Neckarhausen - Serenade im Schlosspark mit dem Stamitz-Orchester Mannheim

Junger Dirigent zeigt feines Gespür

Von 
Waltraud Brunst
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Es ist eine gute Tradition: Das Serenadenkonzert im Schlosshof Neckarhausen mit dem Stamitz-Orchester Mannheim. © Schwetasch

Dies war nun wahrlich eine sommerliche Serenade, wie man sie sich erträumt. Ein Sonnentag wie aus dem Bilderbuch, auch um 20 Uhr noch knapp 30 Grad bei mäßiger Schwüle – Regen gab’s erst mitten in der Nacht. Und ein Programm mit Wunschkonzertcharakter bei hohem künstlerischem Anspruch: vor der Pause Felix Mendelssohn Bartholdys herrliche „Italienische“, nach der Pause das kurze und knackige Konzert für Tuba und Orchester in f-Moll und Peter Tschaikowskys rassige, wenn auch teuflisch schwere Fantasie-Ouvertüre „Romeo und Julia“.

Hochkarätiges Laienorchester

Das traditionsreiche Stamitz-Orchester Mannheim, schon von Mozart als „académie des amateurs“ gewürdigt, erfreut das Klassikpublikum der Region schon seit Jahrzehnten mit den Schlossparkserenaden in Neckarhausen. Was den Dresscode angeht, war so ziemlich alles vertreten, von der Wanderkluft bis zum sommerlichen Abendkleid mit Goldsandaletten. Einhellige Meinung war, dass der gertenschlanke junge Dirigent mit seinem fabelhaften Designeranzug den Gipfelpunkt der Eleganz erreichte.

Noch erfreulicher, dass schon der Kopfsatz Allegro vivace der Mendelssohn’schen A-Dur-Sinfonie bewies, dass die künstlerische Potenz des 34-jährigen Mannheimers Jan-Paul Reinke seine optischen Vorzüge noch übertraf. Zumindest in Mannheim und Neckarhausen ist längst bekannt, dass unter Reinkes Vorgänger Klaus Eisenmann die Aufnahmekriterien für das hochkarätige Laienorchester verschärft wurden, dass außer einer professionellen Instrumentalausbildung auch die Bereitschaft zu Register- und Wochenendproben vorausgesetzt wird. Mit souveräner Partiturbeherrschung lenkte der auswendig dirigierende junge Mann seine tüchtige Musikantenschar durch die vielen rhythmischen Klippen des schönen Werks bis zum rasanten Saltarello-Finale und erntete heftigen Beifall.

Einen aparten Blick in die Nischen des Konzertrepertoires gewährte das f-Moll-Konzert für Tuba und Orchester von Ralph Vaughan Williams. Der 28-jährige Lothar Borg bewies in einer knappen Viertelstunde, dass die Tuba viel mehr sein kann als das Fundament von Blaskapellen. Die Melodiebögen der Romance, schönste britische Spätromantik, klangen rund und weich, brillant das virtuose Rondo-Finale. Für reichen Applaus dankte Borg mit „Riffs“ für Tuba solo von Daniel Schnyder.

Abschluss und Höhepunkt dann Tschaikowskys „Romeo und Julia“-Ouvertüre. Fraglos hat der junge Dirigent ein Gespür für diese emotionsgeladene Musik, wenn das herzergreifende Liebesthema erstmals mit Englischhorn und Bratschen ertönt, beim Aufbäumen des grausamen Schicksals in einem gewaltigen Orchester-Cresendo, beim verklärten Verlöschen der Geigen und den brutalen Akkordschlägen am Ende.

Das Publikum applaudierte sehr lange, ergriffen und dankbar, und ging dann hoch zufrieden in die laue Sommernacht. Der Regen kam, wie gesagt, erst viel später.

Freie Autorin

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