Groß-Rohrheim. Mit diesen zwei Konzertabenden hintereinander setzten sich Künstler und Organisatoren in Groß-Rohrheim vermutlich endgültig ein künstlerisches Denkmal. Aus einer kleinen Musikveranstaltung ist nach 17 Jahren ein Top-Act erwachsen, der über die Region hinaus seinesgleichen sucht. Doch genau das ist es, was der Veranstaltung letztlich Probleme bereitet und wegen ihrer Dimension zum Aus führt.
An zwei Tagen war die Bürgerhalle wieder Anziehungspunkt für Liebhaber gepflegter Gitarrenmusik – präsentiert ohne Schnörkel. Es überzeugt die Akustik, zum Teil unterstützt durch Gesang. Hier spielen allesamt Könner ihres Fachs, einige sind im Ried bereits bekannt, viele fühlen sich wohl. Wie eine große Familie. Dafür hat Andreas Cuntz gesorgt. Der Organisator kennt alle Musiker persönlich, immerhin genießt er als Gitarrenbauer einen ausgezeichneten Ruf, sogar weltweit. Und so ist der Gitarrenzauber „sein Kind“, das er mit der Musikkiste alljährlich präsentierte.
Nach nunmehr 17 Jahren und 15 Konzerten hielt Cuntz zu Beginn eine emotionale Rede und nahm das Ende gleich vorweg. Es sei in dieser Größenordnung (erneut waren beide Abende mit jeweils 700 Zuhörern restlos ausverkauft) so nicht mehr zu stemmen. Cuntz bedankte sich bei der Musikkiste, den rund 60 Helfern und seiner Familie, die „versucht hat, mich in diesen Tagen auch mal ausschlafen zu lassen.“ Am Sonntagabend wurde es dann ganz besonders emotional, es floss auch die eine oder andere Träne. „Seid nicht traurig. Alles hat seine Zeit. Es wird noch andere Gelegenheiten geben, diesen Geist von hier fortzusetzen“, sagte Cuntz dem klatschenden Publikum. Doch der Gitarrenzauber in dieser Art und Weise sei jetzt erst einmal stillgelegt.
Was sein unermüdlicher Einsatz bedeutet, zeigte sich, als er quasi in letzter Sekunde Ersatz für Top-Act John Gom, Singer und Songwriter aus England, organisierte. So flog der für Sonntag angekündigte englische Gitarrenkünstler Mike Dawes einen Tag früher ein und hatte somit zwei Auftritte, was das Publikum freute. Dawes ist seit 2012 auf den Bühnen der Welt unterwegs. Bekannt wurde er durch seine Interpretation des Gotye-Hits „Somebody That I Used to Know.“ Dawes spielt übrigens, wie eigentlich alle anderen teilnehmenden Künstler auch, meist auf Cuntz-Gitarren. Den Auftakt am frühen Samstagabend gestaltete der US-Amerikaner Adam Rafferty.
Der ist immer für ein Späßchen gut, das wissen die Gitarrenzauber-Fans. Rafferty war der richtige Opener, der es mit seinem Feingefühl und seiner Bühnenshow mit Leichtigkeit schaffte, das Publikum mitzunehmen und gleichzeitig für Lockerheit zu sorgen. So lieferte er zu seinen Stücken auch immer eine kleine Story. Beispielsweise zu Stings „Every Breath You Take“. „Ich mochte das Stück eigentlich nie, bis ich auf einem Konzert mit Sting war, wo er es live völlig anders interpretierte. Dann wollte ich es auch spielen.“ Und mit gesanglicher Unterstützung des Publikums wurde dann gemeinsam Michael Jacksons „Beat it“ intoniert. Einen kurzen Moonwalk gab’s als Zugabe. Den Samstag gestalteten außerdem Petteri Sariola aus Finnland sowie das Martin Harley-Duo. Das war das Nachholkonzert der geplanten Veranstaltung von 2020, die Corona-bedingt ausgefallen war. Die Karten hatten ihre Gültigkeit behalten. Das eigentliche Finalkonzert war am Sonntag zu erleben mit Christian Lehr, Sophie Chassée, sowie MacLeod, Martin Harley-Duo, Sariola und Dawes. Auch hier gab es wieder reichlich Applaus und begeisterte Zuhörer. Bei so vielen Gästen hatten auch die Helfer reichlich zu tun. Doch es sind zu wenige, und es fehlen junge Leute bei der Musikkiste. Hauptorganisator Cuntz ist nach eigenen Angaben am Ende seiner Belastbarkeit angelangt. „15 Konzerte ist doch ein schöner Abschluss“, sagte er im Gespräch mit der Redaktion. Er habe da etwas Tolles auf die Beine gestellt, auf das man durchaus Stolz sein könne. Doch die Organisation sei zu aufwendig geworden.
„Hallelujah“ erklingt zum Schluss
Den „Teenager Gitarrenzauber“ möchte Eberhard Petri von der Musikkiste aber nicht einfach ziehen lassen. „Den Kartenverkauf kann man an ein bekanntes Portal abgeben, und manche der Musiker müssten im Hotel statt privat untergebracht werden“, sagte er. Ob es den Gitarrenzauber nie mehr geben wird, ist also nicht sicher.
Zudem habe sich eine Riedgemeinde als möglicher (Ersatz-)Veranstaltungsort ins Gespräch gebracht. Doch das ist noch nicht bestätigt. Zum Finale stimmten am Sonntag alle Künstlern gemeinsam auf der Bühne mit dem Publikum „Hallelujah“ von Leonard Cohen an – ein Gänsehautmoment.
Flankierend zum Konzert gab’s wieder eine Gitarrenausstellung. Hier war ein ganz speziell angefertigtes Unikat zu sehen, das demnächst im Internet versteigert werden soll. Der Erlös geht an die Zeitz-Foundation, eine deutsch-kenianische Stiftung, die verschiedene Projekte für die Menschen vor Ort in Sachen Kultur, Bildung, Ökonomie und Ökologie unterstützt.
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