Berufswahl

Wie Firmen in Bürstadt an ihre Azubis kommen

Das Projekt „Fit for Future“ stellt sich noch breiter auf, um Schulabgänger in Bürstadt kräftig zu unterstützen. Junge Akteure ziehen beim Unternehmerfrühstück Bilanz.

Von 
Corinna Busalt
Lesedauer: 
Der Austausch steht beim Unternehmerfrühstück des Projekts „Fit for Future“ im Vordergrund. © Berno Nix

Bürstadt. „Kann man euch klonen?“ Eine rhetorische Frage von Johannes Bohn, der als Ausbildungsberater bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) tätig ist. Ein größeres Lob könnten die jungen Erwachsenen von „Fit for Future“ wohl kaum bekommen, denn Bohn würde das Bürstädter Projekt am liebsten ausweiten, damit auch andere Städte – und deren Jugendliche – davon profitieren. Dabei will die aktive Gruppe erstmal in ihrer Heimatstadt besser und bekannter werden, macht sie beim Unternehmerfrühstück im KamÜ deutlich.

Was sie verbessern können, wollen die jungen Leute von den Firmen wissen. Etliche Ideen dafür haben sie schon selbst. Digitaler soll alles laufen, damit sich die Schüler online für die Workshops anmelden – und nicht mehr über Zettel. Zudem wünscht sich die Gruppe noch mehr Rückhalt von den Lehrern der Erich Kästner-Schule (EKS), da diese ihre Schüler schließlich gut kennen und sie gezielt unterstützen können. Auf ihrer neuen Homepage werde sich „Fit for Future“ bald ansprechend präsentieren – ebenso die Firmen und Einrichtungen, die die Schüler in den Workshops besuchen und kennenlernen.

Firma Stadtmüller: Wir haben keine Probleme, Azubis zu finden.

Eins ist schon jetzt klar: „Fit for Future“ wächst rasant. Die drei Initiatoren Mika Willwohl, Luigi Imperato und Mika Back haben ein gutes Dutzend Gleichaltrige gefunden, die sie unterstützen. Gemeinsam bringen sie die Abgänger der EKS zu Unternehmen – und bestenfalls auch zu einem Ausbildungsplatz. „Von Vorteil ist, dass sie die Sprache der Schüler sprechen und sie zu den Firmen begleiten“, sagt Daniel Schnell von der Firma Stadtmüller. Wobei er selbst gar keine Hilfe brauche, um in Kontakt zu Jugendlichen zu kommen.

„Wir haben keine Probleme, Azubis zu finden. Wir suchen uns aus zehn bis 15 Bewerbungen die besten heraus“, sagt der Geschäftsführer selbstbewusst. Dennoch habe er die drei Jungs „von der ersten Minute an unterstützt“, betont der 35-Jährige. „Sie sind super motiviert, und sie schließen eine Lücke. Denn sie machen etwas, das die Schulen alleine nicht schaffen können – und was vom Elternhaus mittlerweile oft fehlt: Sie nehmen die Schüler an die Hand.“ Schnell bedauert, dass viele daheim nicht mehr unterstützt werden, um einen Ausbildungsplatz zu kommen.

Fit for Future

  • Mika Willwohl, Luigi Imperato und Mika Back haben „Fit for Future“ – kurz F3 - im Februar 2024 mit der Bürgerstiftung Bürstadt gegründet. Sie zeigen Acht-, Neunt- und Zehntklässlern, welche Ausbildungsmöglichkeiten es in Bürstadt gibt – und unterstützen damit auch Firmen bei ihrer Suche nach Nachwuchs.
  • Darüber hinaus bieten sie mit erfahrenen Coachs Seminare an zu Themen wie Vorstellungsgespräche, Mediengestaltung und Organisation der eigenen Finanzen, zudem gibt’s Tipps zum Styling und Schminken für eine Arbeit im Büro oder in der Bank.
  • Da die Arbeit aufwendig ist, hat das Trio aus seinem Freundeskreis zahlreiche weitere Aktive für F3 gewonnen : Franka Thierfelder, Edgar Schwarze, Anna Röß, Constantin und Laurin Morweiser, Luca Ost, Julius Keinz, Luisa Lurg, Yannick Ulpins, Philipp Reiber, Lea Habel, Hannah Winkenbach und Sophia Lurg.
  • Im ersten Jahr haben sie 50 Schüler der EKS zu Unternehmen begleitet, im zweiten waren es bereits 140 .

Nur zu jammern, dass keine Bewerbungen mehr ankommen, helfe als Handwerksbetrieb aber auch nicht weiter. Dass sich die Unternehmen selbst anstrengen müssen, hätten noch nicht alle begriffen, meint Daniel Schnell. Trotz des bekannten Fachkräftemangels. Bei Stadtmüller Bedachungen gebe es ein eigenes Fitnesscenter, einen Billardtisch und eine Lehrwerkstatt mit eigenem Ausbilder. Das habe sich herumgesprochen. Die Investition in die jungen Leute lohne sich. „Gute Kräfte bekomme ich nur, wenn ich diese selbst ausbilde“, sagt der Geschäftsführer. Dachdecker, Zimmerer und Spengler sowie Bauingenieure an der Dualen Hochschule lernen in seinem Betrieb mit 40 Mitarbeitern.

Junger Mann aus Kamerun ohne Schulabschluss nun bester Azubi

Bei Elektro Brenner fangen nach dem Sommer gleich sieben neue Azubis an. „Vier im Handwerk und drei im Büro“, sagt Betriebsleiter Heiko Blumenschein. Ob die Jugendlichen über „Fit for Future“ zu ihm gefunden haben, weiß er allerdings nicht. „Wir sind seit drei Jahren in allen möglichen Foren präsent.“ Das zahle sich aus. Zuvor seien gar keine Bewerbung mehr angekommen. „Wir legen auch die Messlatte nicht mehr so hoch – gerade was Zeugnisnoten angeht. Dafür ziehen wir bei der Förderung alle Register, also Nachhilfe oder Sprachkurse.“ Das lohne sich. Strahlend erzählt der Betriebsleiter von seinem besten Azubi, den er an der Karl-Kübel-Schule getroffen hat: einen jungen Mann aus Kamerun, ohne Schulabschluss, mit geringen Deutschkenntnissen. „Und jetzt? Er zieht durch, davon kann man nur träumen!“

Die Aktiven von „FitForFuture“ ziehen Bilanz. Mika Willwohl (v.l.), Luigi Imperato, Anna Röß und Mika Back bei der Präsentation im KamÜ. © Berno Nix

Eine stärkere und individuelle Förderung wünschen sich auch die Aktiven von „Fit for Future“ für die Schüler. Deshalb machen sie sich auf die Suche nach Mentoren. „Wir wollen Brücken bauen und Leute zusammenbringen“, sagt Mika Back. In Kleingruppen haben sie schon Kurse für Bewerbungen, Finanzen oder das Styling organisiert. Das wollen sie ausbauen. Aber über Bürstadt hinaus wollen sie – wie sich das der IHK-Ausbildungsberater vorstellt - noch nicht denken. Langfristig solle das Projekt aber schon auf eigenen Füßen stehen, „auch ohne uns“, versichert Mika Back. Aber jetzt stehen sie voll dahinter und wollen es verbessern.

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

Copyright © 2025 Südhessen Morgen

VG WORT Zählmarke