Panne

Alptraum auf der Autobahn: Familie aus Heddesheim strandet in Italien

Familie Augustin aus Heddesheim ist auf dem Heimweg aus dem Urlaub, als ihr Wagen vor der österreichischen Grenze liegenbleibt. Was folgt, ist eine Nacht mit viel Schrecken. Vom ADAC fühlen sie sich im Stich gelassen.

Von 
Martin Tangl
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Vergeblich blickt Frank Augustin nach einem Motorschaden seines VW-Busses auf der Autostrada nach dem Pannendienst. Die Familie mit drei kleinen Kindern fühlt sich im Stich gelassen. © Augustin/Privat

Reaktion des ADAC

  • Auf Anfrage dieser Redaktion reagierte der ADAC mit folgender Mitteilung:
  • Bei einer Panne im Ausland erreichen Urlauber den ADAC unter unserer Hotline. Der ADAC nimmt den Schaden auf und leitet den Fall an seinen Partnerclub im jeweiligen Land weiter.
  • Die Pannenhilfe im Ausland wird von den Partnerclubs des ADAC geleistet, genauso wie der ADAC für Mitglieder der europäischen Partnerclubs in Deutschland Pannenhilfe leistet.
  • In Italien beispielsweise leistet der ACI Hilfe – natürlich nicht nur für ADAC Mitglieder, sondern auch für seine eigenen Mitglieder sowie die Mitglieder aller anderen europäischen Clubs.
  • In der Hochsaison kann es sowohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands aufgrund hohen Pannenaufkommens zu erheblichen Wartezeiten kommen.
  • Wir versuchen aber immer, so schnell wie möglich beim Mitglied zu sein und Pannenhilfe zu leisten.
  • Das Mitglied kann auch selbst Hilfe organisieren und die Rechnungen einreichen, die dann nach dem Leistungskatalog erstattet werden, beispielsweise maximal 300 Euro für das Abschleppen.
  • Nach Möglichkeit und Verfügbarkeit versuchen wir, das Mitglied bei der Organisation zu unterstützen, z.B. Hotel, Mietwagen

Heddesheim. Der Alptraum eines jeden Urlaubers: Bei der Heimfahrt aus Italien bleibt der VW-Bus mit großem Wohnanhänger der Familie Augustin aus Heddesheim am frühen Freitagabend kurz vor der Grenze zu Österreich mit Motorschaden liegen. Noch hoffen Vater Frank und Mutter Sina, die drei kleinen Kinder (zwei, sieben und neun Jahre alt) dass sie als langjährige ADAC-Premium-Mitglieder rasche Hilfe erhalten. Doch sie werden enttäuscht. Der Alptraum wird zum Desaster. Es dauert bis zum nächsten Morgen, bis die Familie mit ihren zwei Hunden auf eigene Initiative zumindest eine Werkstatt in Villach erreicht. Der ADAC hat sich mittlerweile mit einer lapidaren Entschuldigung gemeldet: „Insgesamt verlief dieser Fall leider nicht zu unserer Zufriedenheit“, heißt es auf Anfrage dieser Redaktion.

Nicht nur Sina Augustin vermisst beim Blick auf ihre Odyssee am Ende ihres Italienurlaubs im Gespräch mit dem „MM“-Reporter die Empathie der „Gelben Engel“ des Automobilclubs. Quälend lang zieht sich die hanebüchene Geschichte der Havarie auf der Autostrada in den Bergen kurz vor der Ausfahrt Tarvisio hin, erzählt von unzähligen Telefongesprächen mit dem Handy, Vertröstungen, ungeklärten Zuständigkeiten und teilweise unfreundlichen Reaktionen der Call-Center-Mitarbeiter. Kein Wunder, dass besonders die Kinder, aber auch die Eltern in dieser Nacht in Panik geraten.

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Mit Mühe in die Nothaltebucht

Es beginnt unvermittelt mit dem Aufleuchten einer Warnung an den Armaturen des VW-Busses, der Wagen wird langsamer, bleibt auf dem Seitenstreifen stehen. Frank Augustin gelingt es, das Fahrzeug noch einmal zu starten. „Doch nach einem Tunnel war endgültig Schluss, wir haben es gerade noch in eine Nothaltebucht geschafft“, berichtet Sina Augustin. Und so schildert sie die Horrornacht: Kurz nach 18.30 Uhr beginnt die Telefoniererei - erstmal in der Warteschleife der ADAC-Auslandshotline. Gegen 19.15 Uhr dann die Ankündigung einer italienischen Dame, dass innerhalb von zwei Stunden Hilfe kommt. Es wird dunkel. Gegen 21.30 Uhr der nächste Hilferuf, wieder Warteschleife.

