Ried/Viernheim. Wie viel Grundsteuer wollen die Städte und Gemeinden im neuen Jahr von ihren Bürgern einfordern? Das Thema wird in den Rathäusern der Region gerade intensiv diskutiert. Folgen sie – wie es Groß-Rohrheim plant – der Empfehlung aus Wiesbaden und senken den Hebesatz? Oder wird – wie in Bürstadt vorgesehen – der nächste Steuerbescheid für viele Eigentümer deutlich teurer?
Was steckt hinter der neuen Regelung?
Mit der Reform der Grundsteuer B haben sich Besitzer von Eigenheimen und Grundstücken bereits intensiv beschäftigen müssen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss die Grundsteuer neu geregelt werden, die bebaute und bebaubare Grundstücke betrifft. Zu ungerecht, zu alte Daten, lautete die Begründung. Zwei vergleichbare Grundstücke in ähnlicher Lage, aber Steuerbescheide in völlig unterschiedlicher Höhe – das soll es ab 2025 nicht mehr geben. Deshalb mussten alle Immobilieneigner in Deutschland aktuelle Daten zu Grund- und Wohnflächen liefern.
Wie berechnet sich die neue Grundsteuer B?
Hessen macht es sich etwas einfacher als andere Bundesländer und nutzt im Grunde drei Faktoren: die Angaben des Eigentümers multipliziert mit der Steuermesszahl, die das Land neu berechnet hat, multipliziert mit dem Hebesatz, den die Kommunen festlegen. Bei der Steuermesszahl spielen auch die Nutzung und die Lage der Immobilie eine Rolle, erläutert die hessische Oberfinanzdirektion in Frankfurt. Hochwertige Gebäude in zentraler Lage dürften also künftig höher besteuert werden, genauso wie Grundstücke in Gebieten mit starker Wertsteigerung.
Steigen damit auch die Einnahmen der Kommunen?
Bund und Land stellen sich das anders vor – aufkommensneutral, lautet das Stichwort. Unter dem Strich sollen die Rathäuser nicht mehr Geld einnehmen als nach der alten Regelung. Die Steuerlast soll insgesamt für die Summe der Eigentümer gleich bleiben, auch wenn der Bescheid für einige höher, für andere niedriger ausfallen könnte, so die Oberfinanzdirektion. Deshalb gebe es für Kommunen, die mit der Reform höhere Einnahmen zu erwarten hätten, die Empfehlung, ihre Hebesätze zu senken.
Welche Immobilien kosten mehr, was wird eher günstiger?
Vor allem im ländlichen Raum könnte es teurer werden. In das alte Berechnungsverfahren ist die Fläche des Grund und Bodens nicht in die Bewertung eingeflossen, erläutert die Oberfinanzdirektion. Bei den neuen Grundsteuermessbeträgen sieht das anders aus. Auf dem Land sind Grundstücke tendenziell größer als im Ballungsraum – und könnten damit also durchaus höher besteuert werden. Deshalb sieht die Empfehlung für ländliche Gemeinden tendenziell eher eine Senkung vor.
Wer entscheidet über die neuen Hebesätze?
Das letzte Wort haben die kommunalen Parlamente. Den Vorschlag dazu machen allerdings die Kämmerer in den Rathäusern. Mit dem Haushaltsentwurf für 2025 muss dann auch der neue Hebesatz für die Grundsteuer B festgelegt werden.
Wie geht Bürstadt mit der Empfehlung des Landes um?
Die Bürstädter Bürgermeisterin Bärbel Schader hat es im Gespräch mit dieser Redaktion nachdrücklich klar gemacht: Sie will den Hebesatz unverändert lassen. Zwar schlägt die hessische Steuerverwaltung vor, den Hebesatz von 570 auf 460,70 Prozent zu senken. Das könne sich Bürstadt aber nicht leisten, macht die Rathaus-Chefin deutlich.
Wieso ist die finanzielle Situation gerade so schwierig?
Noch fehlen wichtige Eckdaten, aber dass Kreis- und Schulumlage stark in die Höhe schnellen dürften, ist für Bärbel Schader kaum noch eine Frage. Zur allgemein schlechten Dynamik der Wirtschaft komme der Ukraine-Krieg direkt nach der Corona-Krise. „Davon haben wir uns immer noch nicht erholt.“ Die Kosten fürs Personal würden stetig steigen, alleine für die Kinderbetreuung gebe Bürstadt eine Million Euro aus. In der Niedrigzinsphase sei viel investiert worden. Jetzt müssten Kredite getilgt werden. Von den Kommunen werde allerdings gerade in diesen Zeiten erwartet, dass sie investieren – und das werde Bürstadt auch: Das städtische Gebäude in der Erbacher Straße soll saniert werden, genauso wie die schimmelbefallene Kita Villa Kunterbunt. Größere Summen würden zudem in die Kläranlage und den Straßenbau gesteckt.
Was plant Viernheim – bleibt es beim aktuellen Hebesatz?
In Viernheim wird tatsächlich darüber nachgedacht, den Hebesatz leicht zu erhöhen. Die Empfehlung aus Wiesbaden sieht eine minimale Anhebung um 0,8 Prozentpunkte vor – von bisher 620 auf 620,8 Prozent. Wie Bürgermeister und Finanzdezernent Matthias Baaß erklärt, seien nach eigenen Berechnungen der Stadtverwaltung aber 635,85 Prozent zu veranschlagen. Grund für die Differenz sei, dass aktuell noch nicht alle Grundsteuermessbeträge gemeldet wurden. Bis zum 12. Dezember sei die Zahl also noch variabel. Dann tagen die Stadtverordneten zum letzten Mal in diesem Jahr und müssten dann auch die Hebesatzsatzung verabschieden.
Warum warten einige Kommunen mit ihren Entscheidungen noch?
Weil wichtige Eckdaten für die Haushaltsplanung noch fehlen, lautet die Begründung der Stadt Lampertheim, die noch keinen Haushaltsentwurf vorgelegt hat. Auch die Gemeinde Biblis argumentiert so. Ob die Empfehlung umgesetzt werden kann, hänge entscheidend von der finanziellen Situation ab, macht die Bibliser Kämmererin Michelle Riemer deutlich. Bund und Länder delegierten immer mehr Pflichtaufgaben an die Kommunen und Landkreise, damit steige auch der Finanzbedarf. Allerdings sei mit sinkenden Einnahmen zu rechnen: In der Novembersteuerschätzung werde ein Ausfall von 900 Millionen Euro für das laufende und das kommende Jahr in Hessen prognostiziert. Biblis will deshalb erst über eine Senkung des Hebesatzes entscheiden, wenn genauere Daten vorliegen.
Folgt denn überhaupt jemand der Empfehlung aus Frankfurt?
Es gibt Rathäuser, die ihren Hebesatz deutlich senken wollen – wie Groß-Rohrheim mit seinen knapp 3800 Einwohnern, das sich vom ländlichen Dorf zur Pendlergemeinde mit viel produzierendem Gewerbe entwickelt hat. Mit einem Hebesatz von 281,37 statt bisher 420 Prozent würde Groß-Rohrheim in etwa so viel Grundsteuer B erwirtschaften wie vor der Reform. „Das werden wir auch so einplanen“, kündigt Bürgermeister Karsten Krug an. Dazu gebe es eine Empfehlung der Gemeindevertretung. (mit mas und swa)
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