Groß-Rohrheim. Ein Jazz-Konzert ist ein Jazz-Konzert ist ein Jazz-Konzert. Von wegen! Der Herbstjazz in der evangelischen Kirche in Groß-Rohrheim unterscheidet sich fulminant von anderen Veranstaltungen dieser Art.
Man muss den Event erlebt, geradezu aufgesaugt haben, um zu verstehen, wo der Reiz, wo das Besondere dieser Veranstaltung liegt. Es ist zum einen die extreme Intimität, und zum anderen das Ambiente des Raumes, die in Symbiose eine Magie verströmen, die einzigartig ist. Kein Wunder also, dass jedes Jahr die Insider dieses Musikgenres nach Groß-Rohrheim pilgern.
Publikum kommt den Musizierenden ganz nah
Die Musiker, die sich vor dem Altar und dem gekreuzigten Jesus positionieren, haben keine Garderobe zur Verfügung: Sie packen ihre Instrumente im Altarraum aus, schlendern durch die Kirche, trinken genüsslich Kaffee und plaudern angeregt mit den Zuhörern. Es herrscht eine chillig-lockere und sehr familiäre Atmosphäre. Wann und wo kommt man als Gast den Akteuren so nah?
Jetzt ergab sich dazu wieder die Gelegenheit. Von 15 bis 23 Uhr gehörte die evangelische Kirche in der Riedgemeinde den Jazzjüngern. An den Autokennzeichen war deutlich zu sehen, dass sie aus der gesamten Rhein-Main-Neckar-Region angereist waren. Offenbacher parkten neben Wormsern, Frankfurter neben Heidelbergern und Darmstädter neben Groß-Gerauern. Ein klares Indiz dafür, welchen Stellenwert dieses kultige Jazz-Ereignis, das zum 14. Mal stattfand, genießt.
Wilson de Oliveira und John Stowell als Duo
Kein Wunder, kommen die Freunde der improvisierten Musik doch gratis – lediglich eine Spende wird erbeten – in den Genuss, absolute Top-Leute zu erleben. Ein Höhepunkt war zweifellos das Duo Wilson de Oliveira (Saxofon) und John Stowell (Gitarre), die erstmals gemeinsam auftraten. Eberhardt Petri, Spiritus rector der Veranstaltung, kündigte die beiden zurecht als „Jazz-Legenden“ an.
Gerade einmal einen Tag genügte den beiden Musikern, um sich zu finden. Der geradezu zerbrechlich wirkende John Stowell und Wilson de Oliveira, ein Bär von einem Mann, harmonierten derart perfekt, dass man hätte meinen können, die beiden würden schon seit Jahren als Duo auftreten. Keiner der beiden dominierte das Zusammenspiel. Fein austariert ließen sie dem anderen genügend Raum, sich zu entfalten. Zwei Meister ihres Fachs, die gemeinsam eine grandiose Performance ablieferten.
Die Lobeshymne auf die „Jazz-Legenden“ soll jedoch keineswegs die Leistungen der anderen Akteure schmälern, ganz im Gegenteil: Von Beginn an durften sich die zahlreichen Besucher – es herrschte ein stetes Kommen und Gehen – an vorzüglichem Jazz der unterschiedlichsten Ausprägung erfreuen. Gerade auch die Vielfalt ist ein prägendes Merkmal des Herbstjazz in Groß-Rohrheim.
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Immer mit dabei ist der evangelische Kirchenchor Groß-Rohrheim. Ein Kirchenchor beim Herbstjazz? Sicherlich nur eine Reminiszenz an einen Verein aus dem Ort, noch dazu aus der Kirchengemeinde. Mitnichten! Der 25-köpfige Chor unter der Leitung von Dr. Ulrike Wollny singt überaus anspruchsvolle Literatur von Blues bis hin zum Gospel. Die gute Laune der Gruppe, dieses sichtbare Bewegtsein von der Musik, überträgt sich auf die Zuhörer. Der Chor – darunter viele junge Sänger und Sängerinnen – sorgte für einen Auftakt nach Maß.
Klingt das nach Klezmer-Musik, nach jamaikanischem Reggae, nach Wiener Schrammel-Melodien oder Balkan-Jazz? „Planet Weschnitz“ lieferte nach dem Chor einen musikalischen Kontrapunkt. Die fünf Musiker aus dem Ried hatten jazzige und folkige Weltmusik im Gepäck.
Eberhard Petri, Organisator des Herbstjazz, stand anschließend selbst mit dem „P-Trio“ auf der Bühne. Nebenbei bemerkt: Petri gehört auch dem evangelischen Kirchenchor an. Das „P-Trio“ glänzte mit abstrakten Eigenkompositionen.
Jeder Musiker konnte sich an der Latin-Session beteiligen, die Norbert Paul organisierte. Mit von der Partie waren die brasilianische Sängerin Paula Carreira und der Sänger Marcos de Figueiredo. Noch ein Highlight des Nachmittags.
Lautstarke Zugabe-Rufe gab es am Ende des Konzertes der „ELISA-Band“, einem Trio, durch das Gotteshaus. Man hätte dem Trio noch stundenlang zuhören können, derart einnehmend waren die Musik und der Gesang, vor allem von Elisa Herbig.
Pianist Uwe Oberg setzt den Schlusspunkt
Spielfreude pur erlebten die Zuhörer bei der Band „Klangcraft“, besetzt mit absoluten Top-Musikern. Den Schlusspunkt setzte der Pianist Uwe Oberg, der amerikanische und europäische Improvisationsmusik in einzigartiger Weise verbindet.
Der 14. Jazzherbst in der evangelischen Kirche in Groß-Rohrheim war einmal mehr ein kulturelles Glanzlicht, das in der hiesigen Musikszene seinesgleichen sucht. Die begeisterten, ja beseelten Besucher gingen mit dem Gefühl, Könner an Instrumenten hautnah erlebt und deren pure Freude beim Spiel gespürt zu haben.
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