Soziales - Preisträger des Courage-Ordens segelt weiterhin um die Welt / Bisher 26 Prothesen gefertigt / Im März steuert er die Karibik-Insel St. Vincent an

Wojtek Czyz hilft Menschen auf die Beine

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Corinna Busalt
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Bürstadt. Vor zwei Jahren hat der Heimat- und Carnevalverein (HCV) Bürstadt den erfolgreichen Behindertensportler Wojtek Czyz mit dem Courage-Orden ausgezeichnet. Und das nicht nur, weil er nach seiner Unterschenkel-Amputation Goldmedaillen bei den Paralympics gewann, sondern weil er anderen Amputierten helfen will. Czyz stieg vier Monate nach der Preisverleihung in Bürstadt auf einen Katamaran, um - mit einer Prothesen-Werkstatt an Bord - vier Jahre um die Welt zu segeln. Die Hälfte ist nun vorbei, was macht der 36-Jährige derzeit?

"Wir haben vielen Menschen wieder auf die Beine geholfen", erzählt er. Derzeit ist er mit seiner Frau Elena Brambilla in Italien, um den neuen Katamaran vorzubereiten. Denn das "alte" Boot sei zu klein gewesen. "Wir haben so viel Material an Bord, dafür brauchen wir mehr Platz." So hat sich das Ehepaar entschlossen, das neue Boot selbst zu kaufen und dem Verein Sailing4Handicaps kostenlos zur Verfügung zu stellen. "Wir richten gerade die Orthopädie-Werkstatt ein."

Erst wieder laufen lernen

Deshalb konnte er auch nicht nach Bürstadt zur Verleihung des Courage-Ordens an Nele Neuhaus kommen. Denn Mitte März will Czyz mit seiner Frau die karibische Insel St. Vincent ansteuern. Dafür sei noch allerhand zu tun. Sie stünden bereits rege mit dem Gesundheitsministerium dort in Kontakt. "Es gibt sehr viele Diabetes-Erkrankte auf der Insel und dadurch auch viele Amputationen", erzählt Czyz am Telefon. "Wir haben schon für 8000 Euro Material bestellt, dafür sammeln wir fleißig Spenden."

"Bisher haben wir 26 Prothesen gefertigt. Der Bedarf ist enorm", sagt Czyz. "Wir sind bestimmt noch länger als vier Jahre unterwegs." An ihrer ersten Station Marokko haben sie 15 Menschen helfen können. "Amputierte Kinder gehen nicht in die Schule, weil sie gehänselt werden. Aber mit einer Prothese sind sie High-Tech-Menschen und werden bewundert." Ihn bewegt das sehr. "Wenn man aus Deutschland kommt, das meiner Ansicht nach das beste Gesundheitssystem der Welt hat, ist es unglaublich, was in anderen Ländern vor sich geht."

Für so viele Menschen sei es unmöglich, eine Prothese zu bekommen. Denn diese koste rund 5000 Euro - "das kann jemand, der arm ist, nicht aufbringen." Deshalb findet er das Projekt so wichtig. "Wir sind dafür verantwortlich, dass Menschen wieder lächeln. Das macht uns super super stolz", sagt der 36-Jährige bewegt. "Plötzlich können Bauern wieder etwas anpflanzen." Ohne Krücken könnten Mütter ihre Kinder wieder mit beiden Armen festhalten. "Das sind ganz tolle Dinge, die geschehen."

Nach Marokko überquerte Czyz mit seiner Frau Elena Brambilla den Atlantik. Auf der Karibik-Insel St. Lucia konnten sie weitere elf Menschen mit einer Prothese versorgen. Brambilla ist ebenfalls Sportlerin. Sie trainiert mit den Patienten, um die Muskulatur zu stärken. Czyz kümmert sich um die "Geh-Schule". Er sagt: "Man muss das Laufen erst wieder lernen." Der 36-Jährige weiß, wovon er spricht. "Wir fertigen auch nur Prothesen für Beine, weil ich mich nur damit auskenne."

Die Prothesen selbst stellt ein Orthopädiemechaniker her. "Dafür suchen wir für die kommenden Projekte noch jemanden, der zwei bis drei Wochen Zeit mitbringt", sagt Czyz. "Diese Leute leisten Großartiges." Wie lange sie für eine Prothese und das Training brauchen, hänge ganz vom Patienten ab. "Ein Kind ist aufgestanden und sofort losgerannt. Da war ich baff." Doch manche laufen selbst nach einer Woche Training noch unsicher. Es sei eine interessante, spannende aber auch anstrengende Zeit.

Im Moment planen die beiden alles für ihren Aufenthalt auf der karibischen Insel St. Vincent. Danach soll es auf jeden Fall weiter zu einer anderen Insel im Pazifik gehen. Sie knüpfen gerade Kontakte - nicht nur in die Karibik, sondern auch nach Deutschland. Denn sie brauchen für den nächsten Stopp noch einen Orthopädiemechaniker.

Dass die Fastnachter aus Bürstadt den Kontakt halten, freue ihn sehr. Denn beim HCV treffe er auch "Menschen, die etwas bewegen wollen. Ich habe nur permanent mit den Vorbereitungen zu tun, da ist es schade, dass ich mich nicht mit anderen Preisträgern austauschen kann", sagt der 36-Jährige. Die Preisverleihungen verfolge er aber. "Denn der Courage-Orden hat mich sehr, sehr stolz gemacht."

Wojtek Czyz

Wojtek Czyz kommt am 30. Juli 1980 in Polen zur Welt und mit acht Jahren nach Deutschland.

Kurz vor seinem Wechsel als Profifußballer zum Regionalligisten Fortuna Köln 2001 verletzt er sich im Abschiedsspiel bei einem Zusammenprall schwer am linken Knie. Nach Behandlungsfehlern ist sein Bein nicht zu retten und wird oberhalb des Knies amputiert.

Nach der erfolgreichen Reha startet er im Behindertensport: Nur zehn Monate nach dem Unfall gewinnt Czyz die deutsche Meisterschaft im 100-Meter-Lauf sowie im Weitsprung. Viele weitere Siege folgen. Mit sieben paralympischen Medaillen zählt er zu den erfolgreichsten deutschen Behindertensportlern.

2013 verabschiedet er sich aus dem Sport. Im Mai 2015 startet er unter dem Motto "sailing4handicaps" eine Weltumseglung, um arme Menschen mit Prothesen auszustatten. Mit seiner Ehefrau Elena Brambilla, einer italienischen Hochspringerin, steuert er zuerst Marokko, danach St. Lucia (Karibik) an. Im März wollen sie in St. Vincent in der Karibik anlegen.

An Bord des Katamarans "Imagine" nutzen sie einen 3D-Drucker, der an der SRH-Hochschule Heidelberg entwickelt worden ist. Die Beinstümpfe der Betroffenen werden eingescannt, der Drucker stellt aus Kunststoff einen passgenauen Abdruck des Beinschafts her. Das spare Geld sowie Gewicht an Bord. Alternativ können Abdrücke mit Gips genommen werden. Eine neue Beinprothese kostet etwa 200 Euro.

Infos zu dem Projekt und Möglichkeiten zu spenden gibt es unter www.sailing4handicaps.de. cos

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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