Natur

Fährfrau findet Flaschenpost in Neckarhausen

Da staunte Fährfrau Martina Kreuzer nicht schlecht: Nach zwei Wochen Urlaub fischte sie eine zauberhafte Überraschung aus dem Neckar.

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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Flaschenpost, von Fährfrau Martina Kreuzer aus dem Neckar gefischt. © Martina Kreuzer

Edingen-Neckarhausen. Verpackt in einer Plastiktüte und liebevoll zugebunden mit einem bunten Wollfaden: So hat Martina Kreuzer am Montag in Neckarhausen die geheimnisvolle Sendung aus dem Wasser des Neckars gefischt. Nach zwei Wochen Urlaub war das eine herzliche Begrüßung für die Fährfrau am ersten Arbeitstag, wie sie ihre Freunde in einem Facebook-Post wissen lässt.

„Und so schön geschrieben“, schwärmt sie. Nachdem sie die Flasche aus der Tüte genommen und den Schraubverschluss geöffnet hatte, wusste sie, woher die Überraschung kommt. Eine Gruppe des evangelischen Kindergartens Kunterbunt aus Heidelberg-Wieblingen hatte den Brief verfasst und auf die Reise geschickt. Die Fünf- bis Sechsjährigen lassen darin wissen: „Wir machen ein Flussexperiment und erleben einen schönen Tag rund um den Neckar. Zum Abschluss haben wir diese Flasche ins Wasser geworfen und hoffen, daß sie jemand findet und uns vielleicht schreibt.“

Auch für die Fährfrau ist die Flaschenpost eine Seltenheit

Dieser Wunsch geht jetzt in Erfüllung. Martina Kreuzer, seit 33 Jahren Fährfrau, hat in dieser langen Zeit vielleicht fünf oder sechs Mal eine Flaschenpost erhalten. Sie will den Kindern nun ebenso nett antworten. Sozusagen auf dem Dienstweg über die Gemeinde Edingen-Neckarhausen, denn diese ist seit ein paar Jahren Betreiber der Fähre, die eine mehr als 500-jährige Geschichte hat. Marcus Heinze, im Rathaus für das Verkehrsmittel zuständig, werde den Brief auch über den WhatsApp-Kanal der Nutzer verbreiten.

Dass ihre Flaschenpost angekommen ist, erfahren die Kinder der roten Gruppe von ihrer Erzieherin Gudrun Voigtländer. Dieser Redaktion sagte sie auf Anfrage, dass die Flasche erst eine Woche zuvor auf die Reise geschickt worden war. Es war nicht die erste Sendung dieser Art, wie sie verrät: „Wir hatten vor zwei Jahren eine eingeworfen, und die kam sogar bis nach Ingelheim bei Mainz.“ Da fischte eine Frau am Muttertag die Post aus dem Rhein.

Jedes Jahr gibt es im Kindergarten Kunterbunt erlebnisreiche Naturtage, und dazu zählt auch die Flussexpedition. Da gehen die Kinder den Fluss entlang und beobachten, wie er fließt. „Meistens bauen wir auch noch kleine Schifflein“, verrät sie, „und zum Abschluss gibt es dann die Flaschenpost.“

Brief aus der Flaschenpost, den der Kindergarten Kunterbunt aus Heidelberg-Wieblingen am 19.5.2025 auf die Reise geschickt hat. © Martina Kreuzer

Obwohl Wieblingen direkt am Neckar liegt, ist für die Kinder der Besuch hier immer ein Ereignis, wie ihre Erzieherin erzählt: „Viele waren hier noch nie.“ Wer schon zum zweiten Mal dabei war, stellte auch eine Veränderung fest. Weil es sehr wenig geregnet hat, gibt es eine ganz andere Strömung und einen veränderten Verlauf. Wo fließt er langsam, wo schnell, und wo steht er vielleicht sogar ganz still? Auch das nahmen die Kinder genau unter die Lupe, um am Ende den besten Platz zu finden, um ihre Flaschenpost auf die Reise zu schicken.

Zwischen 500 und 750 Meter in der Stunde kommt das Wasser im Fluss voran. Nach spätestens sechs Stunden müssten also die rund vier Kilometer stromabwärts bis Neckarhausen zurückgelegt worden sein. Vielleicht ist die Flasche zwischendurch aber auch aufgehalten worden. Oder aber sie hat am Rumpf der Fähre geduldig darauf gewartet, von der Fährfrau entdeckt und aus dem Wasser geholt zu werden.

So sorgfältig verpackt war die Flaschenpost aus dem Neckar. © Martina Kreuzer

Bei den Kindern jedenfalls ist die Freude groß, dass sie angekommen ist. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass es dafür keineswegs eine Garantie gibt. Eine Flaschenpost ist eine leere Flasche oder ein anderes schwimmfähiges Gefäß, das mit einem Dokument und eventuell anderen kleineren Gegenständen gefüllt wird, um – wasserdicht verschlossen – in ein Gewässer (meist einen Fluss oder einen Ozean) geworfen zu werden. So definiert Wikipedia die Flaschenpost: „Der Sender hat dabei die Hoffnung, dass die Strömung die Botschaft an einem anderen Ort an Land spült, wo sie dann von einem Finder entdeckt werden kann.“

Seit 1864 ein Instrument der Strömungsforschung

Bereits in der Antike warfen die Menschen wasserdichte und unsinkbare Gefäße ins Meer und warteten ab, wohin die Strömung sie treiben würde. Hierauf besann sich Georg Ritter Balthasar von Neumayer, als er 1864 das Flaschenpost-Experiment zur Strömungsforschung ins Leben rief. Von ihm stammt die älteste erhaltene Flaschenpost. Sie wurde am 14. Juli 1864 von Georg von Neumayer am Kap Hoorn ins Wasser geworfen und am 9. Juni 1867 gefunden. Heute ist sie Teil der Flaschenpostsammlung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg. Die Sammlung umfasst 662 zurückgesandte Briefe und gilt damit als die wohl größte ihrer Art auf der Welt. In fünf Büchern sind die Auffindezettel chronologisch von 1864 bis 1933 zusammengefasst. Die Jahrgänge 1901 bis 1927 gingen jedoch in Folge des Zweiten Weltkrieges verloren.

Angeblich soll schon Christoph Kolumbus auf seiner Fahrt nach Westen 1493 von einer Art Flaschenpost Gebrauch gemacht haben. Während eines schweren Sturmes, so heißt es, habe er ein Zedernfässchen mit Nachrichten für den katholischen König Ferdinand II. und dessen Ehefrau Isabella I. den Wellen übergeben. Allerdings erreichte diese Post den Empfänger damals nicht. Da hatten die Kinder des Kindergartens Kunterbunt aus Wieblingen deutlich mehr Glück.

Redaktion Aus Leidenschaft Lokalredakteur seit 1990, beim Mannheimer Morgen seit 2000.

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