triebel. Für ihn ist das dritte Stockwerk reserviert, doch er wird seinen Hauptsitz noch in Berlin behalten.
Warum der gebürtige Berliner Hans Troxler, der Hamburger Christoph Brandis und die ehemaligen Heddesheimer wohl zurück in die Heimat der Triebels gingen? „Berlin ist nicht mehr schön. Die Stadt ist in einem ständigen Wandel“, so das Urteil der Neubürger. „Nach der Öffnung der Mauer hat sich der Charakter der Stadt verändert“, blickt Elisabeth Triebel zurück.
Dem Berliner Hans ist der Umzug am schwersten gefallen. „Es ist meine Geburtsstadt, obwohl Berlin nicht mehr das ist, was es einmal war“. Schöne Flecken gebe es dort, Wälder und Seen, die Kultur mache vielfältige Angebote – aber auch die Anonymität sei eben sehr groß, berichten sie. „Es hat sich niemand für mich interessiert. Man grüßt sich nicht“, sagt Elisabeth. Das Leben sei hektischer, die Menschen unfreundlicher. „Obst und Gemüse in so einer riesigen Stadt hat nicht die Qualität wie hier“, sagt Brandis. „Zuerst hat Berlin unter den Kriegsfolgen und dann unter der Teilung gelitten“, blickt der Berliner Troxler zurück.
Ein großes Haus gefunden
Nur wenige Monate dauerte die Diskussion, bis der Entschluss fiel: „Wir suchen uns in Heddesheim ein großes Haus.“ Das klappte dann schneller, als gedacht. Bei der Sanierung musste hart geschuftet werden, es floss viel Schweiß. „Jetzt kommen wir uns noch vor wie im Urlaub. Obwohl die Firma wieder ganz normal läuft“, berichtet Elisabeth.
Die Geschwister leben nun wieder in Heddesheim, wo auch die Eltern Gertrud und Walter Triebel beerdigt sind. Beide lebten seit 2006 in der Hauptstadt. „Heddesheim hat den Vorteil, dass es zentral liegt und von hier aus tolle Ziele in kurzer Zeit erreicht werden können“, meinen die Neubürger, die sich auf viele neue Bekanntschaften freuen und alte Bekanntschaften pflegen wollen.
Mit diesem Beitrag verabschiedet sich unser freier Mitarbeiter Dieter Kolb nach zehn Jahren in den Ruhestand. Wir danken ihm für seine große Unterstützung.
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