Edingen-Neckarhausen. Beim Klimaschutz drückt Edingen-Neckarhausen auf die Tube. Bis 2035 soll die Gemeinde klimaneutral sein. Darauf haben sich die Fraktionen des Gemeinderates in der Sitzung am Mittwoch verständigt. Im Ziel, das Klima zu schützen, waren sich ohnehin alle einig, über den Weg dorthin wurde noch Ende des vergangenen Jahres zum Teil sehr kontrovers gestritten. Im Vorfeld der Sitzung waren die Drähte heiß und die Postfächer voll gelaufen, um auch hier eine Einigung zu erzielen.
Dass es eine örtliche Initiative von Bürgern war, die den Stein ins Rollen gebracht hatten, würdigten sowohl der Bürgermeister Simon Michler als auch die Sprecher aller Fraktionen. Zwei Vertreter der Klima-Initiative hatten zu Beginn der Sitzung ihre Position verdeutlicht. „Ein wesentlicher Beitrag gegen die Erderwärmung ist gefordert, um unseren nächsten Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen“, formulierte Sebastian Maaß. Sein Mitstreiter Filip Neuwirth verwies darauf, dass die Initiative eine von bislang 70 in Deutschland sei. „Wir haben heute noch die Möglichkeit, die Weichen zu stellen, um die Lebensgrundlage für unsere Kinder und Enkelkinder zu erhalten“, sagte Neuwirth. Das sei auch eine Frage von Generationengerechtigkeit. Beide forderten signifikante Beiträge der Gemeinde und aller Lebens- und Wirtschaftsbereiche, aber letztlich auch jedes Einzelnen.
Das sind die Beschlüsse zum Klimaschutz
- Edingen-Neckarhausen soll bis 2035 klimaneutral werden.
- Eine aktuelle Bilanz des CO2-Ausstoßes und Maßnahmen zu dessen Reduzierung soll der European Energy Award liefern.
- Mit dem Rhein-Neckar-Kreis wird eine Kooperationsvereinbarung zum Klimaschutz geschlossen.
- Im Rathaus wird eine weitere Stelle für den Klimaschutz geschaffen.
- Im Haushalt werden 100 000 Euro jährlich für klimaneutrale Liegenschaften eingestellt.
Für Michler Chefsache
Klimaschutz sei die wichtigste Zukunftsaufgabe, betonte Maaß. Er forderte zugleich, im Rathaus müsse das Chefsache sein. Er sei „kein Freund von politischen Showveranstaltungen“, reagierte der Bürgermeister auf die Forderung. „Es wäre unseriös, zu sagen, wir machen nur noch Klimaschutz“, unterstrich Michler. Zugleich versicherte er: „Es ist Chefsache, aber ich kann mich damit nicht 30 bis 40 Stunden in der Woche befassen.“ Entscheidend sei deshalb eine personelle Verstärkung im Rathaus, die es nun auch geben soll.
344 Kilogramm CO2 pro Einwohner und Jahr waren es laut Neuwirth Stand 2018, die eingespart werden müssen, inzwischen sei die Zahl höher. „Wir wissen gar nicht, wo genau wir stehen“, beklagte er. Ein Umstand, der sich mit der Teilnahme am European Energy Award (EEA) jetzt ändern soll. Bis zuletzt umstritten, gab es auch in dieser Frage nun Einigkeit. Von der rund 40 000 Euro teuren Expertise verspricht man sich aktuelle Zahlen, die regelmäßig veröffentlicht werden sollen. „Es hat uns gefreut, dass unser Antrag die Diskussion angefacht und beschleunigt hat“, stellten die Initiatoren des Einwohnerantrags fest. Seit der Klimakonferenz von Rio vor fast genau 30 Jahren habe sich nicht viel getan. Nun gehe es darum, zeitnah und ambitioniert in die Umsetzung zu gehen, denn: „Klimaschutz ist eine Überlebensfrage.“
„Jeder weiß, dass die Zeit drängt, aber trotzdem kommt man nicht zu Potte“, bedauerte Klaus Merkle von der Unabhängigen Bürgerliste (UBL-FDP/FWV). „Man muss etwas tun, und man kann es auch“, stellte Lukas Schöfer (CDU) fest: „Wir als Gemeinde können das Weltklima nicht retten, aber unseren Beitrag dazu leisten.“ Ökologisches und Ökonomisches müsse miteinander verbunden werden. Global betrachtet, werde der CO2-Ausstoß bis 2050 ansteigen, malte Schöfer schwarz und forderte auch Überlegungen, was bei Starkregen und Hitzekatastrophen zu tun sei.
Angesichts der sich abzeichnenden Einstimmigkeit frohlockte Thomas Hoffmann von der Offenen Grünen Liste (OGL): „Das wird ein denkwürdiger Tag für die Gemeinde.“ Der Klimaschutz sei eine Pflichtaufgabe, und seine Fraktion werde für den Haushalt 2022 noch konkrete Maßnahmen vorschlagen.
Michael Bangert (SPD) betonte: „Wir geben heute nicht mehr als einen Startschuss.“ Er sprach von einer großen Herausforderung, auch angesichts eines strukturellen Haushaltsdefizits: „Das Ganze ist nicht zum Nulltarif zu haben.“ Klimaschutz betreffe jeden Einzelnen und beginne damit, ob eine Flugreise wirklich sein müsse. „Wir müssen Ökonomie und Ökologie versöhnen“, forderte Bangert, niemand dürfe dadurch abgehängt werden.
„Das kann nur ein Auftakt sein“, stellte Edgar Wunder (Die Linke) fest. Er wünsche sich, dass in jeder zweiten Sitzung eine Maßnahme beschlossen wird, „sonst tröpfelt es vor sich hin“.Bislang sei nicht bekannt, welche Maßnahmen erforderlich wären, um den linearen Pfad beim Abbau des CO2-Ausstoßes zu erreichen. Deshalb sei die Teilnahme am EEA so enorm wichtig: „Sonst stochern wir nur im Nebel.“
Lob für Verwaltung
In einer zehnminütigen Sitzungsunterbrechung wurden noch einmal letzte Details geklärt, ehe Klaus Merkle (UBL) die Marschroute erklärte. „Das Telefon hat nicht stillgestanden“, erläuterte er, was im Vorfeld der Sitzung passiert war. Ausdrücklich lobte er die Vorarbeit und Vorlage der Verwaltung: „Da ist alles wunderbar zusammengefasst.“ Nur einen Vorschlag zur Abstimmung habe man vermisst: „Wir wollen alle das gleiche Ziel erreichen und werden deshalb allen Anträgen zustimmen.“ Das freute nicht zuletzt den Bürgermeister: „Das ist ein starkes Zeichen, das find ich super.“
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Klimaschutz geht alle an