Heddesheim - Gespräch mit Dr. Klaus Wirth über die archäologischen Funde im Neubaugebiet "Mitten im Feld"

Ausgrabungen gehen jetzt erst richtig los

Von 
Achim Wirths
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Über 100 Interessiert verfolgten den Vortrag von Dr. Klaus Wirth über die archäologischen Funde im Heddesheimer Neubaugebiet "Mitten im Feld".

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Am Dienstagabend haben weit über 100 interessierte Heddesheimer im Bürgerhaus den Vortrag von Dr. Klaus Wirth, Abteilungsleiter für Archäologische Denkmalpflege und Sammlungen der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen (rem), verfolgt. Bei der Erschließung des Neubaugebiets "Mitten im Feld" wurden vor einem Jahr zahlreiche Spuren römischer und germanischer Ansiedlungen gefunden. Am Rand des Vortrags unterhielten wir uns mit dem Archäologen.

Worin liegt die besondere Bedeutung der Funde?

Dr. Klaus Wirth: Man kann hier von einer neuen archäologischen Sensation sprechen. Wir sind hier auf eine Villa rustica gestoßen, ein römisches Landgut, mit enormer Ausdehnung. Von hoher wissenschaftlicher Bedeutung ist der Umstand zu werten, dass die Siedlung nach dem Limesfall im 3. Jahrhundert offenbar weiter bestanden hatte, auch wenn die Bewohner andere waren. Im nordbadischen Bereich gibt es ansonsten keine Siedlung, die lückenlos vom 1. bis zum 5. Jahrhundert nachweisbar ist.

Ist daraus Heddesheim entstanden?

Wirth: Ich möchte es als Vorgeschichte Heddesheims bezeichnen. In der Nähe der Uhlandstraße sind wir auf eine früheste merowingische Siedlung gestoßen, die keinen Bestand hatte. Aus der benachbarten Siedlung ist wohl das heutige Heddesheim entstanden.

Was macht Sie sicher, dass dieselben Gebäude von verschiedenen Völkern genutzt wurden?

Wirth: Germanische Bauweise aus dem 1. Jahrhundert mit römischem Interieur. Der Limes fiel im 3. Jahrhundert, und hier haben wir den faszinierenden Umstand, dass sich sowohl die Zeit davor als auch danach dokumentieren lässt.

Auf welche archäologischen Strukturen sind Sie bei Ihren Arbeiten gestoßen?

Wirth: Anhand der Grundrisse konnten wir Vorratsspeicher, Latrinengruben und Brunnen definieren. Ein gefundener Spinngürtel lässt auf Textilherstellung und -verarbeitung schließen, Schlackereste, ein Ambossstein und eine halbfertige Fibel (Brosche) auf Metallverarbeitung. Hochspektakulär ist eine Siedlung aus dem 4. und der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts im Südteil des Neubaugebiets, die wir aufgrund typischer Strukturen als "Brotfabrik" bezeichneten. Dort standen mindestens zehn Backöfen, Vergleichbares wurde bisher nur noch in Frankreich gefunden.

Das klingt danach, als hätten Sie das frühzeitliche Gewerbe- gebiet gefunden. Was ist mit den Wohnsiedlungen?

Wirth: Wir fanden vereinzelte Pfosten, aber noch keine vollständigen Grundrisse.

Und was ist mit dem Wohnhaus der Villa rustica?

Wirth: Das haben wir in unmittelbarer Nähe lokalisiert. Sie haben sicherlich Verständnis, dass ich mich dazu nicht näher äußern möchte.

Sie haben einige ausgewählte Fundstücke mitgebracht. Werden die Heddesheimer Gelegenheit bekommen, alles zu bestaunen, was in ihrer Gemarkung gefunden wurde?

Wirth: Wenn die Klimatisierungs- und Sicherheitsmaßnahmen für die Vitrinen gegeben sind, ist eine reguläre Leihanfrage sicherlich realisierbar. Allerdings nicht vor 2016, da wir in der Vorbereitung zu anderen Ausstellungen sind. Außerdem gehen wir von weiteren Funden aus.

Das wäre meine nächste Frage gewesen...

Wirth: Im Grunde gehen die Ausgrabungen jetzt erst richtig los. Das Gelände ist archäologisch vermint, wir rechnen mit Funden bei jeder Baumaßnahme. rem-Mitarbeiter werden bei den Aushubarbeiten vor Ort sein.

Müssen die Bauherren mit Verzögerungen rechnen?

Wirth: Leider ja, das wird abhängig von der Dichte und Komplexität. Archäologie ist nun mal Teil von Baumaßnahmen, und solch eine Siedlung darf auch nicht partiell zerstört werden, bevor nicht alles dokumentiert ist.

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