Der markante Kopf des französischen Schauspielers Jean Gabin (1904 bis 1976) blickt den Betrachter auf pechschwarzem Untergrund im Halbformat an. Fotografisch so genau, als ob der berühmte Franzose tatsächlich ins Publikum schaut. Ähnlich hat Nils Linnebach das Porträt von Peter Lorre (1904 bis 1964) in Öl gemalt. „Halb abgeschnitten“, erläutert der Heddesheimer Künstler seine beiden ungewöhnliche Bilder, die ab 3. März zusammen mit 25 weiteren Werken Linnebachs im Heddesheimer Kunstverein im Alten Rathaus zu sehen sind.
„Ich fand die Fotos der beiden Schauspieler cool“, erklärt der 55-jährige Künstler, was ihn zu den beiden Porträts inspiriert hat. Spontan habe er sich ans Werk gemacht, experimentiert, versucht, die besondere Perspektive einzufangen. Dabei outet sich der Mann als Fan alter Schwarz-Weiß-Filme mit langen Kameraeinstellungen – und denkt schon über ein spezielles Porträt von Filmregisseur Alfred Hitchcock (1899 bis 1980) nach.
Spontanität und Experimentierfreudigkeit, die beiden Worte fallen im Gespräch dieser Redaktion mit Nils Linnebach immer wieder. „Manchmal stolpere ich regelrecht über ein Foto – und dann male ich so lange, bis es auf meinem Bild so aussieht wie auf dem Foto. Ich nähere mich langsam an das Original an, das ist ein sehr anstrengender Prozess“, schildert er die besondere Herangehensweise an seine Ölgemälde. So scheinen die Fußballerbeine bei „kick it“ tatsächlich mit dem Ball über den Rasen zu dribbeln. „Obwohl ich eigentlich keine Beziehung zu Fußball habe“, gesteht Linnebach.
Auch die Acryl-Bilder der U-Bahnstation aus zwei Perspektiven seien das Ergebnis einer spontanen Idee, experimentell die Zeitungsseite über einen Hai-Angriff auf Wellpappe, fein gemalt mit einem Edding-Stift. Manchmal aber auch entstünden seine Werke im Kopf, so wie beim sonnendurchfluteten Rapsfeld mit den Kornblumen oder bei der Leitplanke mit den herbstlichen Färbungen im Hintergrund. Gerne malt der Künstler großflächig, so ist der weibliche Mund mit der Zigarette bis ins kleinste Detail zu erkennen.
„Ich bin ein echter Monnemer, aus Feidene, obwohl ich seit 1971 mit meiner Familie in Heddesheim wohne“, erzählt Bernd Linnebach. Schon als Kind mit acht, neun Jahren habe die Kunst in seinem Leben eine wichtige Rolle gespielt. Die Eltern waren mit dem Mannheimer Maler und Bildhauer Carolus Vocke befreundet, ja man habe sogar mit den Familien gemeinsame Urlaube an der Nordsee und am Bodensee verbracht, erinnert er sich.
Stahlmöbel und Trickfilme
Angefangen habe er seine künstlerische Laufbahn mit Skizzen und Cartoons, später entwarf er auch Stahlmöbel und Wohnaccessoires, drehte im Zeitalter der beginnenden Digitalisierung Trickfilme – bis er sich vor etwa 18 Jahren verstärkt der Ölmalerei widmete. Seine frühen Vorbilder sind dabei Hans Holbein, der Jüngere, und Francisco de Goya. „Bei den alten Meistern sieht man jedes Härchen“, sagt er. Aber auch Gerhard Richter inspiriert ihn: „An dem kommt man ja kaum vorbei!“
Auch hauptberuflich setzt Bernd Linnebach auf Kreativität. Der Video-Techniker und Kameramann arbeitet als Freelancer bei Shows und Konzerten von Helene Fischer oder Udo Lindenberg, wie er berichtet. Für Bernd Gerstner, den gerade auf der Jahreshauptversammlung des Kunstvereins wiedergewählten Vorsitzenden, ist Linnebach so etwas wie in unentdecktes Juwel in der regionalen Kunstszene – trotz kleinerer Ausstellungen in Berlin, Edingen und Mannheim. So habe er gerne den Vorschlag einiger Mitglieder aufgegriffen, die 27 Werke jetzt im Alten Rathaus in Heddesheim zu präsentieren.
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