Bürstadt. „Ich kenne einige, die im Rollstuhl sitzen und sich nicht mehr aus dem Haus trauen, weil sie nicht als behindert wahrgenommen werden wollen.“ Hans Dieter Niepötter vom Bürstädter Inklusionsbeirat sagt ganz klar: „Behinderungen können einsam machen.“ Um dem entgegenzuwirken, lädt Niepötter mit Henning Knapheide zur Veranstaltung „Kreativ gegen Einsamkeit“ am Samstag, 1. November, 14 bis 18 Uhr im MITtendrin Bürstadt, Nibelungenstraße 44, ein. Die Veranstaltung reiht sich in die „Tage der seelischen Gesundheit“ ein, die aktuell im Kreis Bergstraße läuft.
Als „inspirierende inklusive Nachmittagsveranstaltung“ beschreibt die Beratungsstelle EUTB das Angebot in Bürstadt, bei dem die Teilnehmer viel Informatives erfahren aber auch selbst aktiv werden können, etwa beim Singen oder Lach-Yoga. „Es geht auch um den Austausch: Man kann Tipps geben, erhält aber auch Ratschläge“, sagt Niepötter zum Programm, das der EUTB auf die Beine gestellt hat. Die Abkürzung steht übrigens für ergänzende, unabhängige Teilhabe-Beratung. Sie richtet sich an Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen sowie deren Angehörige.
„Viele trauen sich nicht, sich als einsam zu outen“, sagt Hans Dieter Niepötter
In Lampertheim bietet die EUTB seit diesem Jahr einmal im Monat eine Sprechstunde an. „Dabei stellen wir zunehmend fest, dass es mehr Menschen gibt, die sich einsam fühlen. Und das nicht unbedingt, weil sie alleine sind. Selbst in einer Partnerschaft oder Gruppe fühlen sich manche nicht zugehörig“, berichtet Henning Knapheide aus dem Beratungsalltag. Hans Dieter Niepötter wiederum, der vor Jahren ein Schlaganfall erlitten hat, weiß: „Viele trauen sich nicht, sich als einsam zu outen.“ Er hofft daher sehr, dass der Nachmittag gut angenommen wird und sich Betroffene in die Öffentlichkeit trauen. Immerhin ist das MITtendrin komplett barrierefrei - anders als viele andere Orte.
„Wer nicht mobil ist, kann fast nichts spontan unternehmen“, weiß Niepötter aus eigener Erfahrung. Wenn er selbst ein Restaurant oder ein Hotel besucht, muss er das vorab organisieren. Denn oft gibt es Stufen, oder die Toiletten sind auf einer anderen Etage - ohne Aufzug. Selbst vor einer Zugfahrt klärt er zuvor ab, ob sich die jeweilige Verbindung für Rollstuhlfahrer auch eignet. Das koste viel Energie - und schrecke manch andere davon ab, sich überhaupt auf Reisen zu begeben.
Laut Niepötter sind zehn bis zwölf Prozent der Gesellschaft schwer behindert. „Betroffen sind also richtig viele Menschen“, sagt der Bürstädter. Einigen sei das nicht anzusehen, etwa wenn es sich um Autismus handelt. Dass sie der Gesellschaft nicht auffallen, liege aber auch daran, dass viele aus Scham daheim bleiben. Dem will die EUTB abhelfen und die Betroffenen inspirieren. Dafür wird Prof. Michael Rund von der Hochschule Darmstadt einen Impulsvortrag halten und Möglichkeiten ansprechen, wie man durch die Gestaltung des Wohnumfelds, des öffentlichem Raums sowie Mobilität neue Räume für das Miteinander schaffen kann.
Weitere Experten wollen Tipps geben, etwa die „PauLas“ Christina Adler-Schäfer und Michaela Weber sowie Jochen Hallbauer vom Behindertenbeirat Lampertheim, der selbst im Rollstuhl sitzt. Schließlich gibt es eine Auswahl kreativer Workshops wie Lach-Yoga mit Sabine Lauck, eine Kräuterwerkstatt mit Birgit Ruoff, Malen für die Seele mit Paula Christmann sowie heilsames Singen mit Birgit B. Benson. Möglichkeiten zur Anmeldung sowie Infos gibt es unter eutb-bergstrasse.de. Interessierte können aber auch spontan dazu kommen.
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