Nach knapp 50 Minuten ruft Frank Augustin verzweifelt den ADAC in München an. Erst der dritte Kollege am Telefon verspricht, einen „Reminder“ nach Italien zu schicken. Es folgt ein Rückruf: „Der Fall ist leider bei uns hängengeblieben.“ Es ist 22 Uhr, die Batterie des VW-Busses ist erschöpft, die Warnblinker gehen aus. Die Kinder haben jetzt richtig Angst. „Hilfe ist unterwegs“, wird den Augustins versichert. Um 0.15 Uhr ist immer noch kein Abschleppwagen vor Ort, die italienische Hotline inzwischen abgeschaltet. Zufällig entdeckt ein Autobahndienst das liegengebliebene Gespann und ruft einen Abschleppdienst. Doch der will die Havaristen nur zurück, 50 Kilometer nach Italien schleppen. Die Augustins wollen jetzt aber ins 19 Kilometer entfernte Österreich, auch der Sprache wegen - und organisieren selbst einen Abschleppdienst aus Villach. Es ist mittlerweile 2 Uhr.

Nach weiteren Irrungen und Wirrungen mit rechtlichen, bezahltechnischen und organisatorischen Hindernissen werden sie vom Österreicher bis gegen 4 Uhr auf einen Parkplatz in Villach transportiert. „Hier haben wir wenigstens zwei Stunden geschlafen“, seufzt Sina Augustin.

Um 7 Uhr geht das Telefonieren mit dem ADAC und seinem italienischen Partner ACI weiter. Wieder Kompetenzgerangel um Zuständigkeiten - bis der Motorschaden endlich zum dritten Mal diagnostiziert und der Kleinbus in eine Werkstatt geschleppt werden kann. „Dort steht er übrigens heute noch“, klagt Sina Augustin.

Als in ganz Kärnten kein Mietwagen aufzutreiben ist, der die Familie mit dem Wohnwagen nach Heddesheim schleppen kann, setzt sich der Schwiegervater aus Mannheim mit dem Auto eines Freundes Richtung Österreich in Marsch. Eine Freundin, die aus Kroatien zurück in die Heimat unterwegs ist, nimmt einen Umweg in Kauf und zwei Töchter mit. Die Augustins sind so dankbar: „So sieht Hilfe aus!“

Zuhause angekommen sind erneut einige Anrufe und zahlreiche Vertröstungen beim ADAC nötig, dann erreicht die Familie die lapidare Meldung aus München mit der formalen Entschuldigung und die Ankündigung, in gewissen Grenzen die Kosten zu übernehmen. Sina Augustin: „Wir wissen immer noch nicht, was nun mit unserem Auto ist und wer die Abschleppkosen von rund 1000 Euro übernimmt.“

„Unterlassene Hilfeleistung“

Die ersten Anfragen dieser Redaktion beim ADAC lösen dann doch emphatische Reaktionen aus. „Das geht ja gar nicht. So eine Geschichte habe ich ja noch nie gehört. Das hätte man doch sicher pragmatisch lösen können“, bedauert eine Mitarbeiterin. „Fehler kommen vor, bei Hilfeleistungen für 22 Millionen Mitglieder. Aber hier ist was total schiefgelaufen“, bedauert ihre Kollegin. Doch namentlich zitieren sollen wir sie bitte nicht und auf die offizielle Stellungnahme des ADAC warten (siehe Infokasten).

Da heißt es auf Anfrage: „Unser Qualitätsmanagement hat sich mit einem Schreiben vom 20. Juni für die entstandenen Unannehmlichkeiten entschuldigt.“ Wenigstens ein Funken Empathie, echtes Bedauern von offizieller Stelle aus München, das hätten sich die Augustins auch wegen der psychischen Belastungen besonders für die drei kleinen Kinder in dieser Alptraum-Nacht schon gewünscht. „Die Kommunikation und der Informationsfluss mit dem ADAC war unterirdisch“, kritisiert Sina Augustin deshalb nicht nur den mangelhaften Pannendienst des Automobilclubs als „unterlassene Hilfeleistung“.

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